# taz.de -- Umweltjuristin über Endlagersuche: „Der Kompromiss droht zu sche… | |
> Soll kein Castor mehr nach Gorleben kommen, muss Minister Altmaier die | |
> Betreiber gesetzlich in die Pflicht nehmen, meint DUH-Expertin Cornelia | |
> Ziehm. | |
Bild: Der Protest bleibt nur aus, wenn die Wagen leer sind. | |
taz: Frau Ziehm, noch vor der Bundestagswahl soll das von | |
Bundesumweltminister Peter Altmaier als historisch gefeierte Gesetz zur | |
Suche nach einem Atommüllendlager verabschiedet werden. Ist das | |
realistisch? | |
Cornelia Ziehm: Das wird maßgeblich davon abhängen, ob gemachte Zusagen | |
eingehalten werden. Altmaier hat etwa versprochen, dass keine weiteren | |
Castoren mehr ins Zwischenlager nach Gorleben kommen. Ob das klappt, ist | |
mehr als fraglich. Eine gesetzliche Absicherung dieses Versprechens wird | |
anscheinend nicht einmal geprüft. | |
Warum ist es so immens wichtig, dass kein Castor mehr nach Gorleben kommt? | |
Das ist ein Kern der politischen Vereinbarung: Gorleben bleibt als | |
möglicher Standort im Rennen, dafür werden dort keine weiteren Fakten durch | |
noch mehr Atommüll geschaffen. Es geht darum, nach Jahrzehnten des | |
Misstrauens wieder Vertrauen in die Politik zu schaffen. | |
Altmaiers Zusage reicht Ihnen nicht aus? | |
Nein. Deutschland ist völkerrechtlich dazu verpflichtet, ab 2015 noch 26 | |
Castoren aus den Wiederaufbereitungsanlagen La Hague und Sellafield | |
zurückzunehmen. Es muss daher jetzt rechtsverbindlich geregelt werden, dass | |
sie nicht mehr nach Gorleben gehen und wohin genau sie stattdessen sollen. | |
Die Betreiber der standortnahen Zwischenlager müssten daher verpflichtet | |
werden, sofort entsprechende Anträge zu Einlagerung dieser Castorbehälter | |
mit Glaskokillen zu stellen. Das werden sie nicht ohne Weiteres tun, | |
außerdem erfordert das einen erheblichen zeitlichen Aufwand. Auch sind an | |
jedem Standort Genehmigungsverfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung und | |
entsprechenden Fristen nötig. | |
Wie geht es dann weiter? | |
Nach Genehmigungserteilung beginnt dann die technische Umrüstung. Auch dazu | |
müssen die Betreiber rechtssicher verpflichtet werden. Denn die Castoren | |
aus La Hague und Sellafield sind mit Glaskokillen und nicht mit | |
abgebrannten Brennstäben gefüllt und können nicht einfach in andere | |
Zwischenlager gestellt werden. Wenn wir jetzt bei politischen | |
Absichtserklärungen stehen bleiben, dann rollen mit hoher | |
Wahrscheinlichkeit 2015 wieder Castoren nach Gorleben, und der historische | |
Kompromiss wäre gescheitert, bevor er in die entscheidende Phase tritt, | |
also die alternative Suche nach einem Endlager tatsächlich beginnt. | |
Kann man nicht einfach ins Gesetz schreiben: Nach Gorleben kommen keine | |
Castoren mehr? | |
Nein. Der Betreiber von Gorleben, die Gesellschaft für Nuklear-Service – | |
Gesellschafter sind Eon, RWE, Vattenfall und EnBW – verfügt über eine | |
grundsätzliche Einlagerungsgenehmigung. Die kann man ihr nicht einfach so | |
entziehen, ohne Klagen zu provozieren. Und die Betreiber der Zwischenlager | |
an den AKW-Standorten werden den Müll auch nicht freiwillig aufnehmen. Sie | |
müssen dazu verbindlich verpflichtet werden. | |
Das gehört doch den gleichen Firmen. | |
Richtig, aber die müssen trotzdem mitmachen. Denn beispielsweise verfügt | |
das von Vattenfall betriebene Zwischenlager in Brunsbüttel nur über eine | |
Genehmigung zur direkten Aufnahme abgebrannter Brennelemente aus dem AKW | |
Brunsbüttel. Es ist bislang nicht darauf ausgelegt, Castorbehälter mit | |
Glaskokillen aus der Wiederaufarbeitung aufzunehmen. Die technische | |
Umrüstung dafür kostet pro Standort wahrscheinlich einen zweistelligen | |
Millionenbetrag. Die Bundesregierung muss die Betreiber entsprechend | |
verpflichten. Im Gegenzug wird sie ihnen etwas anbieten müssen. Wer zahlt, | |
ist bisher noch völlig offen. | |
Und die Atomkraftgegner werden dann in Neckarwestheim sitzen und dort die | |
Transporte blockieren? | |
Wie erleben zurzeit eine bemerkenswerte Entwicklung: Gemeinden, Regionen | |
oder Bundesländer wie Bayern und Hessen, die sich jahrelang für Atomenergie | |
starkgemacht und diese Energie genutzt haben, wollen keine Verantwortung | |
für deren Müll übernehmen. Man wird also mit Protesten aus einer ganz | |
anderen Ecke rechnen können: vonseiten der bisherigen Atomkraftbefürworter. | |
28 May 2013 | |
## AUTOREN | |
Ingo Arzt | |
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