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# taz.de -- Umgang mit Syrien: Deutschland weiß nicht so recht
> Beim Thema Syrien herrscht Ratlosigkeit. Der CDU-Politiker Ruprecht
> Polenz spricht erstmals über militärische Mittel gegen Assad.
Bild: Die syrische Armee hat Waffen. Sollten wir der Opposition deshalb auch we…
BERLIN taz | Es gibt zwei Möglichkeiten, die anhaltende Ratlosigkeit der
deutschen Außenpolitik beim Thema Syrien zu bewerten. Entweder zeugt sie
von der Weigerung, sich ernsthaft mit dem Schicksal der syrischen
Bevölkerung zu beschäftigen, oder von einer Situation in Syrien, die keine
lebensrettende Einmischung von außen zulässt.
Parteiübergreifend trifft auf die deutschen Außen- und
Verteidigungspolitiker die zweite Lesart zu. „Ich würde mich mit dem Teufel
selbst treffen, wenn er mir eine Maßnahme nennen könnte, mit der wir die
Lage in Syrien nicht noch verschlimmern“, sagt der Grüne Omid Nouripour.
Seit zwei Jahren eskaliert der Konflikt in dem Land. Doch das deutsche
Motto lautet: keine Waffen, keine militärische Einmischung. „Wir halten
nichts von Waffenlieferungen an die syrischen Rebellen“, sagte
Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) am Dienstag. „Man müsste ja
nie wieder über deutsche Rüstungsexporte in Spannungsgebiete reden, wenn
wir hier sozusagen in einen Konflikt hinein Waffen liefern.“
Der Vorsitzende des auswärtigen Ausschusses, Ruprecht Polenz (CDU), erklärt
erstmals, dass für ihn eine Flugverbotszone auch ohne ein UN-Mandat infrage
komme. „Eine No-Fly-Zone einzurichten halte ich auf Grundlage der
Responsibility to Protect zwar für legitim. Doch würde dies einen Luftkrieg
bedeuten, von dem ich nicht glaube, dass ihn jemand führen will“, sagt
Polenz.
Responsibility to Protect heißt das völkerrechtliche Prinzip, wonach
Gewaltherrscher von außen daran gehindert werden müssen, ihre eigene
Bevölkerung umzubringen. Eine Flugverbotszone würde die gut ausgerüstete
Luftwaffe des syrischen Herrschers Baschar al-Assad am Bombardieren von
eroberten Gebieten hindern.
Polenz erzählt, ihn erinnere die Lage „stark an die Situation damals (Mitte
der 1990er Jahre, Anm. d. Red.) in Jugoslawien, als die Bosniaken zu uns
sagten: ’Milosevic hat Waffen. Wie könnt ihr es mit eurem Embargo uns
verwehren, uns wenigstens zu wehren?‘“ Wenn Großbritannien und Frankreich
tatsächlich Waffen liefern und „dies sich als eine funktionierende Maßnahme
erweise, die Lage unter Kontrolle zu bringen“, werde sich die
Bundesregierung „sicherlich auch anschließen können“.
Damit setzt sich ein führender CDU-Außenpolitiker erkennbar von der
Opposition ab. Rolf Mützenich (SPD) sagt: „Ich kann nicht nachvollziehen,
dass jetzt doch eine No-Fly-Zone gefordert wird.“ Die Situation sei ja
sogar unübersichtlicher geworden.
## Mützenich: „Mehr Flüchtlinge aufnehmen“
Waffenlieferungen, aber vor allem ein Luftkrieg gegen Assad „würde zu einer
schnellen Eskalation führen“, erklärt der SPD-Politiker. „Ich befürchte,
Russland würde dann die schweren Luftabwehrwaffen an Syrien wie den Iran
liefern, die es bislang immerhin nicht geliefert hat. Wir würden eine
Ausweitung des Konflikts erleben.“ Auch das Bundestagsmandat für die
Patriot-Raketen in der Türkei sei dann übrigens überholt.
Unbedingt müsse die EU nun alle nicht militärischen Maßnahmen verstärken,
„mehr Flüchtlinge aufnehmen, mehr und ortsnähere medizinische Versorgung
anbieten“. Mützenich glaubt offenbar, dass der Ruf der EU-Außenpolitik noch
gerettet werden kann: Die bisherigen Bemühungen, die Opposition zu einen,
seien bloß sporadische Einzelaktionen gewesen. „Das kann ich überhaupt
nicht verstehen. Hier ist die EU, ist deren Repräsentantin Cathy Ashton
gefragt.“ Sie müsse alles tun, dass die syrische Opposition sich an einen
Tisch begebe.
Auf diesen vielzitierten „einen Tisch“, an dem Anfang Juni in Genf die
verfeindeten Lager sowie internationale Unterhändler Platz nehmen sollen,
verweisen nun alle. Die Chance dieser Runde „besteht darin, dass die
bewaffnete Opposition nun in der Defensive ist und deshalb jetzt vielleicht
doch bereit ist, auch mit Assad zu verhandeln“, erklärt der
Linkspartei-Politiker Jan van Aken.
Er gibt zu, dass er stark schwanke „zwischen der Befürchtung, dass dieser
Krieg die ganze Region erfasst, und der Hoffnung, dass die Gespräche in
Genf doch ein Ergebnis bringen“.
Scheitert die Diplomatie erneut, müsse man mit den Konsequenzen leben, sagt
van Aken. Ähnlich hatte sich zuvor auch Verteidigungsminister Thomas de
Maizière geäußert. „Wenn die Revolution gegen Assad gescheitert ist“, so
van Aken weiter, „dann ist das grauenvoll, dann hat wieder ein Despot
gesiegt, aber dann ist das leider so.“ Jedes militärische Eingreifen aber
werde „die Opferzahlen noch viel weiter in die Höhe treiben“.
28 May 2013
## AUTOREN
Ulrike Winkelmann
## TAGS
Ruprecht Polenz
Flüchtlinge
Schwerpunkt Syrien
Waffenlieferung
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