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# taz.de -- Kommentar zur Karlsruher EZB-Klage: Das falsche Gericht entscheidet
> Unsere Verfassung, unser Parlament, unser Geld - der Streit um das
> Anleiheprogramm der EZB wird zu eng geführt.
Bild: EZB-Chef Mario Draghi bei einer Pressekonferenz in Frankfurt.
Man stelle sich einmal vor, ein Franzose - nennen wir ihn Monsieur Dupont -
würde mit einem anderen Franzosen - Monsieur Picon - vor einem
französischen Gericht über die Europapolitik streiten. Beide wären
ehemalige französische Regierungsberater, das Gericht hätte nur
französische Experten bestellt, und vom Ausgang ihres Streits hinge das
Schicksal der gesamten Eurozone ab.
Was würden wir dazu sagen? Dass das eine feine Sache ist - oder ein
absurdes Theater, eine französische Farce? Vermutlich letzteres. Doch genau
diese Szene spielt sich heute und morgen vor dem Bundesverfassungsgericht
in Karlsruhe ab. Monsieur Dupont heißt in Wahrheit Weidmann und ist
Bundesbankchef, Monsieur Picon heißt Asmussen und vertritt die Europäische
Zentralbank (EZB).
Vom Ausgang ihres Streits hängt tatsächlich das Schicksal der gesamten
Eurozone ab. Denn setzt sich Dupont - pardon: Weidmann - durch, dann könnte
das umstrittene Anleihenkaufprogramm der EZB zum Erliegen kommen. Dann
dürfte die Spekulationswelle gegen den Euro, die EZB-Chef Draghi nur mit
der Drohung gebändigt hatte, unbegrenzt Staatsanleihen zu kaufen, wieder
von vorne beginnen.
Die Leidtragenden wären zu allererst Italien und Spanien, die im
vergangenen Jahr fast über die Klippe gesprungen wären. Aber auch
Frankreich, Belgien und die Niederlande könnten bei einem Wiederaufflammen
der Spekulation massiv unter Druck geraten. Doch in Deutschland wird die
Diskussion so geführt, als gehe es einzig um allein um uns - um unsere
Verfassung, unser Parlament, unser Geld.
Diese nationale Engführung ist das eigentliche Problem bei dem Prozess in
Karlsruhe. Die Kläger haben ja in vielem Recht: Natürlich agiert die EZB
hart an der Grenze des rechtlich Zulässigen. Natürlich ist EZB-Chef Draghi
nicht demokratisch legitimiert. Und natürlich geht es um das Geld deutscher
Steuerzahler. Aber eben auch um das der Franzosen, Italiener, Spanier,
sogar der Griechen.
Dieser Prozess müsste daher vor dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg
stattfinden, nicht in Karlsruhe. Es dürften nicht nur deutsche Experten zu
Wort kommen, es sollte auch um die Interessen der Bürger und Steuerzahler
im Süden gehen. Zumindest aber sollten die Beteiligten die europäische
Dimension mitdenken. Und genau das ist das Problem mit Monsieur Dupont
alias Weidmann.
Der argumentiert nämlich so, als gehe es um die reine Lehre. Doch die
Geldpolitik findet, da hat sein Gegenspieler Asmussen völlig recht, nicht
im luftleeren Raum statt. Sie muss berücksichtigen, was auf den Märkten
passiert - Merkel und ihre Verbündeten hatten es im letzten Sommer eben
nicht geschafft, die Spekulation zu bändigen. Und sie muss sicherstellen,
dass niedrige Zinsen überall ankommen - und nicht nur in Deutschland.
Im Streit zwischen Dupont und Picon hat daher der Vertreter der EZB die
besseren Argumente. Das heißt aber nicht, dass die Kläger im Unrecht wären.
Im Gegenteil: einige ihrer Anliegen, etwa die demokratische Legitimation
der Eurorettung, sind für Europa und das Überleben des Euro zentral. Doch
auch sie können letztlich nur auf europäischer Ebene durchgesetzt werden.
Denn was wäre schon gewonnen, wenn Deutschland die EZB ganz demokratisch
ausbremsen dürfte, während Südeuropa, plötzlich schutzlos geworden,
unterginge? Nichts. Wer Demokratie in der Währungsunion fordert, muss sich
auch der Willkür der Märkte und der Diktatur der Sparkommissare
widersetzen. Doch darüber wird in Karlsruhe nicht verhandelt, leider.
Irgendwie ist dieser deutsche Prozess dann doch ein absurdes Theater.
11 Jun 2013
## AUTOREN
Eric Bonse
## TAGS
EZB
Mario Draghi
Jörg Asmussen
Anleihen
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Europa
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