# taz.de -- US-Armeestützpunkt in Kirgistan: Der Obama-Grill von Bischkek | |
> Treibstoff, Soldaten, Särge - die US-Militärbasis Manas ist ein wichtiger | |
> Transitort – vor allem von und nach Afghanistan. Für viele Kirgisen | |
> könnte das so bleiben. | |
Bild: Rein nach oder raus aus Afghanistan via Manas: US-Soldaten beim Zwischenh… | |
BISCHKEK taz | Auf Pferden ritten die Kirgisen zur Unglücksstelle. Brennend | |
war das Flugzeug vom Himmel gestürzt, wie die Hirten später den Agenturen | |
berichteten. Am 3. Mai zerschellte das Tankflugzeug KC-135 der | |
US-Luftflotte unweit der nordkirgisischen Siedlung Chon-Aryk in der Steppe. | |
Die Besatzungsmitglieder, zwei Männer und eine Frau, überlebten den Absturz | |
nicht. Das Tankflugzeug war zuvor vom sogenannten Transitzentrum der | |
US-Airforce auf dem Flughafen Manas in Bischkek gestartet und auf dem Weg | |
in den afghanischen Luftraum, um die dort kreisenden US-Bomber im Flug | |
aufzutanken. Die Verunglückten waren die ersten Toten der US-amerikanischen | |
Basis in Kirgistan. | |
„Bisher hat es bei uns keine Unglücksfälle gegeben“, hatte Oberst Robert | |
Mallets noch wenige Tage vor dem Absturz zuversichtlich gesagt. Der Tod | |
erreichte die US-Basis in dem zentralasiatischen Land bis dahin nur als | |
Luftfracht – die im Afghanistan gefallenen Soldaten werden häufig über | |
Kirgistan ausgeflogen. „Wir halten dann eine würdige Zeremonie ab“, sagt | |
Mallets. | |
Die Luftwaffenbasis in Kirgistan ist seit 2001 der wichtigste | |
Luftumschlagplatz der US-Streitkräfte für den Einsatz in Afghanistan und | |
für den in diesem Jahr begonnenen Rückzug. Das Lager um die Landebahn des | |
zivilen Flughafen Manas unweit der Hauptstadt besteht aus einer Zelt- und | |
Containerstadt, die von einem Zaun und einer Betonmauer umgeben sind. | |
## „Keine Kampfeinsätze“ | |
Ein Schild am Eisentor warnt etwaige Eindringlinge in drei Sprachen vor dem | |
Schusswaffengebrauch. Bis zu 4.000 Soldaten fasst das Lager um die | |
Landebahn, an die 2.000 Soldaten können täglich nach oder von Afghanistan | |
fliegen. | |
Corey Martin, mit hoher Stirn und Alexandernase, hat den Oberbefehl über | |
die Basis inne. Der großgewachsene Oberst, der in dem Tarnfleck etwas | |
schlaksig wirkt, umreißt das Operationsgebiet. Neben dem Personentransit | |
dient die Basis zum Auftanken der Flugzeuge im Afghanistaneinsatz. Täglich | |
starten bis zu fünf Tankflugzeuge. „Von hier werden keine direkten | |
Kampfeinsätze geflogen“, sagt Martin bestimmt, es würden auch keine schwere | |
Waffen über Bischkek nach Afghanistan gebracht, beteuert er. | |
Nach dem Absturz des Tankflugzeugs brachte der Mai dem US-Kommandanten | |
weitere schlechte Kunde. Die kirgisische Regierung erklärte das Abkommen | |
über die Basis für beendet, im Juni 2014 sollen die Amerikaner die Zelte | |
abbrechen. Das Parlament des zentralasiatischen Staates muss noch | |
zustimmen, und anders als in anderen zentralasiatischen Staaten ist die | |
kirgisische Volkskammer eigenständig. Da gibt es noch etwas Spiel für die | |
US-Diplomatie. | |
Der US-Offizier gibt sich cool. „Wir können in der vorgegebenen Frist das | |
Zentrum räumen“, sagt Martin, „und die Schließung im Sommer 2014 wird wed… | |
die Operationen in Afghanistan noch den Rückzug gefährden.“ | |
Vor dem Regierungsentscheid ist es allerdings nie zu irgendwelchen | |
Massenaufmärschen gegen die US-Basis gekommen. Dabei sind die Kirgisen nach | |
zwei Umstürzen im letzten Jahrzehnt politisiert wie keine andere | |
Gesellschaft in Zentralasien. Wöchentlich versammeln sich in der Hauptstadt | |
und in den Provinzen Demonstranten für oder gegen etwas. Und dabei sind die | |
Protestler nicht zimperlich. | |
In der Woche, in der das Parlament eigentlich über das Transitzentrum | |
debattieren sollte, demonstrierten in der Nordprovinz am Issyk-Kul-See | |
Hunderte Kirgisen zu Pferde gegen eine Goldmine, blockierten die | |
Zufahrtstraße und kappten die Stromversorgung. | |
„Wir treffen hier auf keine offene Ablehnung“, sagt Corey Martin. Auch das | |
in anderen Ländern übliche Fahnenverbrennen käme in Kirgistan nur selten | |
vor. | |
In der Hauptstadt buhlt man eher um die Gäste aus Übersee. In Bischkek | |
brummen zwei „Obama-Grills“. Im Beisein einer Pappfigur des US-Präsidenten | |
verköstigen Kirgisen Fritten und Chicken Wings, und die Tische sind immer | |
gut besetzt. | |
## Schlechte Erdbeeren | |
Gulba Achunbajewa ist die US-Basis im Grunde egal. Dabei wässert die | |
60-Jährige das Gemüse in unmittelbarer Nähe des Flughafens. Sie wohnt in | |
der Siedlung „Trud“ in einem Holzhaus mit kleinem Garten in Hörweite der | |
Landebahn. Sie stützt sich auf eine Forke und zuckt mit den Schultern. | |
„Wenn die Amerikaner gehen, dann gehen sie, und wenn sie bleiben, bleiben | |
sie halt.“ | |
Die Stimme der rüstigen Frau übertönt ein Transportflugzeug im Anflug. | |
Achunbajewa blickt hoch. Das einzige, was die Kirgisin sorgt, sind ihre | |
Erdbeeren und Aprikosen. Die schmeckten nicht mehr so gut wie früher, und | |
vielleicht seien ja die Flugzeuge schuld. | |
Vor einem Jahr machte der kirgisische Umweltaktivist Charibek Serenow genau | |
mit diesem Argument Stimmung gegen die US-Basis. „Das in der Luft | |
abgelassene Benzin vergiftet unsere Böden“, zürnte er. Serenow organisierte | |
eine kleine Demonstration vor der US-Botschaft, sogar das Parlament | |
befasste sich mit den Anschuldigungen. | |
Auch die New York Times berichtete. Doch Serenow gelang es nicht, die | |
Massen zu mobilisieren, und heute ist der Aktivist abgetaucht. „Die | |
US-Präsenz bringt uns Geld und internationale Bedeutung“, meint der | |
Politologe Mars Sarijew. Für Kirgistan wäre es besser, die Amerikaner | |
blieben. | |
Oberst Corey Martin beschwört ebenfalls den Nutzen der Basis. Er projiziert | |
eine Kurve an die Wand. Die Benzinkäufe nicht eingerechnet, wären in den | |
letzten Jahren zwischen 113 und 140 Millionen US-Dollar in der kirgisischen | |
Wirtschaft verblieben. Zudem leiste der Stützpunkt in den umliegenden | |
Dörfern Entwicklungsarbeit. Soldaten renovieren Krankenhäuser und Schulen. | |
Noch landen und starten die Flugzeuge der US-Airforce. Mit einer | |
Transportmaschine ist Leutnant Robert Danford aus dem Krieg am Hindukusch | |
nach Manas gekommen. Der 32-jährige Soldat flog von Kandahar aus | |
Hubschrauber. „Wir wurden oft beschossen, selbst mit Handfeuerwaffen“, | |
berichtet er, sichtlich müde. „Aber wir haben da einen wichtigen Job | |
gemacht.“ Die Nacht ist angebrochen und Danford steht mit seinem Rücksack | |
bei der Zollabfertigung. Im zackigen Ton erklärte ihm der Offizier, was | |
nicht in die USA eingeführt werden dürfe: Drogen, Waffen und kubanische | |
Zigarren. | |
„Bisher ist kein Fall von Drogenschmuggel aufgedeckt worden“, sagt die | |
diensthabende Offizierin. Auch der Oberkommandierende Martin verneint | |
Gerüchte über angeblichen systematischen Drogenschmuggel, die außerhalb des | |
Stützpunktes immer wieder zu hören sind. | |
Neben den großen Zelten für die Soldaten auf Durchreise gibt es die | |
fensterlosen Container, in denen die Mannschaft der Basis schläft. Zwischen | |
den Containern weisen Leuchtreklamen den Weg zu einer Bar – zwei Drinks pro | |
Tag und Soldat sind erlaubt –, zu Kaffeeläden und einem Grillrestaurant. In | |
der Kantine verspeisen die Soldaten an langen Tischen Hamburger, Tapas und | |
Fritten. Es gibt Einweggeschirr. Auf einem Sandplatz spielen sie später | |
Baseball. Die Stimmung schwankt zwischen Gelöstheit und Anspannung – je | |
nachdem, ob ein Zug nach Afghanistan gebracht wird oder von dort | |
zurückkommt. | |
## 90 Tonnen Kerosin | |
Neben den Transportmaschinen stehen die Tankflugzeuge. Treibstoff ist das | |
zentrale Geschäft rund um die Basis. Die gesamte Elektrizität und Heizung | |
kommt über dieselbetriebene Generatoren. Der Großteil aber macht das | |
Flugbenzin aus. Bis zu fünfmal am Tag starten Tankflugzeuge mit 90 Tonnen | |
Kerosin. Allein die Beschaffung kostet im Jahr an die 450 Millionen Dollar. | |
Maxim Bakijew, der Sohn des Expräsidenten Kurmbek Bakijew, kontrollierte | |
bis 2010 vier Firmen, über die der Treibstoffverkauf abgewickelt wurde. | |
Dies sei nun transparenter gelöst, versichert Oberst Mallets, nur zwei | |
Firmen würden vor allem aus Russland den Treibstoff auf Tanklastern | |
importieren. „Wir zahlen für den Treibstoff, danach sind wir nicht mehr | |
verantwortlich“, zieht sich der der Oberst aus der Affäre. | |
Die Soldaten auf dem Baseballplatz sind in ihre Zelte gegangen. Noch einmal | |
übernachten, bevor sie abfliegen. Zuvor jedoch werden sie kontrolliert, ob | |
sie wirklich keine kubanischen Zigarren im Gepäck haben. | |
13 Jun 2013 | |
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