# taz.de -- Hochwasserbilanz 2013 in Deutschland: Mehr Platz für Flüsse | |
> Mehr Raum für Flüsse – das wurde 2002 nach der Elbeflut versprochen. Was | |
> ist daraus geworden? Oder ist der Klimawandel am Hochwasser schuld? | |
Bild: Der normale Wasserstand (Dunkelblau) und der Hochwasserstand (Hellblau) i… | |
Wie kam es überhaupt zu diesem Hochwasser? | |
Ursache für das verheerende Hochwasser an Donau, Saale und Elbe war ein | |
außerordentlich stabiles Tiefdruckgebiet, das über dem östlichen | |
Mitteleuropa lag und in großem Bogen permanent sehr feuchte und warme Luft | |
aus dem Schwarzmeergebiet nach Deutschland lenkte. | |
Diese Luftmassen strömten über Deutschland aus nordnordöstlicher Richtung, | |
und vor allem am Nordrand der östlichen Mittelgebirge und der Alpen | |
entstanden staubedingt extrem starke Niederschläge, die tagelang anhielten | |
– und die dortigen Flüsse schnell anschwellen ließen. | |
Ist der Klimawandel daran schuld? | |
Wetterlagen mit extremen Regenmengen über Mitteleuropa hat es immer wieder | |
gegeben, auch [1][vor dem Klimawandel]. Fakt ist aber auch: Je wärmer eine | |
Luftmasse ist, umso mehr Feuchtigkeit kann sie aufnehmen – und umso stärker | |
regnet es im Extremfall. Daher verschärft die Erderwärmung solche | |
Extremereignisse. Zudem gibt es Hinweise darauf, dass der Klimawandel zu | |
häufigeren Extremwetterlagen führt. | |
Welche Regionen sind in Deutschland hochwassergefährdet? | |
Prinzipiell sind alle Städte und Gemeinden bedroht, die an Flüssen liegen, | |
die im Bergland entspringen – in Deutschland betrifft dies die meisten | |
großen Städte. Tagelange Extremregenfälle würden aber ebenso anderswo zu | |
Katastrophen führen, auch ohne Bergflüsse. Als es im Sommer 2011 in | |
Mecklenburg tagelang stark regnete, standen plötzlich Rostock und andere | |
Orte unter Wasser. Wirklich hochwassersicher sind nur Gebiete, die auf | |
Bergen oder Hügeln liegen. | |
Was sind die schlimmsten Sünden beim Hochwasserschutz? | |
Vielerorts wurden die Flüsse [2][eng eingedeicht], um Flächen für | |
Landwirtschaft, Industrie und Wohnen zu schaffen. Zudem wurden die kleinen | |
Nebenflüsse oft begradigt, Moore trockengelegt und Flächen versiegelt. Die | |
Folge: Wenn es regnet, fließt das Wasser rasend schnell ab und lässt die | |
Fluten steigen. Und: Hohe Deiche am Oberlauf der Flüsse verschlimmern die | |
Hochwasser am Unterlauf. | |
Was hilft gegen Hochwasser? | |
Hochwasser werden sich nicht gänzlich verhindern lassen, aber ihre Folgen | |
können gemildert werden. Wichtigste Maßnahme ist, den Flüssen mehr Platz zu | |
geben, damit sich das Wasser verteilt. Das Problem: Jede Fläche in | |
Deutschland wird von irgendjemandem genutzt; man nimmt bestimmten Menschen, | |
etwa Bauern, etwas weg, wenn man den Flüssen mehr Raum geben will. Während | |
Enteignungen – mit Entschädigungen – beim Bau von Straßen oder Schienen | |
üblich sind, scheuen sich die Behörden beim Hochwasserschutz davor. Das | |
muss sich in Zukunft ändern. | |
Mehr Raum für Flüsse – das wurde 2002 nach der Elbeflut auch versprochen. | |
Was ist daraus geworden? | |
Nur 5 Prozent der Maßnahmen, die Hochwasserexperten nach der Elbeflut von | |
2002 empfohlen haben, wurden bislang umgesetzt. Das größte Projekt war eine | |
420 Hektar große Überflutungsfläche im Nordwesten Brandenburgs. Das nächste | |
Großprojekt ist eines in Roßlau in Sachsen-Anhalt, wo bis zum Jahr 2018 | |
eine Fläche von 600 Hektar dem Fluss zurückgegeben werden soll. Dennoch | |
stehen der Elbe nur etwa 20 Prozent ihrer ursprünglichen Auenfläche zur | |
Verfügung. | |
Warum kommt der Hochwasserschutz kaum voran? | |
Wie gesagt: Wer als Bauer jahrzehntelang von guten Böden profitiert hat, | |
wer Bauland in Flussnähe verkaufen will, wer sich den schönen Blick aufs | |
Wasser nicht verbauen lassen will – der gibt nicht so schnell auf. Gegen | |
Rückdeichungen und andere Maßnahmen richten sich vor Ort häufig | |
Bürgerinitiativen. Ihre Haltung: Warum denn gerade bei uns? | |
Überflutungsflächen könnten doch auch anderswo geschaffen werden! So | |
schiebt jeder den Schwarzen Peter dem anderen zu – und Bürgermeister und | |
Landespolitiker machen mit. | |
Soll man Flutopfern die Solidarität entziehen? | |
Im sächsischen Grimma beispielsweise haben sich Bürger gegen hohe | |
Flutmauern gewehrt; jetzt ist die Stadt an der Mulde zum zweiten Mal | |
innerhalb weniger Jahre abgesoffen. Wie andere [3][Flutopfer] auch, werden | |
die Grimmaer [4][Hilfen von Land und Bund] bekommen. Ihnen im Nachhinein | |
die Solidarität zu entziehen, geht nicht: Wer will wie beweisen, ob der | |
Einzelne für oder gegen – angemessene – Schutzmaßnahmen war? Künftig sol… | |
die Landesregierung den Druck auf uneinsichtige Kommunen und Bürger | |
erhöhen. | |
Was hilft, außer dass größere Überflutungsflächen geschaffen werden? | |
Alles, was dazu führt, dass Regenwasser länger in der Landschaft bleibt: | |
Moore renaturieren; weniger intensive Landwirtschaft, die den Boden | |
verdichtet; mehr Misch- statt Nadelwälder; weniger Flächenversiegelung; | |
Flussbegradigungen zurückbauen. Auch hier gilt: Den Status quo zu ändern | |
ist im Einzelfall schwierig, da viele Menschen von ihm profitieren. Dennoch | |
sollte es Schritt für Schritt in Angriff genommen werden. | |
Was bringt Klimaschutz in Deutschland? | |
Viel und wenig. Als politisches Signal, dass sich eine Industrienation auf | |
den Weg zu einem nachhaltigeren Wirtschaften macht, bringen | |
Klimaschutzmaßnahmen in Deutschland viel. Das Klima kann Deutschland allein | |
aber nicht retten; dafür ist der deutsche Anteil am weltweiten | |
Kohlendioxidausstoß viel zu gering. 2011 lag er bei 2,4 Prozent. | |
22 Jun 2013 | |
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## AUTOREN | |
Richard Rother | |
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