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# taz.de -- Murat Kurnaz in Berlin: Stark und nicht gebrochen
> Fünf Jahre wurde Kurnaz unschuldig in Guantánamo festgehalten, niemand
> wurde dafür bestraft. Er ist müde, sucht aber die Öffentlichkeit. Ein
> Ortstermin.
Bild: Ein Berg von einem Mann: Murat Kurnaz am Donnerstag in Berlin.
BERLIN taz | Er ist ein Berg von einem Mann, die Bizeps in einem Umfang,
dass die Hände den Kontakt zum Körper verlieren, wenn sie einfach runter
hängen. Der Ex-Guantánamohäftling Murat Kurnaz redet nicht viel, aber sein
Körper sagt: Ich bin stark, nicht gebrochen. Kurze Haare, glatt rasiert,
schwarzes, eng anliegendes Sportshirt, silberne Turnschuhe.
Gerade erst ist sein Leben verfilmt wurden, „[1][5 Jahre Leben]“, Kurnaz
selbst lobt den deutschen Kinofilm, er sei froh, dass er zustande gekommen
ist. Aber eins wird dort nicht thematisiert: die strafrechtliche Verfolgung
der Verantwortlichen für Folter in Guantánamo.
Deshalb hat er sich auf den Weg gemacht, von Bremen nach Berlin, um am
Donnerstag gemeinsam mit der Menschenrechtsorganisation European Center für
Constitutional and Human Rights (ECCHR) eine Pressekonferenz abzuhalten.
Denn trotz der öffentlichkeitswirksamen und andauernden Hungerstreiks der
Noch-Insassen und der Diskussionen um Zwangsernährung - juristisch
betrachtet ist bislang nicht viel passiert.
„Niemand wurde zur Rechenschaft gezogen“, sagt Kurnaz, er sieht müde aus,
er stand im Stau und kam mit über zwei Stunden Verspätung an, „fünf Jahre
meines Lebens wurden mir gestohlen, niemand kann sie mir zurückgeben. Aber
man hätte wenigstens versuchen können, es wiedergutzumachen.“ Es ist ein
bescheidener Satz, dafür dass er von Januar 2002 bis August 2006
unschuldig, ohne Beweise, festgehalten und gefoltert wurde.
Eine Entschuldigung hat er nie erhalten, von keinem amerikanischen, keinem
deutschen Politiker. Eine Entschädigung? Nie. Immer noch reagierten
Menschen mit Angst auf seinen Namen, immer noch sei es schwer für ihn, eine
Stelle zu finden.
## Kein Verantwortlicher wurde bestraft
Strafen für Verantwortliche? Fehlanzeige. Gegen Bush selbst und Donald
Rumsfeld sowie andere ehemalige Angehörige der Bush-Administration, haben
Menschenrechtsorganisation wie das ECCHR und das New Yorker Center for
Constitutional Rights (CCR) deswegen schon vor Jahren rechtliche Schritte
in Deutschland, Frankreich, Belgien, Schweiz und in Spanien unternommen.
Wie aussichtsreich diese Verfahren sind, das wird Wolfgang Kaleck,
ECCHR-Generalsekretär, immer wieder gefragt.
Dabei kann er dazu keine Einschätzung geben, aber es geht ihm um die
strafrechtliche Aufarbeitung, um den Versuch, um das Prinzip, auch wenn
viele Verfahren aus politischen Gründen vielleicht eingestellt werden oder
schon wurden. Die USA ist ein mächtiger Gegner. „Am meisten hat sich in
Spanien getan,“ sagt Kaleck.
Seit 2009 ermitteln dort Strafverfolgungsbehörden gegen unbekannt wegen
Folter und illegaler Inhaftierung in Guantánamo. Seit Januar 2013 ist
Kurnaz, vertreten vom ECCHR, dort als Geschädigter zugelassen, seine
Zeugenvernehmung wurde beantragt.
## Keine Hoffnung, aber Motivation
Was sich Kurnaz davon erhofft? „Wir versuchen es“, sagt er und schiebt sein
Wasserglas mit den Fingern geräuschlos hin und her. Wenn Kurnaz über
Guantánamo spricht, dann sagt er nicht „Gefängnis", sondern
„Folteranstalt". „Ich glaube nicht mehr daran, dass verantwortliche
Politiker zur Rechenschaft gezogen werden." Keine Hoffnung, aber dennoch
Motivation.
„Ich kenne noch die Hälfte der Menschen, die dort sitzen. Der jüngste war
damals neun Jahre." Kurnaz‘ Einschätzung der Lage klingt brutal: „In
Guantánamo geht es den Gefangenen vergleichsweise gut." Denn heute wisse
die Öffentlichkeit zumindest Bescheid, aber es gäbe auch andere
Geheimgefängnisse, von denen niemand spricht.
Sein Auftrag endet daher nicht mit der Schließung von Guantánamo, sagt
Kurnaz. Den deutschen Pass, der ihm hätte vieles ersparen können, den hat
er noch nicht beantragt. Aber das wird er noch, „ganz sicher". „Als Türke
in Deutschland hat man mit diesem Pass doch nur Vorteile - vor allem beim
Reisen."
28 Jun 2013
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## AUTOREN
Jasmin Kalarickal
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