# taz.de -- Zukunft von Guantánamo-Häftling: Hoffnung nach zwölf Jahren Haft | |
> Deutschland prüft die Aufnahme eines Gefangenen des US-Straflagers. Dabei | |
> soll es sich um den Marrokaner Younis Chekkouri handeln. | |
Bild: Will raus aus Guantánamo: Younis Chekkouri (auf einem Fahndungsfoto der … | |
BERLIN taz | Die letzte öffentliche Nachricht von Younis Chekkouri ist ein | |
Hilfeschrei. „Die Dinge hier werden immer schlechter“, schrieb der | |
46-Jährige vor einem Jahr in einem Brief an seine Anwältin, den der Sender | |
Al Dschasira veröffentlichte. Er erfahre immer wieder willkürliche intime | |
Leibesvisitationen, erlebe Misshandlungen und Erniedrigungen. „Heute | |
wünschte ich mir nach all dem eine Herzattacke, um mein Leid zu beenden.“ | |
Seit zwölf Jahren ist Chekkouri Häftling im US-Gefangenenlager Guantánamo. | |
Nun könnte sich für ihn doch noch eine Perspektive eröffnen: Ein Sprecher | |
des Bundesinnenministeriums bestätigte, dass am Dienstag ein Ersuchen der | |
US-Regierung einging, einen Guantánamo-Häftling in Deutschland aufzunehmen. | |
Dies werde nun intensiv geprüft. Einen Namen nennt das Ministerium nicht. | |
Nach taz-Informationen aber geht es um Chekkouri. | |
Schon länger soll die Regierung über dessen Aufnahme verhandeln. Laut | |
Medienberichten hat Chekkouri einen Onkel, eine Tante und einen Cousin, die | |
seit Jahrzehnten in Baden-Württemberg leben. Das Bundesland schließt eine | |
Aufnahme nicht aus. „Sollten wir eine Anfrage bekommen, werden wir das | |
prüfen“, sagte ein Sprecher des Landesinnenministeriums. | |
Der gebürtige Marokkaner Chekkouri wurde 2001 im pakistanischen Tora-Bora | |
festgenommen und US-Soldaten übergeben. Laut seiner Guantánamo-Akte wird | |
ihm vorgeworfen, sich einer islamistischen Kämpfergruppe, der Moroccan | |
Islamic Fighting Group, angeschlossen zu haben. Chekkouri selbst soll | |
beteuern, es habe sich um eine reine Glaubensgruppe gehandelt. 2009 soll | |
ihn auch die US-Administration mangels Gegenbeweisen für ungefährlich | |
erklärt haben: „cleared for release“, er könne freigelassen werden. | |
## Angst vor Folter in Marokko | |
Nur ein Aufnahmeland fand sich nicht. Eine Auslieferung nach Marokko soll | |
Chekkouri ablehnen, da ihm dort Folter drohe. Diesen Eindruck habe er nach | |
Befragung durch marokkanische Geheimdienstler in Guantánamo gewonnen. Im | |
vergangenen Jahr trat Chekkouri für mehrere Wochen in den Hungerstreik. | |
US-Präsident Barack Obama hatte angekündigt, das Lager Guantánamo zu | |
schließen. Heute sitzen dort dennoch rund 150 Gefangene ein. In Deutschland | |
wurden bisher drei ehemalige Insassen aufgenommen. | |
Im Jahr 2006 kam der Deutschtürke Murat Kurnaz nach fünf Jahren im Lager | |
nach Bremen. 2010 nahm Hamburg den Palästinenser Ayman al-S. auf, und | |
Rheinland-Pfalz den Syrer Mahmoud al-A. Ob nun Chekkouri folgt, bleibt aber | |
ungewiss. 2010 stand ursprünglich noch ein dritter Guantánamo-Häftling auf | |
der Aufnahmeliste für Deutschland: Mohammed Mattan. Die Regierung aber | |
lehnte ihn ab: Anders als bei al-S. und al-A. sei „nicht mit derselben | |
Sicherheit eine Gefährdung der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland | |
auszuschließen“. | |
Die Opposition fordert nun, Chekkouri aufzunehmen. „Es ist ein humanitäres | |
Gebot, Menschen aus der Hölle von Guantánamo zu befreien“, appelliert | |
Linken-Innenpolitikerin Ulla Jelpke. „Die Regierung sollte hier großzügig | |
verfahren und sich nicht hinter spekulativen Sicherheitsbedenken | |
verschanzen.“ | |
16 May 2014 | |
## AUTOREN | |
Konrad Litschko | |
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