| # taz.de -- Ramadan in Guantánamo: Zum Verstoß gezwungen | |
| > Auch im Fastenmonat werden Häftlinge in Guantánamo zwangsernährt. Der | |
| > Rhythmus des Ramadan soll bedacht werden, logistisch scheint das | |
| > unmöglich. | |
| Bild: Orange, schwarz, rosa: Protest gegen die Guantánamo-Politik der US-Regie… | |
| WASHINGTON taz | Als „schmerzhaft, schmachvoll und entwürdigend“ hat | |
| Bundesrichterin Gladys Kessler am Montag die Zwangsernährung von | |
| Hungerstreikenden in Guantánamo bezeichnet. Doch trotz dieser ungewöhnlich | |
| klaren Worte, verbot sie nicht die Tortur selbst. Eine solche Entscheidung | |
| falle nicht in ihren Zuständigkeitsbereich, erklärte sie wenige Stunden vor | |
| Beginn des Ramadan. | |
| Trotz des Fastenmonats - eine der fünf Säulen des Islam - werden zur Zeit | |
| mindestens 45 hungerstreikende Gefangene in dem Lager zwangsernährt. In | |
| einer deutlichen Anspielung an Barack Obama gab Richterin Kessler die Sache | |
| zurück an den Präsidenten. „Es gibt ein Individuum“, sagte sie, „das die | |
| nötige Macht hat, um dagegen anzugehen“. | |
| Vier Hungerstreikenden in Guantánamo hatten das Gericht eingeschaltet, | |
| damit es ihre Zwangsernährung beendet. Alle vier Männer beteiligen sich an | |
| dem Hungerstreik, der Anfang Februar begonnen hat. Sie gehören zu einer | |
| Gruppe von 86 Gefangenen, die schon vor Jahren die Mitteilung bekommen | |
| haben: „zur Freilassung“ oder „zum Transfers freigegeben“. | |
| Sie sind wegen politischer Widerstände dennoch weiterhin in Guantánamo | |
| eingesperrt: Das Repräsentantenhaus hat ihre Rückführung blockiert. Und der | |
| US-Präsident, der bei seinem ersten Amtsantritt im Januar 2009 die | |
| Schliessung von Guantánamo binnen eines Jahres versprochen hat, unternimmt | |
| nichts Erkennbares. | |
| Die Zwangsernährung wird von der UNO, von Ärzten und von zahlreichen | |
| Menschenrechtsgruppen als Verletzung grundlegender Menschenrechte und als | |
| Verstoss gegen internationale Konventionen und Körperverletzung kritisiert. | |
| Bei einer Rede zur Nationalen Sicherheit im Mai stellte auch Präsident | |
| Obama die zu der Zwangsernährung die suggestive Frage: „Ist es das, was wir | |
| (in den USA, d. Red.) sind?" Doch zugleich versicherte er, dass er | |
| niemanden in Guantánamo sterben lassen wolle. | |
| Zu Beginn des Ramadan erklärt der Sprecher der größten muslimischen | |
| Organisation in den USA, der Rat für amerikanisch-islamische Beziehungen | |
| (CAIR)„wir glauben, dass eine Zwangsernährung zu jedem Zeitpunkt falsch | |
| ist“. Ibrahim Hooper führt fort: „aber es ist ganz besonders bestürzend, | |
| die Zwangsernährung auch im Ramadan weiterzumachen“. | |
| ## An Spezialstuhl gefesselt | |
| Die US Regierung hat als einziges Zugeständnis für den Fastenmonat | |
| entschieden, dass die Zwangsernährung - abgesehen von „unvorhersehbaren | |
| Ereignissen“ - mit dem Ramadan-Rythmus synchronisiert werde. Schon | |
| logistisch erscheint das kaum möglich. Es würde bedeuten, dass alle 45 | |
| Gefangenen während nur zehn Nachtstunden jeweils zwei Mal zwangsernährt | |
| werden. | |
| Bei jeder Zwangsernährung werden sie an einen Spezialstuhl gefesselt und | |
| bekommen Mundmasken, damit sie nicht spucken und beissen können. Wärter | |
| halten sie an Kopf und Körper fest, während medizinisches Personal ihnen | |
| einen Plastikschlauch durch die Nase in die Speiseröhre führt. Die sehr | |
| schmerzhafte Prozedur kann von 30 Minuten bis zu zwei Stunden dauern. Wenn | |
| ein Gefangener sich anschliessend in seiner Zelle übergibt, beginnt alles | |
| von vorne. | |
| Eine Ahnung dessen, was mit den Gefangenen geschieht, vermittelt ein Video, | |
| das der Rapper und Schauspieler Yasiin Bey (aka Mos Def) mit der britischen | |
| Menschenrechtsgruppe „Reprieve“ zum Ramadan-Beginn veröffentlicht hat. In | |
| dem [1][vierminütigen Film] wird ihm - nach den Regeln der Ärzte von | |
| Guantánamo - ein Schlauch durch ein Nasenloch in die Speiseröhre getrieben. | |
| Schon weniger als einer Minute nach Beginn der Prozedur laufen dem Rapper | |
| Tränen über das Gesicht und er bettelt darum, befreit zu werden. | |
| ## Nicht angeklagt, nicht verurteilt, hoffnungslos. | |
| Von den immer noch 166 Gefangenen in Guantánamo sind gegenwärtig (nach | |
| Angaben der Lagerleitung) 106 im Hungerstreik. Auslöser für den | |
| Hungerstreik waren Zellendurchsuchungen Anfang Februar, bei denen Aufseher | |
| die Korane mehrerer Gefangener „schlecht behandelt" haben sollen. Doch die | |
| schnelle Ausbreitung und die Dauer des Protestes hat vor allem mit der | |
| Perspektivlosigkeit und Verzweiflung der Gefangenen in Guantánamo zu tun. | |
| Die meisten von ihnen sind seit mehr als elf Jahren eingesperrt - sie sind | |
| nicht angeklagt worden, haben keinen Prozess und keine Verurteilung | |
| bekommen. Sie wissen nicht, ob sie je wieder in Freiheit kommen. Ihre | |
| Hoffnung, dass ihre Lage sich nach dem Ende der Ära George W. Bush | |
| verbessern würde, hat sich als trügerisch erwiesen. | |
| 9 Jul 2013 | |
| ## LINKS | |
| [1] http://youtu.be/z6ACE-BBPRs | |
| ## AUTOREN | |
| Dorothea Hahn | |
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