# taz.de -- Ramadan und Schwangerschaft: Fasten macht Kinder kleiner | |
> Es bleibt nicht ohne Folgen für den Nachwuchs, wenn Schwangere fasten. | |
> Betroffene Kinder sind als Erwachsene im Schnitt etwas leichter. | |
Bild: Ramadan in der indonesischen Hauptstadt Jakarta. | |
„Ich esse für zwei“, rechtfertigen werdende Mütter oft ihre große Lust am | |
Essen während der Schwangerschaft. Und sie haben recht: Der tägliche Bedarf | |
an Energie ist während der Schwangerschaft höher. Was aber passiert, wenn | |
schwangere Frauen über einen Zeitraum von vielen Stunden gar keine Nahrung | |
zu sich nehmen, wie zum Beispiel im Fastenmonat Ramadan? | |
Diese Frage stellte sich der Epidemiologe [1][Reyn van Ewijk] von der | |
Universität Mainz – und reiste nach Indonesien, um Antworten zu finden. | |
Indonesien ist das Land mit der größten Zahl an Muslimen weltweit: 86 | |
Prozent der rund 250 Millionen Indonesier sind islamischen Glaubens. | |
Für schwangere Musliminnen gilt im Islam eine Ausnahme von der heiligen | |
Pflicht des Fastens: Sie dürfen, wenn sie wollen, auf das Fasten | |
verzichten. Allerdings müssen sie die Fastenzeit nachholen, „am besten im | |
Jahr vor dem nächsten Ramadan“, wie der Zentralrat der Muslime in | |
Deutschland erklärt. Weltweite Studien haben jedoch gezeigt, dass 70 bis 90 | |
Prozent der schwangeren Musliminnen den Fastenmonat wie alle anderen | |
Muslime begehen. | |
Van Ewijk wertete die Daten von 12.900 Muslimen in Indonesien aus. Er | |
verglich solche Muslime, die während des Ramadans „in utero“ (also im Bauch | |
der Mutter) gewesen waren, mit Muslimen, deren Mütter während der | |
Schwangerschaft nicht gefastet hatten. | |
Er fand heraus, dass erwachsene Muslime und Musliminnen, deren Mütter | |
während der Schwangerschaft gefastet haben, im Durchschnitt um 0,85 | |
Kilogramm leichter sind als die Nichtexponierten, das heißt als die Kinder | |
von Frauen, die nicht fasteten. | |
## Abweichende Größe | |
Interessant ist, dass Kinder, die außerdem während des Ramadans gezeugt | |
wurden, im späteren Leben nicht nur leichter, sondern auch kleiner sind: | |
Sie erreichen eine Körpergröße, die im Durchschnitt um 0,8 Zentimeter | |
geringer ist als die derjenigen, deren Zeugung nicht in der Fastenzeit | |
geschah. | |
Zwar erscheinen die Unterschiede nicht besonders groß. Statistisch ist die | |
Differenz allerdings signifikant. Dies bedeutet, dass die | |
Wahrscheinlichkeit, dass die Unterschiede dem Zufall geschuldet sind, sehr | |
gering ist. | |
Van Ewijk fand auch Hinweise dafür, dass der allgemeine Gesundheitszustand | |
der Exponierten schlechter war, auch Symptome koronarer Herzkrankheit und | |
Diabetes traten gehäuft auf. | |
Erklärt werden können diese Ergebnisse zum einen damit, dass Schwangere | |
insgesamt einen höheren Energiebedarf haben. Mit den beiden Mahlzeiten am | |
Abend und in der Nacht kann der gesamte Tagesbedarf an Nährstoffen nicht | |
immer gedeckt werden. | |
## Verzögerte Reifung | |
Außerdem haben ältere Studien gezeigt, dass Schwangere einem Prozess des | |
sogenannten beschleunigten Aushungerns unterliegen: Lassen sie Mahlzeiten | |
aus, so sind bestimmte Blutwerte vergleichbar mit denen von Verhungernden. | |
Dies kann zu einer Verlangsamung der Zellteilung in den Organen des | |
Ungeborenen und damit zu einer verzögerten Reifung führen. | |
Aus seiner Studie dürften allerdings keine allgemeinen Aussagen oder gar | |
Handlungsanweisungen gezogen werden, so van Ewijk. Die Erkenntnisse | |
beziehen sich nur auf Indonesien und seien zu unspezifisch. Denn ob | |
dieselbe Untersuchung in Deutschland oder in anderen Ländern ähnliche | |
Ergebnisse hervorbringen würde, ist nicht gesagt. | |
Auch spielte bei van Ewijks Studie keine Rolle, welche Art von Nahrung die | |
Schwangeren beim Fastenbrechen zu sich nahmen. Die Frage, ob sie Weißbrot, | |
Schwarzbrot, Süßigkeiten, Obst oder Gemüse aßen, könnte aber Einfluss auf | |
die Ergebnisse haben. Dennoch bietet die Studie interessante Anhaltspunkte, | |
an die weitergehende Untersuchungen anknüpfen könnten. Schließlich wird | |
nicht nur in Indonesien gefastet. | |
19 Jul 2013 | |
## LINKS | |
[1] http://www.unimedizin-mainz.de/imbei/epidemiologie/mitarbeiter/dr-reyn-van-… | |
## AUTOREN | |
Gilda Sahebi | |
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