| # taz.de -- Aufbruch im öffentlichen Raum: Ist das Kunst oder kann das weg? | |
| > Zwischen Stadtmöblierung und Events ringt Kunst im öffentlichen Raum um | |
| > Aufmerksamkeit. In Hamburg soll die erste Stadtkuratorin das Konzept | |
| > erneuern. | |
| Bild: Endlich dekorativ: Installationskünstler Michael Batz tauchte 2012 die E… | |
| HAMBURG taz | Gebt ihnen Nanas! Gebt ihnen Blechskulpturen, gebt ihnen | |
| blaue Tore aus Licht! Aber egal, was es ist: Die Leute reagieren, als hätte | |
| man ihnen Opas alte Socken ins Wohnzimmer gehängt und die Sitzlandschaft | |
| verschandelt. Dabei stehen die Artefakte gar nicht in Privathaushalten, | |
| sondern draußen, im öffentlichen Raum. Normalerweise ist der den meisten | |
| recht egal. Es sei denn, da steht oder schwebt plötzlich Kunst: Dann erregt | |
| man sich. | |
| Das alles geschieht zwar nicht mehr so politisch unkorrekt wie einst, aber | |
| gewisse Konstanten bleiben: HA Schults Flügelauto von 1991 wird, wenn es | |
| nach der Reinigung wieder aufs Kölner Zeughaus soll, jedes Mal neu | |
| durchdiskutiert. In solchen Momenten greift beim Bürger wohl ein Ur-Reflex | |
| der Wieder-Inbesitznahme des Außenraums. Den Künstlern ist es recht: Sie | |
| haben den Kampf um Aufmerksamkeit gewonnen. | |
| Denn das ist ja die Frage: Was tun, damit man angesichts von | |
| Stadtmöblierung, Privatisierung, ergo: Verkleinerung des öffentlichen | |
| Raums, noch gesehen wird mit Skulpturen, Graffiti und Lichtobjekten? | |
| Eigentlich bleibt nur zweierlei: die totale Blockade – der Monolith. Oder | |
| die totale Durchlässigkeit – als Performance oder Lichtkunst. Die Aneignung | |
| kommerzieller Formen – des Events – ist künstlerische Strategie geworden. | |
| Wo verläuft der Grat zwischen Taksim-Demo und Performance? | |
| Wer es unauffälliger mag, beklebt Verkehrsschilder mit Adressen von Ärzten, | |
| die Illegale behandeln, wie es der Hamburger Künstler Boran Burchardt tut. | |
| Und in solchen Momenten keimen die wirklich interessanten Fragen: Wo | |
| verläuft der Grat zwischen Kunst und Politik, zwischen Taksim-Demo und | |
| Performance? Wie wichtig ist diese Grenze? Und ist Kunst im Freien | |
| zwangsläufig Kunst im öffentlichen Raum? | |
| Puristen sagen, nur ortsbezogene Artefakte erfüllten dieses Kriterium. | |
| Andere sind unschlüssig: Achim Könneke, einst Hamburger Referatsleiter für | |
| Kunst im öffentlichen Raum, findet, man solle auch mal „pure Schönheit | |
| behaupten“, indem man eine Skulptur „wie ein Ufo auf einen Platz knallt“. | |
| Das sei einerseits konventionell. Im Digital-Zeitalter könne ein Objekt aus | |
| handfester Materie aber durchaus provozieren. | |
| Diese Provokation hat im Norden eigentlich Tradition: 1953 legte Hamburg | |
| das bundesweit erste Programm „Plastik im Freien“ auf, um Kunst jedem | |
| zugänglich zu machen. 1974 zog Hannover mit seiner heiß diskutierten | |
| „Nana“-Offensive nach. 1981 schaffte Hamburg gar die architekturgebundene | |
| „Kunst am Bau“ ab und bewilligte stattdessen eine Million Mark für freie | |
| Projekte. Man initiierte stadtweite Kunst-Aktionen wie „weitergehen“ und | |
| „Außendienst“, man war engagiert. | |
| Die Impulse fehlen | |
| Dann halbierte der Senat den Etat. Die Künstler empfanden es als Kahlschlag | |
| und bewarben sich nur noch sporadisch. Böse Zungen sagen, es bewürben sich | |
| nur noch die Mittelmäßigen. Tatsache ist: Abgesehen von braven Balkenhols | |
| und als dekorativ geltenden Lichtobjekten wie Michael Batz’ „Blue Goals“ | |
| bewegt sich in Hamburg derzeit wenig. Und in Bremen, sagt Wolfgang Zach vom | |
| Berufsverband Bildender Künstler, habe es mindestens seit 2011 kein Geld | |
| für Kunst im öffentlichen Raum gegeben. Und also keine Impulse. | |
| Diesen Trend will Hamburg jetzt umkehren, will wieder Flaggschiff des | |
| Nordens sein: Am 1. Juli wird dort die bundesweit erste Stadtkuratorin für | |
| Kunst im öffentlichen Raum antreten – für zunächst zweieinhalb Jahre. Viele | |
| Projektmittel erhält sie mit ihren 200.000 Euro nicht, und sie wird mächtig | |
| akquirieren müssen, aber in ihren Entscheidungen ist sie frei. Sophie Goltz | |
| heißt sie, war bislang Kuratorin beim Neuen Berliner Kunstverein und hat | |
| sich in Outdoor-Projekten unter anderem mit dem ex-sozialistischen Raum in | |
| Dresden befasst. | |
| Hamburg möchte sie als erinnerungspolitischen Raum erfassen und | |
| reflektieren, „wer heute wie über Geschichte spricht“. Hierfür werde sie | |
| Künstler von überall einladen, sich mit der Geschichte der Stadt zu | |
| befassen, sagt sie knapp. Dazu soll es Vorträge und Workshops geben, damit | |
| die Kunst im öffentlichen Raum wieder in den Fokus rückt. Das klingt nach | |
| echtem Aufbruch. Ob er am Ende zum Alibi verkommt, wird sich zeigen. | |
| Erreicht das Projekt aber ästhetische und diskursive Tiefe, wird es sich | |
| zur Nachahmung empfehlen. | |
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| 28 Jun 2013 | |
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| ## AUTOREN | |
| Petra Schellen | |
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