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# taz.de -- Ausstellung Bogumir Ecker: Wie ein Schamane, der Gedärm oder Knoch…
> Bogomir Ecker, im heutigen Slowenien geboren, stellt derzeit in Wolfsburg
> aus. Konische Hohlkörper, Alu-Güsse, Schaumstoff - ein Un-Material zwar,
> sagt Ecker, aber das Fürchterliche habe er immer interessant gefunden.
Bild: "Barrikade" nennt Bogomir Ecker dieses Stück mit Ampelanlage, 2007 aus A…
WOLFSBURG taz | Bogomir Ecker ist sichtlich gut gelaunt. "Wo wollen Sie
mich hin?", fragt er die Journalisten, die zur Vorschau seiner Ausstellung
"Kontakt-Schlaufen-Problematik" in der Städtischen Galerie Wolfsburg
gekommen sind. Fürs Foto geht es vor die Wand mit seinen "Prototypen". Der
dritte Werkblock ist nun in Wolfsburg zu sehen, der erste und der zweite
befinden sich in Sammlungen in Berlin und Nürnberg.
Die kleinteiligen Plastiken bilden das diminutive und konzentrierte
Ideenreservoir für Eckers raumfüllenden Arbeiten. Und sie bieten schon
einen Vorgeschmack auf eine typisch Eckersche Kombinatorik aus
Alltagsgegenständen, Fundstücken und Materialien, die anders als in ihrem
ursprünglichen Sinne eingesetzt werden.
Bogomir Ecker, 1950 in Maribor, heute Slowenien, geboren, hat unter anderem
an der Kunstakademie Düsseldorf studiert. Ein rheinländischer Tonfall ist
unüberhörbar, Ecker lebt weiterhin in Düsseldorf. Bis auf Oberkassel, wo er
nie hingehe, bescheinigt er der Stadt einen liebenswerten Typus. Und
Bogomir Ecker lehrt seit langen Jahren: ab 1993 an der Hochschule für
bildende Künste in Hamburg, seit 2002 leitet er eine Klasse für
Interdisziplinäre Kunst an der HBK Braunschweig.
Seine Studierenden schätzen offenbar die liberale Art und die Vielfalt, die
Ecker zulässt, einige von ihnen schreiben nur Texte, andere malen, viele
sind aber vor allem plastisch orientiert. Bogomir Ecker vermeidet so, eine
Schule zu schaffen, jene Erwartungshaltung, die sowohl Lehrer als auch
Schüler in der persönlichen Entwicklung stark einengen kann.
Voller Enthusiasmus haben seine Studierenden nun in Wolfsburg mit Hand
angelegt und die Ausstellung als einen vielstimmigen Gesang, so Ecker,
realisiert. Drei Wochen habe man hier gearbeitet, die Städtische Galerie
sei zum Atelier geworden.
Das verdichtete Zentrum bildet eine große Raumarbeit im mittleren Saal.
Hier stehen mysteriöse Aggregate, sie scheinen ihre Versorgung aus
imaginären Trassen über der abgenommenen Unterdecke zu erhalten, Raumhöhe
und Proportion sind bis auf ihre Rohbausubstanz erweitert.
Die Aggregate sind jedoch nicht funktionsfähig, denn sie sind ja nur Formen
aus schwarz-genopptem Dämmmaterial, wie man es zur akustischen Dämpfung von
Tonstudios oder zu weichen Auskleidung von Fotokoffern kennt. Dieser
Schaumstoff sei ein Un-Material, so Ecker, aber da er das Fürchterliche
immer interessant finde, habe er den technischen Stoff nun in etwas
Naturhaftes verwandelt.
Und in der Tat fühlt man sich gerade im hinteren Teil der Installation wie
behütet eingefangen in einem weichen - und in seiner Weichheit gar nicht
unangenehmen - Übergangsbereich zum nächsten Raum. Ebenfalls ist hier die
akustische Wahrnehmung, körperlich spürbar, deutlich verändert. Physisch
absorbiert das Noppenmaterial zudem edle, eingelegte Bronzeabgüsse.
Abgüsse von so trivialen Dingen allerdings wie einer Fernbedienung oder
wirrem Kabelsalat. Zu den schwarzen, weichen Massen gesellen sich noch rote
harte Objekte aus Blech hinzu, so etwa eine übergroße Trillerpfeife,
selbstverständlich ebenfalls funktionslos.
Dieses lockere Spiel mit Dingen, die im Alltag eine bestimmte Funktion
erfüllen müssen, um ihre Existenz zu rechtfertigen, und nun, ihrer Funktion
beraubt, in ihrer Gestalt verändert, uns geradezu impertinent
entgegentreten, ist Teil von Bogomir Eckers ironischer Technikkritik. Die
elementare Sinneswahrnehmungen Sehen, Hören, Fühlen werden zudem ihrer
zivilisatorisch eingeübten und zeitgebundenen Zwänge entlarvt.
Seine eigene Berufsbezeichnung sei Bildhauer, so Bogomir Ecker weiter.
"Künstler nennt sich jeder Depp, der einmal drei Lieder gesungen hat", er
haue also lieber "Bilder" aus der Realität. Unter der Kategorie (flache)
Bilder sind in Wolfsburg seine Siebdrucke zu Tropfsteinhöhlen zu sehen. Er
sei ein Bücherfan und habe auf Flohmärkten immer wieder Material zum Thema
gekauft, erzählt Ecker. Die Abbildungen aus den Büchern werden anschließend
abfotografiert und mit Lineaturen und Schlaufen überzogen.
Wie ein Schamane, der Gedärm oder Knochen wirft, geht Ecker bei seinen
Arbeiten nicht planmäßig vor, sie scheinen einem gelenkten Zufall zu
gehorchen. Die Drucke mit blass-metallischer Anmutung hängen, jeweils in
kleinen Gruppen, nun als wiederkehrendes Element verteilt in der gesamten
Ausstellung.
Und wo rührt eigentlich der skurrile Titel der Ausstellung
"Kontakt-Schlaufen-Problematik" her? Zur Antwort führt Bogomir Ecker in den
letzten Raum, hier hängt das Objekt gleichen Namens an der Wand, ein
doppeltes Geschlinge aus Kabeln und Mikrofonen, 2004 in Alu abgegossen.
Und hier sind weitere Objekte zu sehen, ebenfalls Alu-Güsse, zu Eckers
übergreifendem Thema, der Wahrnehmung des Raumes, die durch die Größe der
Objekte, die ihn besetzen, beeinflusst wird. Die beiden Stühle nämlich, die
seine "Schranke" tragen, sind bestenfalls Kindermodelle - ganz abgesehen
davon, dass das Objekt trotz penibel gesteuerter Verkehrsampel natürlich
keine Funktion erfüllt.
Und es gibt noch eine neue Arbeit: konische Hohlkörper, ein gewisses
Volumen und eine Schwere suggerierend, schweben in einem filigranen
Lattenrahmen, alles wieder in Alu und wie mit Raureif überzogen.
Sollen diese Objekte nun vorrangig verunsichern, sind sie vergnügliche
Formfindungen oder theatralische Skulpturen? "Skulptur ist, worüber man
stolpert, wenn man zurücktritt, um sich ein Gemälde anzusehen", sagt
Bogomir Ecker - es ist ein Zitat des Malers Ad Reinhardt. Und lässt dem
Betrachter in seiner assoziationsreichen Wolfsburger Spielwiese somit
genügend Raum für ganz individuelle Interpretationen.
12 Dec 2011
## AUTOREN
Bettina Maria Brosowsky
## TAGS
Zukunft
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