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# taz.de -- Porträt des Hamburger Sprayers "Oz": Sprayen gegen den Kommerz
> Der Sprayer Walter Fischer alias "Oz" steht in Hamburg wieder vor
> Gericht. Sachbeschädigung wirft ihm die Anklage vor, für ihn sind die
> Tags eine Form der Stadtgestaltung.
Bild: Streetart-Künstler mit Smiley vorm Gesicht: Walter Fischer kämpft gegen…
HAMBURG taz | Walter Josef Fischer, ein schmächtiger, kleingewachsener
Mann, sitzt im Büro seines Anwalts Andreas Beuth. Er ist gepflegt
gekleidet, hat einen Kamm dabei und seine Hände sehen aus, als käme er
frisch von der Maniküre. Springers Hamburger Abendblatt hat den 61-Jährigen
als "schlimmsten Sprayer der Stadt" bezeichnet, denn wer in Hamburg mit
offenen Augen durch die Stadt geht, kommt an Walter Fischer - genannt "Oz"
- nicht vorbei: An unzähligen Stromkästen, Verkehrsschildern, Bodenplatten
und Hauswänden prangen seine Tags, Smilies, Kringel, der Schriftzug Oz mit
einem Punkt im Z, gepunktete Bilder und vieles mehr.
Bereits vor einigen Jahren behauptete der Spiegel, Oz habe mehr als 120.000
Tags gesprayt, zählen kann das jedoch niemand mehr. Schon gar nicht Oz:
"Ich weiß gar nicht, wie die auf die Zahl kommen - müssen die Bullen
behauptet haben." Die Tags müssten ja nicht alle von ihm sein, erklärt er.
"Nachahmer sind schon gut, dann bin ich nicht allein."
Denn während Fischer bei der Polizei als notorischer Sachbeschädiger gilt,
steht hinter ihm eine große Unterstützergruppe, für die der alternde
Streetart-Künstler ein Held ist. Sie sind es auch, die
Benefiz-Veranstaltungen für ihn organisieren, denn Fischer steht mal wieder
vor Gericht - und unter Beobachtung der Hamburger Lokalpresse.
Interviews seien nicht sein Ding, sagt Fischer, darum ist Andreas
Blechschmidt anwesend, Mitarbeiter seines Anwalts. Blechschmidt, in Hamburg
auch als Sprecher des Autonomen Zentrums Rote Flora bekannt, hilft beim
Gespräch, denn Fischer nuschelt stark und hat gelegentlich Probleme, sich
verständlich zu machen.
Drückt er sich deswegen lieber mit Smileys aus, statt mit Worten? Fischer
sagt, er wolle die Menschen zum Lächeln bringen. "Wenn an der Ecke ein
Smiley ist, freut sich sogar die Polizei oder ärgert sich, da ist schon
wieder so einer." Vor allem Kinder würden sich über die lächelnden
Gesichter freuen, darum habe er auch eins auf graue Schulwände gesprüht.
"Die Kinder fanden das ganz lustig, aber ein paar Wochen später haben sie
alles weg gemacht."
Zum Sprayen sei er durch Zufall gekommen, sagt Fischer. In einem
katholischen Waisenhaus in Süddeutschland "zwischen Himmel und Hölle"
aufgewachsen, wollte er zunächst Damenfriseur werden. Er habe eine Lehre
angefangen, doch die Atmosphäre habe ihm nicht gefallen.
1977 habe er in Stuttgart gewohnt, wo gerade der Stammheim-Prozess gegen
die Rote Armee Fraktion stattfand. "Ich hab vorher gar nicht gewusst, dass
es Dosen gibt", sagt Fischer. Eines Nachts habe er dann gesehen, wie Leute
eine Parole malten. "Da hab ich das mit der Dose mitbekommen und auch
meinen Kommentar dazu gemacht."
Nach Hamburg kam Fischer Mitte der 90er, seitdem zieht der
Hartz-IV-Empfänger, der das Sprühen als seinen Job bezeichnet, regelmäßig
nachts los "um die Stadt zu verschönern". Fischer fühlt sich als "Kämpfer
gegen die Normen der deutschen Sauberkeit und die Kommerzgier". Je mehr
Graffiti, desto schlechter komme die Werbung zur Geltung, meint er. "Welche
Rechte hat die Kommerzwerbung, den öffentlichen Raum allein zu
beanspruchen?"
Im öffentlichen Raum, bei seinen Streifzügen durch Hamburg, ist Oz oft
nicht alleine: Die Sonderkommission "Soko Graffiti" hat ihn im Blick. 2006
hatte ihn ein Observationstrupp des Mobilen Einsatzkommandos rund um die
Uhr observiert. Im Mai 2007 wurde er wegen Sachbeschädigung zu fünf Monaten
Haft verurteilt.
Einige Anklagepunkte musste die Staatsanwaltschaft damals fallen lassen,
weil die polizeiliche Observation nach Auffassung des Gerichts rechtswidrig
war: Die Beamten hatten bei den vermeintlichen Straftaten zugeschaut und
waren nicht eingeschritten.
Dass Fischer ein Überzeugungstäter ist und ihn Gefängnisaufenthalte vom
Sprühen nicht abhalten, steht längst fest. "Wer geht schon gern in den
Knast, aber was soll ich denn machen", sagt Fischer. Mehrmals - 1997, 1999
und 2003 - verurteilte ihn das Landgericht Hamburg zu langen Haftstrafen.
Acht Jahre seines Lebens hat Underground-Sprayer wegen seiner Smileys, Tags
und Bilder im Gefängnis verbracht.
Die jetzige Verhandlung gegen ihn hat bereits im Februar begonnen. 20
"Sachbeschädigungen", die sie Fischer zurechnet, hat die "Soko Graffiti"
aus den letzten drei Jahren zusammengetragen. Dabei ist längst nicht mehr
klar, wie viele Tags von ihm selbst und wie viele von seinen zahlreichen
Nachahmern stammen.
Akribisch versucht das Gericht durch Zeugenvernehmungen, ihm die 20
Sprühereien Stück für Stück nachzuweisen. Unter den Anklagepunkten ist
auch, dass Oz eine graue Gehwegplatte mit einer Spirale verunstaltet haben
soll, die er mit Kreide malte - seit der Verschärfung des Graffiti-Gesetzes
2007 muss nicht mehr die Funktion und Substanz einer Sache beeinträchtigt
oder beschädigt werden. Die bloße Veränderung des Erscheinungsbildes
genügt, um eine mehrjährige Haftstrafe zu kassieren.
Fischer sieht das etwas anders. "Für Sachbeschädiger halte ich eher das
Gartenbauamt Hamburg, die gesunde Bäume abholzen - das ist schon eher
Sachbeschädigung als graue Wände zu tapezieren", sagt er. "Ich mag nun mal
Farbe, die Natur ist bunt, warum sollen nicht auch die Wände bunt sein."
Daher fühle er sich eher als "Stadtgestalter".
Bis heute ist das Verfahren wöchentlich terminiert. Bald wird das Urteil
erwartet. Fischer muss wieder mit einer Gefängnisstrafe rechnen. Denn so
lange der alternde Street-Art-Künstler auf freiem Fuß ist, sprayt er. 2005
bescheinigte ihm ein Gutachter verminderte Schuldfähigkeit. Gälte er als
Triebtäter und könnte man ihm die Schuldfähigkeit absprechen, könnte man Oz
in eine geschlossene Anstalt einweisen.
Doch Fischer, der sich auch selbst als "nicht krank" bezeichnet, wirkt
weder verwirrt noch verrückt, lediglich unkonzentriert und ein wenig
sonderbar. Auf die Frage, was das Tag Oz denn bedeute, dementiert er
Berichte, dass sein Kürzel für KZ stehen sollte: "Das hab ich nie gesagt."
Als er für eine Erklärung ausholt, unterbricht ihn der beisitzende
Blechschmidt: "Das ist doch dein Geheimnis, willst du das wirklich
erzählen?" Fischer zuckt mit den Schultern und zögert. "Muss man ja nicht
jedem auf die Nase binden", sagt er und nuschelt dann doch "Zantoz". Das
sei aber zu lang gewesen, "da braucht man zu lange, um das zu Ende zu
malen".
Fischer sagt, dass er lieber im Untergrund geblieben wäre. "Ich bin ja nur
bekannt geworden, durch die Boulevardpresse und den Bullen, die mich an die
Öffentlichkeit gezerrt haben." Auch dass seine Bilder in zwei Hamburger
Galerien ausgestellt wurden und es einen Bildband ("Es lebe der Sprühling")
über ihn gibt, verstört ihn eher. "Ich hab das nicht veranlasst", sagt
Fischer. "Aber wenn Leute was für dich tun, soll man auch was für sie tun.
Alleine steht man dumm da, das hab ich bei den früheren Prozessen gemerkt."
Ob er spontan oder geplant loszieht, möchte Fischer nicht verraten. "Ich
frag vorher die Polizei, ob ich das darf", scherzt er. Aber er denke sich
schon was dabei, "wenn man da vorher Müll und Gestrüpp wegmachen muss, um
an die Wand zu kommen". Ob es einen Ort gibt ein, der ihm bislang verborgen
geblieben ist? Langsam hebt er seinen Blick. "Der Mond da oben - das Runde
ist ja schon da, da muss man nur noch das Z machen."
13 Jul 2011
## AUTOREN
A. Stenzel
K. von Appen
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