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# taz.de -- Eintauchen ins Polizeiforum: Der einsame Freund und Helfer
> Die Öffentlichkeit diskutiert viel über Polizisten. Und über
> Polizeigewalt. Wie ist es in diesen Tagen Polizist zu sein? Ein Blick ins
> Internetforum „CopZone“.
Bild: Im Forum scheint es, als sei „Deeskalation“ nur ein Wort für sanfter…
Es läuft nicht alles gut bei der Polizei. Die öffentliche Entrüstung nach
der [1][Polizeigewalt bei Blockupy Frankfurt]; der tödliche [2][Schuss auf
einen verwirrten nackten Mann] am Neptunbrunnen; das Video vom
[3][Übergriff von sieben Beamten] auf einen Mann in einer Bremer Diskothek.
Die Öffentlichkeit ist seinen Ordnungshütern gegenüber momentan eher
kritisch eingestellt. Die Polizei, das Familienministerium unter den
staatlichen Behörden.
Wie ist das denn, in diesen Tagen als Polizist zu arbeiten? Lassen einen
die Diskussionen unberührt? Hinterfragt man seine Stellung? Ist so einer
wie der Polizeigewerkschafts-Chef [4][Rainer Wendt] eigentlich
repräsentativ?
[5][CopZone] heißt eines der wenigen offen einsehbaren deutschen
Polizeiforen im Netz, und wenn man überhaupt irgendwo Antworten auf diese
Fragen bekommen wird, dann wohl hier. Viele argumentieren hier mit
detaillierten, persönlichen Erfahrungen, die Moderation ist akkurat und
Trolle, die sonst jedes offene Forum unterwandern, um zu provozieren,
fehlen gänzlich.
Zunächst beantworten sich Fragen, die gar nicht so aufregend sind. Im
Gegenteil: Wie öde ist eigentlich der Berufsalltag eines Polizisten?
Meistens öde. Unfassbar öde! „Vortragsstil von Volker Kauder“-öde! „Jim
Jarmusch macht Splatterfilme dagegen“-öde! Was den Polizisten zum Thema
„Der tägliche Dienst“ als besonders ereignisreich in Erinnerung geblieben
ist: [6][ein Fahrraddieb] mit Dialekt. Einem Auto [7][die Scheibe
einschlagen,] um eine eingeschlossene Frau zu retten. Selbst ein
[8][Castor-Einsatz]: den Polizisten ist so langweilig, dass sie bald „jede
Kuh mit Vor- und Geburtsnamen“ kennen.
## Alternativloser Tod im Neptunbrunnen
Die Polizisten im Forum befinden sich in einer tiefen Sinnkrise. Die
[9][Resignation im Thread] um den tödlichen Schuss am Berliner
Neptunbrunnen ist mit Händen greifbar. Dreiviertel der an der Diskussion
Beteiligten hätten ebenfalls geschossen hätten; so tragisch das Geschehen,
so alternativlos ist es auch.
Dass sie gerne besser darauf vorbereitet wären, daran lässt der Thread kein
Zweifel – doch der geistige Zustand des Mannes in der Diskussion keine
Rolle spielt, sondern nur: das Messer. Auf dieses Messer muss es Antworten
geben, und die haben immer mit der Ausrüstung zu tun. Sie fordern zum
Beispiel Taser für jeden Wagen, damit es zumindest keine Toten mehr gibt.
Diejenigen, die keinen Handlungsbedarf sehen, ziehen sich hinter ihre
Dienstwaffe zurück. „Ja“, sagt einer, auf solche Situationen werde man
trainiert. „Im Schießtraining.“ Ob sich so eine Situation eventuell ohne
Waffengewalt lösen ließe, die Frage kommt erst gar nicht auf. Deeskalation
ist nur ein Wort für sanftere Gewalt.
Interessant auch, dass nicht Kriminelle und Straftäter als Gegner
auftauchen. Stattdessen geht es immer wieder um zwei Fraktionen: der
„Schwarze Block“ und die Grünen, wobei der Unterschied im Zweifel die
Frisur ist. Das ganze Forum scheint sich als Gegenentwurf zu
[10][Indymedia] zu begreifen; kaum zu glauben, wie oft man sich in den
Diskussionen [11][an diesem Gegner abarbeitet].
Neuerdings mehren sich die kritischen Stimmen gegenüber den Polizisten und
plötzlich schreibt [12][unerklärlicherweise die FAZ] negativ über
Polizeieinsätze. So fühlt sich die Polizei, dein Freund und Helfer, von
allen verlassen: von den Demonstranten angegriffen, [13][von der Presse
denunziert], [14][von der Politik verraten]. In jüngeren Beiträgen macht
sich eine melancholische Einsamkeit breit, die bisweilen ins Sektiererische
abdriftet.
## „Weiter Eisbeine zerschneiden“
Wobei es auch Überraschendes zu lesen gibt: Als einige Forenteilnehmer
begannen, die [15][Räumung des Flüchtlingscamps] in München als
Paradebeispiel für Rechtsstaatlichkeit zu feiern, [16][gibt es Gegenwind].
Und einen Aufruf zu polizeilichem Humanismus: „Unser Anliegen muss sein,
ohne Groll auch für diese Menschen einzutreten und deren Interessen und
Lebensumstände zu kennen.“ Das wäre ein schöner Manifest-Anfang!
Und dieser Rainer Wendt, der sonst für die Polizisten spricht? Er hat im
Forum keinen guten Stand. Vor allem nicht, seit er mal gesagt hat, dass wer
heute in ein Fußballstadion gehe, sich ins Lebensgefahr begebe. Das
einhellige Kopfschütteln darüber war im Forum derart deutlich spürbar, dass
einem am heimischen Rechner der Bildschirm ins Wackeln kommt. Der solle
„weiter Eisbeine mit Namensschildern zerschneiden“. Gute Idee.
12 Jul 2013
## LINKS
[1] /!117268/
[2] /!118985
[3] /!119712/
[4] http://de.wikipedia.org/wiki/Rainer_Wendt#Kontroverse_.C3.84u.C3.9Ferungen
[5] http://www.copzone.de/
[6] http://www.copzone.de/phpbbforum/viewtopic.php?p=181482#p181482
[7] http://www.copzone.de/phpbbforum/viewtopic.php?p=171694#p171694
[8] http://www.copzone.de/phpbbforum/viewtopic.php?p=1028897#p1028897
[9] http://www.copzone.de/phpbbforum/viewtopic.php?f=14&t=74144
[10] http://de.indymedia.org/
[11] http://www.copzone.de/phpbbforum/search.php?keywords=Indymedia&terms=a…
[12] http://www.copzone.de/phpbbforum/viewtopic.php?p=1139687#p1139687
[13] http://www.copzone.de/phpbbforum/viewtopic.php?p=1139699#p1139699
[14] http://www.copzone.de/phpbbforum/viewtopic.php?p=1141043#p1141043
[15] /!119003/
[16] http://www.copzone.de/phpbbforum/viewtopic.php?f=14&t=74171
## AUTOREN
Frédéric Valin
## TAGS
Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus
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