# taz.de -- Eintauchen im Gefängnisbesuchsraum: Macken vom Knast | |
> Auf knast.net schreiben sich die Freundinnen von Häftlingen den Frust von | |
> der Seele. Manch eine weiß nicht einmal, wie lange ihr Liebster sitzen | |
> muss. | |
Bild: Selten wird Organisatorisches geklärt, wie: den Fernseher mitbringen. | |
Meistens endet die Gerichtsberichterstattung mit dem Urteilsspruch. Wird | |
vom Richter eine Haftstrafe verhängt, verschwinden die TäterInnen von der | |
Bildfläche, und es gibt kaum eine Gelegenheit, sich mit ihnen als | |
Gefängnisinsassen auseinanderzusetzen. | |
Und die Angehörigen von Knastbewohnern? Die finden in der Öffentlichkeit | |
erst recht so gut wie gar nicht statt. Eine der raren Ausnahmen ist | |
[1][knast.net], eine Seite, die neben vielen Informationen über | |
Vollzugsanstalten, Rechtstexten, praktischen Tipps und Berichten von | |
Gefangenen auch ein Forum nur für sie bereithält. Aus den Einträgen spricht | |
die Einsamkeit. | |
Es sind vor allem junge Frauen, die hier reinschreiben, weil ihr Freund | |
jetzt hinter Gittern sitzt - für anderthalb Jahre, für neun Monate. | |
Manchmal wissen die Frauen noch nicht einmal genau für wie lange. | |
Die ganzen Unsicherheiten, die sie belasten: Was ist eigentlich genau | |
passiert? Wo kommt mein Freund denn überhaupt hin? Erhält er die Briefe, | |
die ich ihm schreibe? Wie wird es sein, wenn er rauskommt? Gibt’s dann noch | |
eine gemeinsame Zukunft? „die männer die haben doch macken vom knast.“ | |
Es sind selten konkrete Fragen, die hier gestellt werden, es kommt kaum | |
einmal vor, dass Organisatorisches (wie: einen Fernseher mitbringen) | |
abgeklärt wird; es spricht aus den meisten Beiträgen nur eine allgemeine | |
Hilflosigkeit, eine anrührende Traurigkeit, manchmal aber auch viel Mut und | |
Hoffnung. | |
## 22 Uhr Nachtruhe | |
Die Berichte der Strafgefangenen selbst sind Momentaufnahmen einer sehr | |
speziellen Situation; Zu lesen gibt es ihren Werdegang, zum Beispiel den | |
von Oliver oder Martin oder Manuel, und sie alle klingen gleich: | |
zerrüttetes Elternhaus, trinkender oder abwesender Vater, Schläge zu Hause, | |
Schulschwänzereien, Gewaltausbrüche, Alkohol, kleine Diebstähle, am Ende | |
eben das Gefängnis. Und bei allen der Wunsch, nach Verbüßung der Haft ein | |
straffreies Leben zu führen. | |
Über den Alltag und die Zwänge im Gefängnis steht hier wenig. Die | |
Schilderung eines Tagesablaufs bietet einen kleinen Einblick: Sechs Uhr | |
Wecken, Frühstück, von sieben bis zwölf Arbeit, eine Stunde Mittag, dann | |
weiterarbeiten bis vier, eine Stunde Hofgang, Abendessen, Aufschluß bis 21 | |
Uhr. 22 Uhr Nachtruhe. | |
Wie sehr bei Gefangenen das Gefühl vorherrschen muss, endgültig | |
ausgeliefert zu sein, lässt ein Artikel von Clemens Weber erahnen, der die | |
Konsequenzen eines Anstaltsleiterwechsels in der JVA Diez beschreibt: | |
Plötzlich müssen sich Angehörige und Freunde drei Wochen vorher anmelden, | |
was für Langzeitinhaftierte zur Konsequenz hat, dass sie häufig keinen | |
Besuch mehr bekommen. | |
Obendrein sollen hohe Trennscheiben eingebaut werden, um Gefangene und | |
Besucher zu separieren; kein Körperkontakt mehr, keine Küsse, keine | |
Umarmung, auch nicht mit den eigenen Kindern. Und das, obwohl der | |
Strafvollzug der Wiedereingliederung dienen soll. | |
9 Aug 2013 | |
## LINKS | |
[1] http://www.knast.net/ | |
## AUTOREN | |
Frédéric Valin | |
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