Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Axel Springer AG verkauft Zeitungen: Journalismus? Nicht mit uns
> Bei der Axel Springer AG gibt es keine Sentimentalitäten: Sie verkauft
> große Teile ihres Gedruckten. Das ist eine Warnung für den Rest der
> Branche.
Bild: Ein Kiosk der das „Hamburger Abendblatt“ und die „Berliner Morgenpo…
BERLIN taz | „Axel Springer ist nach wie vor zuerst ein Inhalteanbieter“,
hatte Mathias Döpfner kürzlich wieder einmal gesagt, als er frische
Quartalszahlen präsentierte. Sein Haus ist eines der wenigen
börsennotierten Medienunternehmen, sodass sich an den Zahlen nicht nur gut
ablesen lässt, wo Springer gerade steht, sondern auch die gesamte Branche.
Und Döpfners Kennziffern der Konzernsparte „Zeitungen national“ verhießen
wieder mal nichts Gutes: Minus 10 Prozent beim Umsatz, minus 12,3 Prozent
bei den Werbeerlösen. Dagegen das Digitalgeschäft, ein Eldorado, das
Döpfner in dieser Wüste gefunden zu haben schien. Umsatz: plus 20 Prozent.
Vorsteuergewinn: plus 34 Prozent. 276 Millionen Euro und damit zwei Drittel
der gesamten Werbeerlöse des Unternehmens steuerten im ersten Quartal 2013
bereits die Onlineaktivitäten bei. Konkret verbergen sich dahinter zum
Beispiel Immobilienportale und Internet-Jobbörsen. Das Printgeschäft kam in
den ersten drei Monaten dieses Jahres auf nur noch 159 Millionen. Tendenz
fallend. Schnell fallend.
„Relativierung von Printwerbung“ nennt Döpfner das. Doch der
Springer-Vorstandschef weiß, wie sensibel er solche Zahlen verkaufen muss.
Hinter ihm stehen die Aktionäre. Denen sagt er: „Wir wollen Axel Springer
in den kommenden Jahren zum führenden Digitalkonzern machen.“
Vor Döpfner sitzen die Journalisten. Die hören derlei gar nicht gern. Es
geht bergab. So werden sie es in die Welt hinaustragen. Also muss Döpfner
beschwichtigen. Dann redet er von Inhalten, von Tradition, davon, wie toll
er es findet, dass es heute Lesegeräte zu den Abos dazugibt – statt
Kaffeemaschinen. Und den Journalisten sagt er: Springer wird ein „Haus des
Journalismus“ bleiben.
## Ein medialer und finanzieller Coup
Das muss seit Donnerstag stark bezweifelt werden. Da gab Springer bekannt,
Hamburger Abendblatt, Berliner Morgenpost, Hörzu, Bild der Frau und fünf
weitere Zeitschriften an die Funke Mediengruppe, die bis vor Kurzem noch
WAZ hieß, zu verkaufen. Die Mitarbeiter in Hamburg und Berlin, insgesamt
sind 900 betroffen, wussten von nichts. Die Journalisten, denen Döpfner
kürzlich noch vom „Haus des Journalismus“ vorgeschwärmt hatte, auch nicht.
Es war ein Coup. Medial. Und finanziell: 920 Millionen Euro bekommt
Springer für die Blätter. Die Springer-Aktie machte einen gewaltigen
Sprung. Es geht bergab, posaunten viele Medien – doch nicht unbedingt für
Springer, sondern für die Käuferin, die Funke-Gruppe.
Womöglich wird Döpfner in ein paar Jahren zu diesem Husarenstück
gratuliert. Er hat erkannt, wo die Reise hingehen wird, und hat die nicht
mehr seetauglichen Boote zu einem guten Preis veräußert. Und die
Dickschiffe Bild und Welt? Deren Mitarbeiter winken ab: In unsere
Redaktionen wird das frische Geld mit Sicherheit nicht investiert. Dennoch:
Döpfner gab bei der Mitarbeiterversammlung am Donnerstag im Namen der
Springer-Mehrheitseigentümerin Friede Springer den beiden Marken eine
Bestandsgarantie – solange sie die Mehrheit an diesem Unternehmen halte.
Es würde einen mittlerweile kaum mehr wundern, wenn im August die
Ad-hoc-Meldung käme, dass Friede Springer sich von einem Großteil ihrer
Aktien trennt. Denn eine Bestandsgarantie, das dachten zumindest viele,
gäbe es doch auch für das Abendblatt. Diese erste Zeitung, die der 1985
verstorbene Axel Cäsar Springer besaß, die ihn wichtig machte.
## Der Ausverkauf wird weitergehen
Doch bei Springer scheint endgültig kein Platz mehr zu sein für
Sentimentalitäten. Und das sollte der gesamten Zeitungsbranche eine Warnung
sein. Denn wir haben die vergangenen 15 Jahre verpennt. Und mittlerweile
wissen die meisten Journalisten auch, dass die alten Verleger bei der Suche
nach neuen Strukturen und Erlösen keine große Hilfe sein werden. Noch immer
meinen genug KollegInnen, es werde stets Menschen geben, die Zeitung auf
Papier lesen wollten. Für Geld. Dann lehnen sie sich zurück und setzen den
Ich-hab-schon-viele-Päpste-kommen-und-gehen-sehen-Blick auf.
Ja, es wird immer KäuferInnen geben, denen das Gedruckte etwas – und in
Zukunft wohl etwas mehr – wert ist. Aber genug, um die Redaktionen,
Fotografen, den teuren Druck und Vertrieb zu finanzieren?
Springer will diese Wette nicht eingehen. Die Firma steigt aus. So gut sie
es gerade kann. Doch der Ausverkauf wird weitergehen. Bis in einigen Jahren
der Nachfolger oder die Nachfolgerin Döpfners gar nicht mehr die Worte
„Journalismus“ oder „Inhalte“ sagen muss, wenn es um die Quartalszahlen…
Springer AG geht.
26 Jul 2013
## AUTOREN
Jürn Kruse
## TAGS
Axel Springer
Journalismus
Digitalisierung
Internet
Mathias Döpfner
Schwerpunkt Zeitungskrise
Medienwandel
New York Times
Axel Springer
Axel Springer
Funke Mediengruppe
Axel Springer
Madsack
Funke Mediengruppe
Journalist
Washington Post
Zeitung
Schwerpunkt Zeitungskrise
Axel Springer
## ARTIKEL ZUM THEMA
Doku über die Zukunft des Journalismus: Gedrucktes als Zeitverschwendung
Die Arte-Dokumentation „Die virtuelle Feder“ bietet einen guten Überblick
in der allgemeinen Kaffeesatzleserei zum Medienwandel.
Journalismus der Zukunft: Der Text schreibt sich von allein
Die Nachrichtenagentur AP lässt ihre Bilanzberichte künftig von Algorithmen
schreiben. Auch die „Berliner Morgenpost“ experimentiert mit Journobots.
Kartellamt erlaubt Deal mit Funke: Springer als Geldhaus
Damit der Programmzeitschriften-Verkauf klappt, sollen diese an den Verlag
Klambt gehen – bezahlt mit einem Darlehen von Springer.
Bundeskartellamt zu Zeitungsverkäufen: „Funke der Frau“ kann kommen
Das Kartellamt macht den Weg frei: Die Funke-Gruppe darf einige
Springer-Blätter kaufen. Doch längst nicht jeder Teil des Verlagsdeals ist
schon genehmigt.
Ein herzliches Hallo der Funke-Gruppe: Wir lieben euch alle
Funke heißt seine neuen Mitarbeiter von Springer willkommen. Diese wissen
allerdings noch gar nicht, wo sie demnächst arbeiten werden.
Kommentar Springer-Zeitungsverkauf: Mit den besten Absichten
Das Kartellamt will den Verkauf von Springer-Zeitungen and Funke genau
prüfen. Das ist gut: Denn da könnte eine bedenklich große Marktmacht
entstehen.
Madsack-Gruppe mit Zentralredaktion: Alles aus keiner Hand
18 Zeitungen – ein überregionaler Teil. Die Madsack-Mediengruppe zeigt,
dass sich viele Verleger kaum noch um eigene Recherchen kümmern.
Umzugswelle in der Presselandschaft: Perfides Kalkül der Verlage
Der Verlag Gruner + Jahr verlegt den Sitz der Münchener Redaktion nach
Hamburg. Auch Springer lässt umziehen. Wer nicht mit kann, hat Pech.
Claus Jacobi gestorben: „Ein Jahrhundert-Journalist“
Vom „Spiegel“ zur „Welt am Sonntag“: Claus Jacobi durchlief in seiner
Karriere viele Stationen als Reporter und Chefredakteur. Er wurde 86 Jahre
alt.
Kommentar Verkauf „Washington Post“: Eine neue Ära beginnt
Die „Post“ steht für investigativen Journalismus. Durch ihren Verkauf ist
die vierte Gewalt in den USA gefährdet. Doch es gibt Hoffnung.
Amazon-Chef erwirbt „Washington Post“: Schnäppchen aus Papier
Als Privatmann kauft der Chef des Internetkonzerns Amazon das
US-Traditionsblatt. 250 Millionen Dollar zahlt er dafür. Für die Leser soll
sich vorerst nichts ändern.
Springers Ausverkauf: Rumms!
Mehr Geld für die digitale Offensive: Axel Springer trennt sich eilig von
diversen Blättern und Heften, die man eh nicht mehr für Siegpferde hält.
Berliner Presselandschaft: Die „Mottenpost“ ist Geschichte
Springer trennt sich von der „Berliner Morgenpost“. Die Redaktion zeigt
sich geschockt. Muss das Blatt nun das Hochhaus an der Rudi-Dutschke-Straße
verlassen?
Medienstandort: Ein neues Zuhause
Springer verkauft „Hamburger Abendblatt“ und weitere Titel an die
Funke-Gruppe in Essen. 800 Arbeitsplätze sind gefährdet, Umzug nach München
droht.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.