# taz.de -- Medienstandort: Ein neues Zuhause | |
> Springer verkauft „Hamburger Abendblatt“ und weitere Titel an die | |
> Funke-Gruppe in Essen. 800 Arbeitsplätze sind gefährdet, Umzug nach | |
> München droht. | |
Bild: Unter Schock: Mitarbeiter des Axel-Springer-Verlags nach der Betriebsvers… | |
HAMBURG taz | Nichts war durchgesickert, nichts ahnend kamen die | |
Beschäftigten des Springer-Verlags am Donnerstagmorgen ins Verlagshaus am | |
Axel-Springer-Platz in der Hamburger Innenstadt. Und wurden von der | |
Nachricht überrascht, dass für 10 Uhr eine Betriebsversammlung angesetzt | |
sei. Minuten später waren sie „total schockiert“, wie ein Mitarbeiter der | |
taz erzählte, der wie alle anderen nicht namentlich genannt werden möchte. | |
Denn der Springer-Verlag verkauft zum Jahresende das Hamburger Abendblatt, | |
die Bergedorfer Zeitung, die Berliner Morgenpost und sämtliche Programm- | |
und Frauenzeitschriften (Hörzu, TV Digital, Funk Uhr, Bildwoche, TV neu | |
sowie Bild der Frau und Frau von heute) an die Essener Mediengruppe Funke | |
(Westdeutsche Allgemeine Zeitung, Braunschweiger Zeitung sowie 28 weitere | |
Tages- und Wochenzeitungen, 170 Illustrierte und Fachzeitschriften sowie | |
Anzeigenblätter und Kundenzeitschriften). Der Kaufpreis beträgt 920 | |
Millionen Euro, die Springer in den Ausbau seiner digitalen Aktivitäten | |
stecken will, wie Konzernchef Mathias Döpfner erklärte. Im Verlag | |
verbleiben einzig die Printtitel Bild und Welt. | |
„Nichts wird hier mehr so sein wie bisher“, sagt eine Mitarbeiterin. Ob das | |
Verlagshaus in Hamburg dichtgemacht werde, sei noch unklar, wird berichtet, | |
„aber die Angst davor ist da“. Rund 800 Beschäftigte könnten ihre | |
Arbeitsplätze verlieren. Gewiss sei aber zumindest, „dass es mit dem | |
Traumberuf Journalismus vorbei ist“, sagt ein langgedienter Redakteur. | |
Eine Redakteurin erzählt, dass Änderungskündigungen drohten: „Wir sollen | |
mit einem neuen und schlechteren Vertrag in eine neue Gesellschaft gehen“, | |
sagt sie. Auf der Betriebsversammlung habe Springer-Vorstand Andreas Wiele | |
gesagt: „Freuen Sie sich auf ein neues Zuhause.“ Das sei durchaus wörtlich | |
zu nehmen, fürchtet sie, denn Gerüchte besagen, dass die | |
Abendblatt-Redaktion nach München verlagert werden solle, wo einige | |
Funke-Titel erstellt werden. | |
Das würde ins Funke-Konzept passen. Erst im Januar schloss sie die | |
Redaktion der zum Konzern gehörenden Westfälischen Rundschau in Dortmund. | |
Die 120 RedakteurInnen wurden entlassen, der Titel aber blieb erhalten. Er | |
wird seit Februar von einem „content-desk“ beliefert, aus dem sich auch die | |
Westdeutsche Allgemeine und die Neue Rhein / Neue Ruhr Zeitung bedienen. So | |
kann jeder Text drei Mal gedruckt werden, das spart Personal und Kosten. | |
Nach einem ähnlichen Modell hatte der Springer-Verlag im Herbst vergangenen | |
Jahres Abendblatt, Berliner Morgenpost und Welt in einer | |
Redaktionsgemeinschaft zusammengeschlossen. Seitdem liefert die Morgenpost | |
die Inhalte für den Berliner Regionalteil der Welt und das Abendblatt für | |
den Hamburger Regionalteil. Einige Arbeitsplätze wurden abgebaut, die | |
verbliebenen RedakteurInnen der Welt-Hamburg arbeiten seitdem offiziell | |
beim Abendblatt, ihre Texte erscheinen in beiden Blättern. | |
Bereits seit 2006 ist auch die Hamburger Morgenpost Teil eines | |
Redaktions-Pools, aus dem sie Texte bezieht. Sie arbeitet zusammen mit der | |
Berliner Zeitung und der Kölnischen Rundschau in der Deutschen | |
Zeitungsholding. Die letzen beiden eigenständigen und unabhängigen | |
Tageszeitungen in Hamburg sind somit Bild und taz. | |
Weder das Abendblatt noch seine MitarbeiterInnen „dürfen durch den Verkauf | |
Nachteile erleiden“, mahnt Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz (SPD). Er | |
hatte bei seinem Amtsantritt „die städtischen Kompetenzen in Sachen | |
Medienpolitik wegen ihrer Bedeutung in der Senatskanzlei angesiedelt“, also | |
zur Chefsache erklärt. Nun hofft er zumindest, dass Springer „ein wichtiges | |
Medienunternehmen in der Stadt bleiben wird“. | |
Vor allem um die Arbeitsplätze sorgen sich Hamburgs DGB-Chef Uwe Grund und | |
der Bundesvorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbandes (DJV), Michael | |
Konken. Die Funke-Gruppe sei „berüchtigt für harte Einsparungen zulasten | |
des Qualitätsjournalismus“, so Konken. Die Hamburger DJV-Vorsitzende Marina | |
Friedt kommentiert, der Springer-Verlag „verkauft sein journalistisches | |
Erbe“. | |
Hamburgs Grüne fordern von Bürgermeister Scholz, er solle sich „für den | |
Verbleib von möglichst vielen Arbeitsplätzen in Hamburg einsetzen“, so | |
Fraktionschef Jens Kerstan. Die FDP-Fraktionsvorsitzende Katja Suding | |
hofft, „dass die neuen Eigentümer die große Tradition und Verbundenheit des | |
Hauses Springer und seiner Medien mit Hamburg achten“. Und selbst die Linke | |
entdeckt ihr Herz für Springer: „Wir werden zur Verteidigung der | |
Arbeitsplätze an der Seite der Beschäftigten stehen“, verspricht | |
Medienpolitikerin Kersten Artus. | |
25 Jul 2013 | |
## AUTOREN | |
Sven-Michael Veit | |
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Axel Springer | |
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