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# taz.de -- Kommentar de Maizière: Nur noch Taktik
> Viel Geld, wenig Transparenz und keine Entlastung für Thomas de Maizière.
> Vor allem sein positives Image wird ihm nun zum Verhängnis.
Bild: Sie würde ihn ja ziehen lassen, aber …
Ein Skandal ist ein außergewöhnliches Ereignis, in dem wir, die
Öffentlichkeit, von unerhörten Zuständen erfahren. Ist es ein Skandal, dass
das Projekt der Aufklärungsdrohne Euro Hawk, das bislang knapp 700
Millionen Euro kostete, eingestellt wird? Streng genommen – nein. Man muss
den großzügigen Umgang mit Steuergeldern kritisieren, aber außergewöhnlich
ist der bei Rüstungsdeals nicht.
In der Geschichte der Bundeswehr gab es kostspieligere Fehlinvestitionen.
Kampfflugzeuge, die regelmäßig abstürzten, U-Boote, die kein Salzwasser
vertrugen, Panzer, die nicht fuhren, Jets, die viermal teurer waren als
versprochen. Immer war die Ministerialbürokratie überfordert und der
Minister ahnungslos, obwohl das Debakel absehbar war.
Rüstungsaffären haben immer mit mangelnder Aufsichtspflicht zu tun und mit
Ministern, die überzeugt von ihrer Großartigkeit blindlings Prestigeobjekt
fördern. Aber das Problem ist im Kern ein strukturelles: Es gibt,
vielleicht außer im Pharmabusiness, keinen Bereich, in dem es um so viel
Geld geht und in dem so wenig Transparenz herrscht, in dem Lobbyismus und
Filz so schrankenlos regieren, Oligopole das Sagen haben und
Marktkonkurrenz weitgehend fehlt.
Das ist keine Entlastung für Thomas de Maizière. Aber es ist der Rahmen.
Man sollte ihn nicht aus den Augen verlieren, wenn es sich nun alles darum
dreht, was der Minister ein paar Tage früher oder später wusste und ob
seine Verteidigungslinie hält. Es stimmt, dass die Fallhöhe für de Maizière
höher ist, als sie bei seinem Vorgänger, dem flatterhaften zu Guttenberg,
gewesen wäre.
## Korrekt, sachlich, uneitel
De Maizière hat ein öffentliches Bild von sich entworfen, an dem er nun zu
Recht gemessen wird: Er ist der Verlässliche, Korrekte, sachlich, uneitel,
der Sache verpflichtet, ein scharfer Analytiker. Kurzum: Er ist einer der
wenigen Figuren, mit denen sich die in der Union zusehends unbehausten
Konservativen identifizieren können.
Diesem Bild genügt de Maizières Performance nicht – sie widerspricht ihm.
Vielleicht sind dem Minister all die Artikel, in denen seine Bescheidenheit
und sein Pflichtbewusstsein gelobt wurden, zu Kopf gestiegen.
Er behauptet jedenfalls, von seinem Ministerium vor vollendete Tatsachen
gestellt worden zu sein. Sein treuer Staatssekretär hat im
Untersuchungsausschuss genau diese Version bestätigt. Das sollte als
Entlastung wirken. Doch ein „Ich bin’s nicht, mein Staatssekretär ist’s
gewesen“ wirkt alles andere als verantwortungsbewusst. Denn es gehört zur
politischen Kernkompetenz des Ministers, zentrale Entscheidungen wie die
zur Euro Hawk selbst zu treffen.
Seltsam wirkt dies, weil de Maizière geradezu missionarisch auch für die
Ausrüstung der Bundeswehr mit Kampfdrohnen warb, die er spektakulär
verharmlosend „ethisch neutral“ nannte.
De Maizière hat in der Euro-Hawk-Affäre die Verantwortung auf Untergebene
abgewälzt. Er hat den Eindruck erweckt, weniger über die flugunfähige
Drohne gewusst zu haben, als er es tat. Als Projektionsfläche konservativer
Sehnsüchte nach Pflichterfüllung und Seriosität ist er verschlissen.
## Nicht noch einer
Kristallklar gelogen hat er bisher nicht. Deshalb wird er wohl Minister
bleiben. Es ist ja Wahlkampf. Und Kanzlerin Merkel will nach zu Guttenberg,
Norbert Röttgen, Annette Schavan nicht noch einen Minister verlieren. Wäre
diese Regierung moralisch intakt, müsste de Maizière gehen. Aber es geht
nur noch um Taktik.
Im Untersuchungsausschuss zum Euro Hawk kam am Montag nebenbei ein
bemerkenswertes Detail zum Vorschein. Ende 2012 prüfte die IABG, eine Art
TÜV für Flugzeuge, im Auftrag des Verteidigungsministeriums, was
Alternativen zur Euro Hawk kosten würden.
So ganz neutral war die Studie nicht: Mitarbeiter des Konzerns EADS
schrieben daran mit. EADS ist übrigens nicht nur am stillgelegten
Euro-Hawk-Projekt beteiligt, sondern auch an den drei alternativen
Drohnenprojekten. Das ist ungefähr so, als würde Mercedes ein neues
Bremssystem entwickeln und der Einfachheit halber die TÜV-Zulassung gleich
mitliefern. Oder als würde eine Modellschule die eigene Evaluierung gleich
selbst übernehmen.
Genutzt hat der Untersuchungsausschuss insofern schon jetzt. Man sieht
etwas von den Graubereichen des Rüstungsgeschäfts, in denen das Normale und
das Skandalöse verschwimmen. Zumindest ein bisschen.
30 Jul 2013
## AUTOREN
Stefan Reinecke
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