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# taz.de -- Der erste Burger aus Kunstfleisch: Stammzellen-Frikadelle ist fade
> Wissenschaftler aus den Niederlanden haben Kunstfleisch gezüchtet.
> Tierschützer sind begeistert, Experten bleiben skeptisch. Eine Kostprobe.
Bild: Zum Reinbeißen - aber beim zweiten Blick wirkt das Kunstfleisch doch ein…
BERLIN taz | Der Star ist ein runder Fleischfladen: rot, weich, wie
Hackfleisch eben. Aber es war kein Hackfleisch, das der niederländische
Mediziner Mark Post am Montag einer Schar Journalisten in London
vorstellte. Vielmehr präsentierte er den ersten Hamburger aus Kunstfleisch
– aus Fleisch, das er in seinem Labor an der Universität Maastricht
hergestellt hat. „Frankenfleisch“, wie es manche mit Verweis auf Mary
Shelleys berühmten Roman nennen.
Post hat das Fleisch aus Stammzellen gezüchtet, die einem Rind entnommen
wurden – „auf eine ungefährliche Art und Weise“, wie der Wissenschaftler
erklärte. Stammzellen sind Körperzellen, die sich in verschiedene Zelltypen
entwickeln können. Um sie zu vermehren, setzte Post sie in eine Nährlösung,
die unter anderem Kalbsserum enthält. Später solle diese künstlich
hergestellt werden, also ohne tierische Komponenten, sagt Post.
20.000 Zellstreifen hat er innerhalb von drei Monaten gezüchtet und dann zu
dem Fladen gepresst, der am Montag vor den Kameras zahlreicher Medien bei
der Präsentation in London lag.
Diese Technik ist in der Fachwelt nichts Neues. Allerdings hat bisher
niemand einen regelrechten Hamburger im Labor erzeugt und mithilfe einer
PR-Agentur international vermarktet, wie das nun Post getan hat.
## Burger kostet 250.000 Euro
Doch warum der ganze Aufwand? „Für die Umwelt und die Tiere“, antwortet der
Erfinder. Tatsächlich sind Rinder sehr ineffizient bei der
Fleischproduktion. Sie brauchten 100 Gramm pflanzlicher Proteine, um 15
Gramm essbare tierische Proteine zu erzeugen. Nach ersten Ergebnissen
reduziert Posts Laborfleisch den Verbrauch von Land und Wasser um 90
Prozent – und den Energieaufwand um 70.
„Zudem müssen wir keine Tiere töten“, so Post in der Zeitung [1][Guardian…
Er verspricht also, dass das Kunstfleisch weniger Treibhausgase freisetzt
als Fleisch aus der Tierhaltung. Immerhin 5 Prozent der
Kohlendioxidemissionen und 40 Prozent des noch klimaschädlicheren
Methanausstoßes werden durch Tierhaltung verursacht.
Allerdings gibt es noch viele Probleme bei der Produktion – zuallererst die
Kosten: 250.000 Euro hat die Herstellung des Proto-Kunstfleischburgers
gekostet – gezahlt hat übrigens Sergey Brin, einer der Gründer der
Internetsuchmaschine Google. Doch Post zeigt sich zuversichtlich, dass der
Preis bei Massenproduktion bald auf 53 Euro pro Kilogramm sinken könnte.
„Das ist ein vernünftiger Preis“, so der Erfinder bei der Pressekonferenz.
Das wäre aber noch immer viel teurer als konventionelles Fleisch. Ein
herkömmliches Steak etwa kostet 30 Euro pro Kilogramm.
Auch der Geschmack des Kunstburgers muss offenbar noch besser werden. Eine
von Posts Gruppe bezahlte Testerin ließ sich bei der Präsentation zu der
Aussage hinreißen: „Es kommt Fleisch nahe, es ist nicht so saftig.“ Ein
weiterer Tester sagte, es fehle Fett. Tatsächlich besteht der erste
Kunstburger nur aus Protein, Fett – ein wichtiger Geschmacksträger – fehlt
bisher völlig. Post will es in Kürze ebenfalls im Labor nachbauen.
## Experte: „Leute werden nicht auf Fleisch verzichten“
Auf die Frage, ob Kunstfleisch nicht gesundheitsschädlich sei, antwortete
Post ziemlich knapp: Es sei „genauso sicher wie normales Fleisch“ – denn
schließlich bestehe sein Produkt ja auch aus demselben Gewebe.
Bei vielen Tierschützern rennt der Niederländer mit seinem Projekt offene
Türen ein. Die Tierrechtsorganisation Peta hat bereits 2008 ein
[2][Preisgeld von einer Million Dollar] ausgesetzt für den Erfinder von
Kunstfleisch, das genauso schmeckt wie echtes Fleisch und im großen Stil
verkauft wird. Dass auch für das Laborprodukt Tieren Zellen entnommen
werden müssen, hält Edmund Haferbeck, wissenschaftlicher Berater der
Organisation, für einen nötigen Kompromiss. „Das Verfahren würde viel
Tierleid sparen. Wenn die Technik so weit ist, müssen dafür keine Tiere
sterben.“
Zahlreiche Experten sehen die Kunstfleischidee aber skeptisch. „Sie werden
immer irgendwie Beigeschmäcke haben, die der Verbraucher ablehnt“, sagt
Fleischexperte Fredi Schwägele vom bundeseigenen Max-Rubner-Institut für
Ernährung und Lebensmittel. Grund seien die Nährmedien der Zellen.
Schwägeles Fazit: „Die Leute, die bisher Fleisch gegessen haben, werden
darauf nicht verzichten wollen.“
Auch Armin Valet, Lebensmittelexperte der Verbraucherzentrale Hamburg,
sieht „überhaupt keine Akzeptanz bei den Verbrauchern in den nächsten 50
Jahren.“ Nach Lebensmittelrecht dürfte das Produkt auch gar nicht Fleisch
genannt werden, weil es nicht von geschlachteten Tieren stamme. „Das ist
ein völliges Kunstprodukt. Das hat nichts mehr mit Natürlichkeit zu tun.“
In der EU müsste es als neuartiges Lebensmittel zugelassen werden. Und dazu
müsste bewiesen werden, dass es tatsächlich nicht die Gesundheit gefährdet.
5 Aug 2013
## LINKS
[1] http://www.theguardian.com/science/2013/aug/02/scientist-stem-cell-lab-grow…
[2] http://www.heise.de/tp/blogs/3/106869
## AUTOREN
Jost Maurin
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