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# taz.de -- Kommentar Kunstfleisch: Sexy, aber völlig ungeprüft
> Es klingt wie eine Sensation: der Burger aus der Retorte. Doch niemand
> sollte allzu große Hoffnungen in das im Labor hergestellte Fleisch
> setzen.
Bild: Sexy sind diese Schweinehälften nicht – aber wenigstens sind sie echte…
Fleisch aus der Petrischale – klingt ekelig, aber wird von Wissenschaftlern
als ein Beitrag zur Lösung gleich einer ganzen Reihe von Problemen
gepriesen: des Klimawandels, der Tierquälerei in der Viehhaltung und des
Welthungers. Zu Recht?
Vergleichsweise tierfreundlich scheint das Retortenfleisch tatsächlich zu
sein. Zwar sind auch für das Laborprodukt Zellen und Seren von Tieren
nötig. Doch die Mengen sind gering. Also leiden weit weniger Tiere als für
konventionell erzeugtes Fleisch.
Bei der Klimabilanz, die der Mediziner Mark Post für seinen Kunsthamburger
präsentiert, wird’s schon schwieriger. Sie ist weder fertig noch von
unabhängiger Seite geprüft. Und wie sich Kunstfleischangebote in den
Industriestaaten auf die rund eine Milliarde Hungernden in der Welt
auswirken würden, ist derzeit völlig ungewiss.
Ganz abgesehen davon, dass die Technik noch weit davon entfernt ist,
massentauglich zu sein. Der Preis ist bisher zu hoch. Auch die Frage, ob
das Laborfleisch wirklich genauso gesund ist wie herkömmliches, muss noch
geklärt werden. Posts Argument, Kunstfleisch sei doch genauso ein Gewebe
wie normales Fleisch, überzeugt angesichts des hochtechnischen und noch
weitgehend unerforschten Produktionsprozesses wohl nur Naive.
## Einfach weniger Fleisch essen
Deshalb sollte niemand große Hoffnung in das Kunstfleisch setzen. Es gibt
schon jetzt effizientere Lösungen für das Treibhausgasproblem der
Landwirtschaft und den Welthunger. Am wirkungsvollsten wäre es, die
Menschen in den reichen Ländern äßen einfach weniger Fleisch. Dann würden
die Viehbranche und ihre Zulieferer für den Ausstoß von weniger
Treibhausgas verantwortlich sein und Masttiere würden hungernden Menschen
weniger Getreide wegfressen.
Die Welt braucht auch mehr Biolandwirtschaft, die auf klimaschädliche
Dünger und Pestizide verzichtet. Zudem müssten Kleinbauern in
Entwicklungsländern besser geschult werden, um mehr Nahrung zu erzeugen.
Diese Forderungen sind altbekannt, aber deshalb keinesfalls falsch. Sie
durchzusetzen ist mühsam. Die Diskussion darüber langweilt viele. Wie
unendlich sexyer erscheint da die vermeintliche Sensation vom Hamburger aus
der Retorte. Das ist verständlich. Es ist auch richtig, Kunstfleisch weiter
zu erforschen – schon weil es tierfreundlicher ist. Aber der aktuelle Hype
darf nicht ablenken von den Instrumenten, die schon lange anwendungsreif
sind. Das genau aber ist die Gefahr.
6 Aug 2013
## AUTOREN
Jost Maurin
## TAGS
Fleisch
Ernährung
Konsum
Vegetarismus
Stammzellen
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