| # taz.de -- Tricks der Lebensmittelbranche: Frech kommt weiter | |
| > Ein Ratgeber zeigt, wie die Foodbranche trickst. Die taz präsentiert die | |
| > Top Ten der Verbrauchertäuschungen – und zeigt wie Sie sich wehren | |
| > können. | |
| Bild: „Eis“ oder „Cremeeis“? Auf jeden Fall manchmal ganz schön dreist. | |
| ## 1. Irreführung satt: Pflanzenfettissimo | |
| Der Eisname „Cremissimo“ suggeriert ein cremig-gehaltvolles Eis. Denn | |
| Produkte mit den Bezeichnungen „Eiscreme“ und „Cremeeis“ dürfen den | |
| Vorschriften zufolge ausschließlich Milchfett wie Sahne enthalten. | |
| „Cremissimo“ aber ist nur ein Eis aus entrahmter Milch, dem statt Milchfett | |
| billiges Pflanzenfett zugefügt wurde. Tipp der Verbraucherzentralen | |
| deshalb: Lassen Sie sich nicht von den wohlklingenden Namen der Produkte | |
| blenden und lesen lieber die Verkehrsbezeichnung. Sie steht meist im | |
| Kleingedruckten vor der Zutatenliste. Hier sind die Hersteller gesetzlich | |
| verpflichtet, ziemlich genau und direkt anzugeben, worum es sich wirklich | |
| handelt – in diesem Fall eben nur „Eis“, nicht „Cremeeis“ | |
| ## 2. Muh statt Mäh | |
| Feta ist laut Gesetz ein Weißkäse in Salzlake, der aus Schafsmilch auf dem | |
| griechischen Festland oder der Insel Lesbos hergestellt wird. Doch in | |
| deutschen Supermärkten gibt es eine Reihe von Imitaten, die aussehen wie | |
| Feta, aber nur so ähnlich schmecken. Auf den Verpackungen steht zum | |
| Beispiel „Hirtenkäse“ neben Griechenland-Bildern wie Urlaubsinseln. Oft | |
| werden diese Sorten aber aus Kuhmilch und in Deutschland produziert. Aus | |
| Sicht der Verbraucherzentralen ist das Schwindel. Ihr Tipp: „Bei allem, was | |
| nach griechischem Schafskäse aussieht, sollten Sie genau auf die Verpackung | |
| schauen.“ Ohne Angaben einer bestimmten Tierart in der Verkehrsbezeichnung | |
| oder in der Zutatenliste steckten hinter „Käse“ und „Milch“ Produkte a… | |
| Kuhmilch. | |
| ## 3. Schlupfloch „Serviervorschlag“ | |
| Auf der Verpackung der Instantsuppe „Thai Chef Ente“ ist knusprig gebratene | |
| Entenbrust auf asiatischen Nudeln dekoriert mit Kräutern, Gemüse und | |
| Gewürzen zu sehen. Doch in der Suppe ist laut Zutatenverzeichnis Ente nur | |
| in Form von Aroma enthalten. Und dieser Schmu ist sogar legal, weil unter | |
| dem Bild in winziger Schrift „Serviervorschlag“ steht. Ähnlich beim | |
| Fertiggericht „Fun Frikassee“: Erbsen abgebildet, aber keine drin. Unser | |
| Tipp: Vergessen Sie die Bilder und lesen Sie das Zutatenverzeichnis. Und | |
| wählen Sie Parteien, die solche Schlupflöcher im Lebensmittelrecht | |
| verbieten wollen. | |
| ## 4. Rumaroma für Alkoholiker | |
| Suchtkranke können rückfällig werden, wenn sie alkoholische | |
| Lebensmittel-Zutaten wie Rumaroma schmecken oder riechen. Eltern wollen | |
| verhindern, dass Kinder sich an den Geschmack gewöhnen. Und viele Religiöse | |
| lehnen jeglichen Tropfen ab. Doch wer Alkohol etwa in Pralinen, Marmeladen | |
| oder Salaten meiden will, muss die Zutatenliste komplett lesen. Es reicht | |
| nicht, sie einfach nach dem Wort „Alkohol“ zu überfliegen. Denn er befindet | |
| sich auch in Zutaten wie Arrak, Cognac und Maraschino. Tipp: Außer eben | |
| doch alles genau zu lesen leider keinen für die Praxis. Die Politik müsste | |
| endlich die Hersteller verpflichten, auf der Verpackungsvorderseite | |
| deutlich auf enthaltenen Alkohol hinzuweisen. | |
| ## 5. Von wegen „regional“ und „Heimat“ | |
| Das „Thüringer Land Buttermilch Dessert“ wurde zuletzt in Bayern | |
| verarbeitet. Zwar gibt der Hersteller laut Verbraucherzentrale an, den | |
| Hauptanteil der „Thüringer Land“-Artikel in Thüringen herzustellen. „Zur | |
| Sortimentsabrundung“ würden einige Milchprodukte aber auch in Franken | |
| produziert. Das Unternehmen nutzt also aus, dass Konsumenten in ihrer | |
| Region hergestellte Produkte bevorzugen. Tipp der Verbraucherschützer: | |
| Verrät ein mit „Heimat“ oder „Region“ beworbenes Produkt nicht, was | |
| darunter genau zu verstehen ist, handelt es sich mit hoher | |
| Wahrscheinlichkeit um leere Worte. Seriöse Anbieter schreiben, woher die | |
| Rohwaren stammen und wo sie verarbeitet werden. | |
| ## 6. Falsche Natürlichkeit nach Hausfrauenart | |
| Die „Matjes-Mahlzeit“ des Anbieters Lysell enthält laut Verpackung „Sauce | |
| nach Hausfrauenart“. Doch die Soße besteht auch aus den Verdickungsmitteln | |
| Guarkernmehl und Xanthan, dem Säuerungsmittel Glucono-delta-lacton und | |
| Säureregulatoren. Zutaten, die kaum eine Hausfrau, aber die | |
| Lebensmittelindustrie benutzt. Lysell rechtfertigt sich der | |
| Verbraucherzentrale zufolge damit, das die Auslobung „Sauce nach | |
| Hausfrauenart“ nur etwas über die „Geschmacksrichtung“, nicht über | |
| Zusatzstoffe aussage. Tipp: Ignorieren Sie Werbeaussagen wie „traditionell“ | |
| oder „ohne Zusatzstoffe“. Sie sind nicht gesetzlich definiert. | |
| ## 7. So viel gesünder als die Realität erlaubt | |
| Dr. Oetker schreibt auf sein „Vitalis-Früchte-Müsli“ groß: „ohne | |
| Zuckerzusatz“. Dennoch enthält es laut Nährwertkennzeichnung auf der | |
| Verpackung etwa zu einem Viertel Zucker. Nur wurde er nicht zugesetzt, | |
| sondern stammt aus den Trockenfrüchten im Müsli. Den vorgeschriebenen | |
| Hinweis „Enthält von Natur aus Zucker“ hat Oetker lediglich in winzigen | |
| Buchstaben gedruckt. Tipp: Wenn Sie Zucker vermeiden wollen, sollte Sie der | |
| Hinweis „ohne Zuckerzusatz“ misstrauisch werden lassen. Da hilft nur der | |
| Blick ins Kleingedruckte – oder Druck auf die Politik, die „Angabe ohne | |
| Zuckerzusatz“ falls nötig durch „Enthält von Natur aus Zucker“ direkt | |
| daneben zu ergänzen. | |
| ## 8. Käse-ordnung und Quadrat-zentimeter | |
| Die Verordnung zur Lebensmittelkennzeichnung macht einige Ausnahmen von der | |
| Pflicht, die Zutaten auf die Verpackung zu schreiben. Zum Beispiel, wenn | |
| die größte Fläche einer Verpackung kleiner als zehn Quadratzentimeter ist. | |
| Oder wenn ein Produkt lose verkauft wird – etwa Brot. Weitere Ausnahmen | |
| erlaubt die Käseverordnung. Tipp: Da kann der Verbraucher nicht viel tun. | |
| Allenfalls den Händler fragen, was denn im Lebensmittel drin ist. Und | |
| politische Initiativen unterstützen, die Ausnahmen abzuschaffen. | |
| ## 9. Draufzahlen für weniger drin | |
| Hersteller verschleiern Preiserhöhungen gern durch einen Trick: Sie | |
| verkaufen für dasselbe Geld etwas weniger Inhalt in einer fast unverändert | |
| gestalteten Verpackung, die genauso groß ist wie vor der Preiserhöhung. Um | |
| dem Gesetz genüge zu tun, schreiben die Firmen Hinweise wie „neue Rezeptur“ | |
| oder „bessere Qualität“ dazu. Oder sie bringen eine neue, teurere Sorte auf | |
| den Markt, um dann die Preise der ganzen Produktlinie anzuheben. Tipp: | |
| „Kommt ein Produkt im neuen Design daher, wird eine verbesserte Qualität | |
| beworben oder eine neue Sorte eingeführt, sollten Sie misstrauisch sein und | |
| auf die Füllmenge achten“, raten die Verbraucherzentralen. | |
| ## 10. Anything goes: Lose Lebensmittel | |
| Brot beim Bäcker um die Ecke, Wurst an der Fleischtheke oder Antipasti am | |
| Marktstand – wenn Lebensmittel lose verkauft werden, sind die | |
| Kennzeichungsregeln laut Verbraucherzentrale lückenhaft. Zusatzstoffe | |
| müssen aber auch hier genannt werden. Entweder in einem Buch, Ordner oder | |
| Aushang im Laden oder auf einem Schild an der Ware. Doch das gilt nur für | |
| eine geringe Zahl von Zusatzstoffen. Tipp: Da hilft nur, dem Händler sehr | |
| deutlich zu machen, dass man mehr Informationen will. | |
| Den Ratgeber „Lebensmittel-Lügen – Wie die Foodbranche trickst und tarnt“ | |
| gibt es für 9,90 Euro bei den Verbraucherzentralen | |
| 11 Sep 2013 | |
| ## AUTOREN | |
| Jost Maurin | |
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