| # taz.de -- Produktion von Labor-Fleisch: Das Steak aus dem Reaktor | |
| > In-vitro-Fleisch besteht aus gezüchteten Zellen. Start-ups hoffen auf | |
| > marktreife Produkte, ein Suchmaschinen-Milliardär ist auch dabei. | |
| Bild: Ist das jetzt echtes Fleisch, oder nicht? Hauptsache es schmeckt. | |
| BERLIN taz | Die Foodtrendforscherin Hanni Rützler gehört zu den wenigen, | |
| die das seltsam anmutende Produkt probieren durfte. „Der Geschmack ist | |
| fleischähnlich, aber nicht so saftig“, sagte sie nach der ersten | |
| öffentliche Verkostung eines im Labor hergestellten Fleischburgers 2013 in | |
| London. Seitdem ist es still geworden um sogenanntes In-vitro-Fleisch. Vor | |
| allem in den USA und den Niederlanden arbeiten Forscher daran. Mittlerweile | |
| sehen allerdings auch einige Start-ups im Laborfleisch eine Alternative zu | |
| konventionell hergestelltem Fleisch. | |
| Firmen wie Modern Meadow oder New Harvest glauben an den wirtschaftlichen | |
| Erfolg des In-vitro-Fleischs. Noch bieten sie keine konkreten Produkte an. | |
| Doch die Firma New Harvest, die von Sponsoren wie dem Google-Mitgründer | |
| Sergey Brin finanziert wird, kündigt auf ihrer Webseite an, dass in wenigen | |
| Jahren kultiviertes Fleisch in verarbeiteter Form, wie Wurst, Hamburger | |
| oder Chicken Nuggets, produzierbar ist. | |
| Ein Problem bislang: das fehlende Fett. Der Geschmacksträger fehlt in | |
| sogenanntem In-vitro-Fleisch komplett. Das ist nicht das einzige Problem | |
| des möglichen neuen Wirtschaftszweigs. Am kommenden Mittwoch diskutieren an | |
| der Universität Karlsruhe Wissenschaftler [1][bei der Tagung „Was essen wir | |
| morgen“] über die ethischen und technischen Aspekte der zumindest | |
| theoretisch funktionierenden Produktionsmethode. | |
| In-vitro-Fleisch wird aus tierischen Muskelstammzellen von lebenden Tieren | |
| gewonnen, und zwar „weitgehend schmerzfrei“, sagt Arianna Ferrari vom | |
| Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse der Universität | |
| Karlsruhe. „Das Fleisch wird in einer Nährlösung gezüchtet“, erklärt si… | |
| „Auf diese Weise könnte aus wenigen Stammzellen potenziell unendlich | |
| genetisch unverändertes In-vitro-Fleisch gezüchtet werden.“ | |
| ## Die Auswirkungen sind unklar | |
| Die Laborvariante braucht bei gleicher Menge zwischen 7 und 45 Prozent | |
| weniger Energie und mindestens 82 Prozent weniger Wasser, haben die | |
| Zoologin Hanna Tuomisto von der Universität Oxford und der Mikrobiologe | |
| Joost Teixeira de Mattos von der Uni Amsterdam ausgerechnet. Außerdem | |
| könnten im Vergleich zur Stallproduktion bis zu 96 Prozent der | |
| Treibhausgase eingespart werden – bei nur einem Prozent des Landverbrauchs. | |
| Theoretisch ist die Herstellung im Labor in großem Stil möglich. Der | |
| zurzeit größte technisch denkbare Bioreaktor zur künstlichen | |
| Fleischgewinnung könnte 25.000 Liter fassen und 10.000 Menschen für ein | |
| Jahr mit Fleisch versorgen, glaubt der Wissenschaftler Mark Post von der | |
| Universität Maastricht. Er rechnet dabei mit 30 Kilogramm Fleisch pro | |
| Person im Jahr. | |
| Doch neben der Karlsruher Philosophin Ferrari rät auch Christoph Then zur | |
| Vorsicht, Geschäftsführer des Biotechnik-kritischen Vereins Testbiotech. Es | |
| gebe noch keine belegten empirischen Daten zu den Auswirkungen des | |
| Laborfleischs auf Umwelt und Menschen und die Probleme der | |
| Massenproduktion, warnt Then. | |
| Wer trotzdem probieren will: Das noch virtuelle Bistro „invitro“ nimmt | |
| erste Reservierungen an – für 2028. | |
| 9 Jun 2015 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.itas.kit.edu/2015_024.php | |
| ## AUTOREN | |
| Jan Russezki | |
| ## TAGS | |
| Fleisch | |
| Start-Up | |
| Ernährung | |
| Start-Up | |
| Fett | |
| Labor | |
| Schwerpunkt Waffen in den USA | |
| Vegetarismus | |
| Stammzellen | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Forschung an Lebensmitteln der Zukunft: Schokolade aus dem Bioreaktor | |
| Forscher entwickeln eine 100-Gramm-Tafel im Labor. Künftig sollen auch | |
| andere Lebensmittel nicht mehr vom Feld und aus dem Stall kommen. | |
| Startups in Deutschland: Gründe zum Gründen | |
| Von der Uni ins eigene Unternehmen: Die Start-up-Branche wächst, 2016 soll | |
| das 50.000 neue Jobs bringen. Die meisten Gründer sind Männer. | |
| Die Streitfrage: Ist Fett gesund? | |
| In den USA diskutieren Ernährungsexperten, das staatlich empfohlene Limit | |
| für den Verzehr von Fett zu streichen. Eine Revolution? | |
| Nobelpreisträger über Frauen im Labor: „Wenn du sie kritisierst, heulen sie… | |
| Der britische Zellforscher Tim Hunt will Frauen und Männer im Labor | |
| trennen. Weil Liebe von der Arbeit ablenkt. Und Frauen immer rumflennen. | |
| Black Panther in den USA: Freilassung nach 43 Jahren | |
| Ein Bundesrichter ordnet an: Albert Woodfox, der letzte der 1972 in | |
| Louisiana verurteilten „Angola Three“, soll freikommen. | |
| Vegetarische Wurst: Lecker Ersatz | |
| Fleischproduzenten verkaufen auf einmal vegetarische Alternativen zur | |
| Wurst. Nicht weil sie bekehrt wurden. Weil es ein gutes Geschäft ist. | |
| Der erste Burger aus Kunstfleisch: Stammzellen-Frikadelle ist fade | |
| Wissenschaftler aus den Niederlanden haben Kunstfleisch gezüchtet. | |
| Tierschützer sind begeistert, Experten bleiben skeptisch. Eine Kostprobe. | |
| Gefährliches Geflügel im Supermarkt: Bakterienschleuder Hühnerbrust | |
| Gefährliche Keime im Frischfleisch töten jährlich 25.000 Menschen in der | |
| EU. Schuld ist laut Umweltexperten auch der massenhafte Einsatz von | |
| Antibiotika in der Landwirtschaft. |