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# taz.de -- Schutz vor Industriespionage: Die Wachstumsbranche
> Unternehmer kennen das Problem der Spionage, unterschätzen aber die
> Gefahr. Nun hofft die Sicherheitsindustrie, davon zu profitieren.
Bild: Auch Kabelsalat hält Spione selten ab.
BERLIN taz | Man kann es so sehen: 84 Prozent der Unternehmen schützen laut
einer Studie der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young Geräte wie
Notebooks und Smartphones mit Passwörtern. Oder so: 16 Prozent der
Unternehmen arbeiten mindestens zum Teil ohne Passwortschutz.
Das sind 6 Prozentpunkte mehr als noch vor zwei Jahren. Für Oliver Grün,
Präsident des Bundesverbandes für IT-Mittelstand, steht fest: „Die
Unternehmen sind sich in der Regel der Gefahr nicht bewusst.“
Grün ist selbst Unternehmer. Er hat vor über 20 Jahren eine Firma
gegründet, die Software herstellt und vertreibt. Heute hat sie 100
Mitarbeiter an fünf Standorten, Mittelstand. Aber bei IT hat Grün einen
Vorteil gegenüber Autozulieferern, Handwerksbetrieben und
Versicherungsberatungen. Er weiß, wo Schwachstellen sind, wie man sich so
gut es geht schützt. „Wir würden bei uns kein Notebook und keinen USB-Stick
ohne Verschlüsselung zulassen“, sagt Grün.
Seine Ansicht bestätigt die Umfrage bei 400 Führungskräften deutscher
Unternehmen, die die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young am
Montag vorgestellt hat. Seit der vorherigen Befragung vor zwei Jahren
hätten die Unternehmen ihre Sicherheitsvorkehrungen nicht signifikant
aufgestockt, so das Fazit. Und das, obwohl die Manager erst im Juli befragt
wurden – also mehrere Wochen nach dem Beginn der Enthüllung von
Abhörmaßnahmen der NSA.
## Neues Risiko aus den USA
Die Debatte scheint aber die Sensibilität in den Unternehmen erhöht zu
haben. Das deutet die Studie an: Vor zwei Jahren nannten die Unternehmer
vor allem China und Russland als Regionen, aus denen sie Angriffe vermuten
– mittlerweile sehen viermal so viele Befragte wie 2011 die USA als Risiko.
„Die Berichte über Prism und Tempora haben das Bewusstsein für
IT-Sicherheit deutlich gesteigert“, sagt auch Dieter Kempf, Präsident der
Branchenverbandes Bitkom.
Dennoch bleibt Wirtschaftsspionage ein Tabuthema – öffentlich darüber
sprechen will kaum ein Unternehmer, egal, ob aus Mittelstand, Konzern oder
Kleinbetrieb. Dabei müssen einige Firmen Erfahrungen damit gemacht haben.
Auf 4,2 Milliarden Euro schätzte die Unternehmensberatung Corporate Trust
2012 den jährlich Schaden, der der deutschen Wirtschaft durch
Industriespionage entsteht.
Im Vergleich zur Vorgängerstudie aus dem Jahr 2007 sei das ein Anstieg um
50 Prozent. „Die Dunkelziffer ist sehr hoch, denn viele Unternehmen
kommunizieren einen Informationsabfluss nicht, aus Angst vor einem
Imageverlust oder weil sie ihn nicht bemerken“, sagt eine Sprecherin des
Bundesamtes für Verfassungsschutz.
Meistens sind die Fälle nicht so offensichtlich wie bei der Rieder GmbH,
einem Unternehmen mit Produktionssitz in Kolbermoor, in der Nähe von
München. Rieder stellt Faserbeton-Elemente etwa für den Fassadenbau her und
wird wohl bis ans Ende seiner Unternehmenstage mit einem Spionagefall in
Verbindung gebracht werden. Als Opfer nicht als Täter, doch es ist einer
der raren bekannten und dokumentierten Fälle von Industriespionage, weil er
vor Gericht landete.
## Minikamera am Gürtel
Das Unternehmen war für einen Großauftrag in China auf der Suche nach einem
Partner vor Ort. Prozessberichten zufolge kam der Kontakt zu Yihe M. über
eine Handwerkskammer zustande und nach einem ersten Treffen durfte der Gast
aus China die Werkshallen besichtigen. Während des Rundgangs fiel den
Mitarbeitern eine Minikamera am Gürtel des Besuchers auf. Darauf:
Aufnahmen, aus denen sich rekonstruieren ließ, wie sich die Platten bauen
lassen – und die somit einen einfachen Nachbau ohne die teuren
Entwicklungskosten erlaubten.
Das Landgericht München verurteilte den Spion im Dezember 2009 zu einer
Bewährungsstrafe. „Seitdem wird das Thema bei uns noch sensibler behandelt,
man durchleuchtet etwa mögliche Partner intensiver“, sagt
Unternehmenssprecherin Stephanie Jung heute.
Mit der wachsenden Sensibilität bei den Unternehmen zeichnet sich ein
klarer Gewinner ab: die IT-Sicherheitsbranche. Und dabei vor allem die
deutsche und europäische, denn Experten werden nicht müde zu betonen, wie
wichtig ein Serverstandort innerhalb der EU ist. Schließlich können
US-Geheimdienste da nicht mal eben drauf zugreifen.
Entsprechend sagen auch Bitkom und das Marktforschungsunternehmen IDC eine
steigende Nachfrage voraus. Der Umsatz mit Software und Dienstleistungen im
Sicherheitssektor – also Virenprogramme, Firewalls, Netzwerksicherheit –
soll im laufenden Jahr um 5 Prozent auf 3,3 Milliarden Euro wachsen.
Mitarbeit: Brigitte Marquardt
6 Aug 2013
## AUTOREN
Svenja Bergt
## TAGS
Lavabit
Hans-Georg Maaßen
Europa
BND
Prism
Thomas de Maizière
Thomas Drake
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