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# taz.de -- Armin Laschet über Asylpolitik: „Die Potenziale in den Blick neh…
> Der stellvertretende CDU-Vorsitzende Armin Laschet fordert ein Umdenken
> in der deutschen Asylpolitik. Er will mehr Flüchtlinge aus Syrien
> aufnehmen.
Bild: Willkommen? Irakische Flüchtlinge am Flughafen Hannover.
taz: Herr Laschet, seit Monaten protestieren Flüchtlinge in ganz
Deutschland für bessere Lebensbedingungen – etwa gegen das Arbeitsverbot,
die Unterbringung in Sammellagern und die Residenzpflicht. Haben sie nicht
recht?
Armin Laschet: Zum Teil ja. Es gibt Forderungen, über die breit diskutiert
wird. So haben die EU-Innenminister auf europäischer Ebene im Juni wichtige
Beschlüsse gefasst, die vergleichbare Standards in Europa zum Ziel haben.
Für Deutschland bedeutet dies, dass Asylbewerber schon nach 9 Monaten
anstatt erst nach 12 Monaten arbeiten dürfen. Dies muss jetzt umgesetzt
werden. Die Frage des Arbeitsverbots sollte man im Lichte der neuen
Entwicklungen betrachten.
Sie meinen den demographischen Wandel?
Ja, er kann den Blickwinkel verändern. Neben der wichtigen humanitären
Frage sollten wir stärker als bisher Potenziale von Menschen in den Blick
nehmen. Das hat man lange vernachlässigt und Flüchtlinge nur als Problem
wahrgenommen.
Wenn wir diese Menschen also brauchen: Ist es da nicht unsinnig, sie in
Flüchtlingsheimen versauern zu lassen oder gar abzuschieben, wie es bis
heute noch immer geschieht?
Wir dürfen nicht alles vermischen. Daniel Cohn-Bendit hat schon in seinem
Buch „Heimat Babylon“ Anfang der Neunziger Jahre deutlich gemacht, dass das
Asylrecht kein Mittel zur Einwanderungspolitik ist. Glücklicherweise haben
wir inzwischen ein immer weiter liberalisiertes Einwanderungsrecht. Das
heißt aber auch, dass der, der als Flüchtling nicht anerkannt wird, sich
dann nicht auf Einwanderungsregeln berufen kann.
Welchen Sinn aber hat zum Beispiel die Residenzpflicht? Ist sie nicht eine
reine Schikane, die Flüchtlinge in ihrer Mobilität einschränkt?
Die Residenzpflicht war dafür gedacht, dass es unter den Bundesländern und
zwischen Städten und ländlichen Regionen zu einem fairen Ausgleich kommt –
damit sich nicht alle Flüchtlinge in den großen Zentren ballen. Die Lage
hat sich aber verändert. Wir hatten Anfang der Neunziger Jahre 350.000
Asylbewerber pro Jahr. Soviel hat heute die gesamte EU. Angesichts unserer
heutigen Zahlen hat die Residenzpflicht an Bedeutung verloren. Sie gilt
auch nur noch in zwei Bundesländern.
Für mich steht eine andere Frage im Vordergrund. Angesichts des
demografischen Wandels dürfte manche Kommune heute froh sein, wenn neue
Menschen zu ihnen kommen. Bei den Spätaussiedlern war das so. Ich habe als
Minister damals den Verteilungsschlüssel in Nordrhein-Westfalen aufgehoben.
Auch die Aussiedler wurden in den Neunzigerjahren oft als Belastung
empfunden. Heute sind viele Kommunen froh, wenn sich eine junge
Spätaussiedler-Familie mit Kindern bei ihnen niederlässt. So sollte sich
der Blick auf Flüchtlinge auch verändern.
Hat sich das das EU-Verfahren, dass dem Land der ersten Ankunft die
Zuständigkeit für die Flüchtlinge nach Europa überlässt, in Ihren Augen
bewährt? Die südlichen EU-Länder wie Griechenland, Italien und Malta sind
damit oft überfordert. Müsste Deutschland nicht mehr Verantwortung
übernehmen?
Es war schon in den Neunzigerjahren die deutsche Position, dass wir
gemeinsame europäische Asylregeln und Verteilungskriterien brauchen. Damals
hat Deutschland einen großen Teil der Bürgerkriegsflüchtlinge vom Balkan
aufgenommen, während nur 5.000 in Großbritannien waren. Angesichts eines
gemeinsamen Visa-Systems und offener Grenzen darf man die Staaten, in denen
die Flüchtlinge zuerst landen, nicht alleine lassen. Deshalb finde ich es
richtig, dass man sich auf europäischer Ebene jetzt unter den
Innenministern auf einheitliche Schutzstandards verständigt hat – und auf
weitere Punkte, wie zum Beispiel das Recht auf Schulbildung im
Aufnahmeland.
Warum lassen wir trotzdem jedes Jahr tausende Menschen, die in Europa ein
besseres Leben suchen wollen, im Mittelmeer ertrinken?
Das ist eine in hohem Maße moralische und humanitäre Frage. Ich denke, die
Worte von Papst Franziskus, der kürzlich auf Lampedusa von der
„Globalisierung der Gleichgültigkeit“ gesprochen hat, sollten uns
wachrütteln. Wenn man sieht, wie der Konflikt in Syrien auf
Gleichgültigkeit stößt und sogar die Spendenbereitschaft für
Flüchtlingshilfe abnimmt, sollten uns die Worte des Papstes ein Weckruf
sein.
Sollte Deutschland mehr Flüchtlinge aufnehmen, etwa aus Syrien?
Ja. Baden-Württemberg hat sich schon dazu bereit erklärt, mehr Flüchtlinge
aus Syrien aufnehmen, und auch im Bundesinnenministerium gibt es Offenheit
in dieser Frage. Ich finde, dass wir eine größere Bereitschaft haben
sollten zu helfen – insbesondere Minderheiten wie den Christen und
Alawiten, die unter besonderem Druck gerade auch der islamistischen
Opposition stehen und zwischen den Fronten marginalisiert werden. Aber
natürlich sollte sich unsere Hilfe nicht auf diese Gruppe beschränken.
8 Aug 2013
## AUTOREN
Daniel Bax
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Armin Laschet
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