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# taz.de -- Asylbewerberheim in Leipzig: Bis die Maden kommen
> Ein Asylbewerber liegt zwei Monate tot in einem Heimzimmer in Leipzig.
> Die Behörden reagieren erst, als Bewohner über Ungeziefer klagen.
Bild: Letzte Station für Hisham Yazbek: Asylbewerberheim in der Torgauer Stra�…
LEIPZIG taz | Die desolaten Zustände in dem Asylbewerberheim in der
Torgauer Straße in Leipzig sind lange bekannt. Der von dem sächsischen
Ausländerbeauftragten Martin Gillo in Auftrag gegebene „Heim-TÜV“ urteilte
bereits 2011: „Die zwei Gebäude sind abgewohnt und unhygienisch. Auf die
sozialen Bedürfnisse der Bewohner wird nicht eingegangen.“ Das Heim solle
sofort geschlossen werden. Passiert ist nichts. Hier ist Hisham Yazbek laut
Angaben der Staatsanwaltschaft schon Anfang Mai an der Überdosis eines
Heroingemischs gestorben.
Erst eineinhalb Monate später, am 13. Juni, wurde seine Leiche gefunden.
Allerdings reagierte die Heimleitung laut Medienberichten erst, als sich
Bewohner des Heims mehrmals über den Gestank und Ungeziefer beschwert
hatten. Mitte letzter Woche ließ die Leipziger Sozialamtsleiterin Martina
Kador-Probst verlauten: „Wir bedauern diesen Todesfall sehr.“ Fast genau
zwei Monate, nachdem Hisham Yazbeks aufgefunden wurde, hat sie gebraucht.
Es war gerade noch rechtzeitig, bevor der MDR über das Schicksal des
34-jährigen Libanesen berichtete.
Elke Herrmann, die migrationspolitische Sprecherin der Landtagsfraktion der
Bündnisgrünen, will nun prüfen lassen, ob das Leipziger Sozialdezernat
seine Aufsichtspflicht verletzt hat. Sie will wissen, „nach welchen
Kriterien die Betreiber von Asylbewerberheimen ausgewählt werden“. Häufig
würden die Kommunen zu dem billigsten Angebot greifen, weil die
Unterstützung durch das Land zu knapp bemessen sei.
Deshalb fordert Herrmann den sächsischen Innenminister Markus Ulbig (CDU)
auf, die Zuweisungen an die Kommunen für die Aufnahme von Asylbewerbern
endlich anzuheben. Das Land Sachsen gibt für Verwaltung, Betreuung (auch
medizinische) und Unterbringung von Asylbewerbern 13 Euro pro Kopf und Tag
aus.
## Zwei Sozialarbeiterstellen für 300 Asylbewerber
Die Leitung der Flüchtlingsunterkunft in Leipzig hat die Sicherheitsfirma
A&S Laval GmbH übernommen. Der Sprecher von ProAsyl, Bernd Mesovic,
bezweifelt, dass bei privaten Sicherheitsdiensten die nötigen
Qualifikationen vorhanden sind. „Schutz kann nicht heißen, dass ein
Wachdienst regelmäßig an die Zimmertür klopft“, meint Mesovic. Flüchtlinge
brauchten vor allem professionelle Unterstützung, „um mit den miserablen
Bedingungen, in die sie hier gezwungen werden, klarzukommen.“
Für derzeit 300 Asylbewerber in der Torgauer Straße werden aktuell zwei
Sozialarbeiterstellen bezahlt; Träger ist der Verein für interkulturelle
Arbeit RAA Leipzig e. V. „Die Grenzen unserer Arbeit sind hier sehr schnell
erreicht“, erklärt RAA-Geschäftsführerin Brigitte Moritz. Künftig sollen …
dem Heim 100 weitere Flüchtlinge untergebracht werden, weiß Moritz. Sie
kannte den Verstorbenen schon lange, ebenso waren seine „massiven
Drogenprobleme“ bekannt.
Doch nicht alles liegt am Geld, glaubt der sächsische Ausländerbeauftragte
Martin Gillo. Der Tod sei letztlich die „bedauerliche Konsequenzen einer
Zermürbungsstrategie“. Das Asylverfahren biete den Flüchtlingen kaum
Perspektiven, sie seien auf Dauer zum Nichtstun verdammt. Deshalb sei es
„nachzuvollziehen, dass sich jemand in Alkohol oder Drogen stürzt“. Gemeint
ist das Asylverfahren in Deutschland, das Menschen über Jahre in
Unsicherheit hält.
Hisham Yazbek wurde 1978 in Berlin geboren. Zwischenzeitlich ging er mit
seiner Familie nach Libanon. 2001 kam er nach Deutschland zurück um
Deutscher zu werden. Über seinen Asylantrag wurde zwölf Jahre lang nicht
entschieden. Nun ist er tot.
19 Aug 2013
## AUTOREN
Jennifer Stange
## TAGS
Asyl
Asylsuchende
Leipzig
Leipzig
Berlin-Hellersdorf
Armin Laschet
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