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# taz.de -- Volksentscheid Netzrückkauf: Im Netz des Strommultis
> Nach dem Volksentscheid über den Netzrückkauf ist vor der
> Konzessions-Vergabe: Wie Vattenfall eine Abstimmungsniederlage in einen
> Sieg ummünzen will.
Bild: Ist lieber Partner von Vattenfall als Konkurrent: Olaf Scholz (SPD).
Der Endspurt hat begonnen: Sechs Wochen vor dem Volksentscheid über den
vollständigen Rückkauf der Versorgungsnetze für Strom, Fernwärme und Gas
durch die Stadt rühren beide Seiten – Senat und Vattenfall auf der einen –
und die Initiative „Unser Hamburg – unser Netz“ auf der anderen Seite
kräftig die Werbetrommel, kämpfen mit den Kandidaten für die Bundestagswahl
um die letzten Plakatflächen in der Stadt. Der Ausgang des Volksentscheids
gilt als völlig offen.
Noch gilt der Vertrag zwischen Vattenfall, E.on und Hamburg, nachdem sich
die Stadt für einen Gesamtpreis von 544 Millionen Euro zu 25,1 Prozent an
den Netzen beteiligt. Doch hinter verschlossenen Türen wird nach
taz-Informationen im Hause Vattenfall längst über Plan B gebrütet: Das
Handlungskonzept, wenn der Volksentscheid verloren geht. Intern entschieden
ist noch nichts und alles ist vor allem eins: Top secret.
Denn ein verlorener Volksentscheid und der Rückkauf der Netze durch die
Stadt bedeutet längst nicht, dass Vattenfall die Konzession für das
Betreiben des Strom- und Fernwärmenetz los wäre: Im Gegenteil, Vattenfall
könnte die Stadt als unliebsamen Partner los sein und die Volksabstimmung
wäre faktisch schon bald Makulatur.
2014 muss die Konzession für den Betrieb der Netze neu ausgeschrieben
werden. In den Vattenfall-Zentralen wird derzeit offensiv darüber
nachgedacht, im Falle einer Abstimmungs-Niederlage mit der Stadt in
Bieter-Konkurrenz zu treten. Unternehmensintern wird die
Wahrscheinlichkeit, die Ausschreibung dann auch zu gewinnen, nach
taz-Informationen auf 95 Prozent geschätzt. Der Stadt würde dann das Netz
zwar gehören, Vattenfall aber könnte darüber verfügen.
Das sieht der Fraktionschef der Hamburger Grünen, Jens Kerstan anders. Er
glaubt eher, dass die von Bürgermeister Olaf Scholz eingetütete
Minderheitsbeteiligung der Stadt an einer gemeinsamen Gesellschaft mit
Vattenfall rechtliche Risiken bürgt: „Da drängt sich der Eindruck auf, als
wolle die Stadt dem Privaten, mit dem sie sich geschäftlich verquickt hat,
die Konzession zuschustern“.
Die Vattenfall-Strategie bei einer Volksabstimmungs-Niederlage sich die
Konzession erneut einzuverleiben, hält Kerstan nur für geschickt platzierte
Drohgebärden. Der Konzern habe „allen Grund zur Sorge, ob er sich in einem
fairen Verfahren gegen ein städtisches Unternehmen durchsetzen kann“. Doch
ausschließen, dass Vattenfall mitpokert und auch gewinnt, kann auch der
Fraktionschef der Grünen nicht.
Fest steht: Sollte der Volksentscheid zur Rekommunalisierung der
Energienetze am 22. September erfolgreich sein, wären die
Energiewendeverträge, die der SPD-Senat Ende 2011 mit Vattenfall und E.on
Hanse abgeschlossen hatte, augenblicklich gegenstandslos.
Das gilt auch für das geplante „Innovationskraftwerk“ in Wedel. Dieses soll
das dortige, fast 50 Jahre alte Heizkraftwerk ablösen und, so heißt es im
Vertrag zwischen Stadt und Vattenfall die „bisher vorgesehene(n)
Wärmeauskopplung aus Moorburg durch ein innovatives KW-Konzept zu ersetzen
(...) bestehend aus einem neu zu bauenden hocheffizienten Gas- und
Dampf-Kombikraftwerk mit Wärmespeicher“.
Doch schon in dem Vertrag zwischen Vattenfall und Hamburg ist der Wedeler
Kraftwerksneubau nicht rechtsverbindlich festgeschrieben, sondern nur
„beabsichtigt“. Hauke Wagner, bei Vattenfall als Projektmanager zuständig
für das Energiekonzept Hamburg erklärt, der Neubau in Wedel sei „unsere
bevorzugte Lösung“ und schließt damit eine andere Variante bewusst nicht
aus.
Die Alternative lautet: Die einst geplante, dann aber zugunsten von Wedel
zurückgestellte Fernwärmeauskoppelung von 650 Megawatt aus dem sich im Bau
befindlichen Kohlekraftwerk Moorburg wird doch noch realisiert.
Damit würde auch ein längst begraben geglaubtes Gespenst zu neuem Leben
erweckt: Die Moorburgtrasse. Die umstrittene Fernwärmeleitung vom
Kohlekraftwerk Moorburg unter der Elbe hindurch und quer durch Altona wäre
wieder im Spiel. Diese war Anfang 2012 am Widerstand von Altonaer Anwohnern
zunächst gescheitert und spielt im Vertrag zwischen Vattenfall und der
Stadt keine Rolle mehr.
Doch Vattenfall kann darauf verweisen, Lieferverträge mit 180.000
Haushalten in Hamburgs Westen erfüllen zu müssen. Dazu passt: Das
Planfeststellungsverfahren für die Trasse wird noch immer betrieben. Die
„Initiative Moorburgtrasse stoppen“ vermutet, dass das Verfahren „aus
politischen und taktischen Gründen über den 22. September 2013“ – den Tag
des Volksentscheids – „verschleppt wird“.
Kerstan hingegen glaubt an eine „Drohkulisse“. Bei einem Sieg der
Volksinitiative „drückt Vattenfall als Strafe die 300 Millionen Euro Kosten
für die Trasse den Hamburger Fernwärmekunden auf, oder die Heizung bleibt
kalt“, laute das Szenario des Energieversorgers: Das aber, so Kerstan, sei
„üble Erpressung“.
11 Aug 2013
## AUTOREN
Marco Carini
Sven-Michael Veit
## TAGS
Hamburg
Olaf Scholz
Volksentscheid
Vattenfall
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Vattenfall
Schwerpunkt Atomkraft
Energie
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