# taz.de -- Volksentscheid über Strom: 15 Sekunden auf der Straße | |
> Heute werden die Unterlagen für die Abstimmung über Hamburgs Energienetze | |
> verschickt. Die Initiative „Unser Hamburg – Unser Netz“ schult ihre | |
> Helfer. | |
Bild: Wem sollen die Netze gehören? | |
Im Kampagnenbüro von „Unser Hamburg – Unser Netz“ steht eine große | |
Wandkarte der Hansestadt. Fein säuberlich ist hier entlang der | |
Stadtteilgrenzen mit gelbem Textmarker markiert, wo die Initiative | |
ehrenamtliche Unterstützer im Einsatz hat. Nur noch wenige weiße Inseln | |
sind verblieben, fast überall in Hamburg sind Männer und Frauen unterwegs, | |
um für den Rückkauf der Strom-, Gas- und Fernwärmenetze zu kämpfen. | |
Hier in der Zentrale der Initiative in St. Georg haben viele von ihnen ihre | |
Grundausbildung erhalten. Alle zwei Wochen zeigt Wiebke Hansen den | |
freiwilligen HelferInnen, wie sie auf der Straße für den Netzrückkauf | |
werben können. Sechs Seminare hat die 34-jährige Kampagnenleiterin bereits | |
durchgeführt und rund 120 Ehrenamtliche in Gesprächsführung und | |
Argumentation geschult. „Die Teilnehmer gehen sehr motiviert aus den | |
Seminaren“, sagt Hansen. | |
## Motivierte Teilnehmer | |
Heute sind es sieben Frauen und ein Mann, die sich auf ihren Einsatz | |
vorbereiten wollen. Hansen ist bereits seit drei Jahren für die Initiative | |
aktiv. Am 22. September wird sich entscheiden, ob sich die Arbeit gelohnt | |
hat. Sie ist zuversichtlich, dass die BürgerInnen sich für den Netzrückkauf | |
entscheiden werden. „Schließlich hat man uns ja mit dem Volksbegehren den | |
Auftrag für den Volksentscheid erteilt“, sagt sie. Das beansprucht jedoch | |
auch die Gegenseite für sich. „Die Bürger haben mit ihrer Wahlentscheidung | |
auch für unsere Netzpolitik gestimmt“, sagte Bürgermeister Olaf Scholz am | |
Freitag zum Auftakt der SPD-Gegenkampagne. | |
Die Seminarteilnehmer beschäftigt der politische Gegner nicht. Heute sollen | |
sie lernen, wie sie Menschen auf der Straße richtig ansprechen und | |
überzeugen können. „Euer Gegenüber schenkt euch eine Aufmerksamkeitsspanne | |
von 15 bis 30 Sekunden“, sagt Hansen. Der ideale Gesprächsverlauf ist | |
schnell erklärt. Was jedoch zunächst einfach klingt, ist in der Praxis oft | |
gar nicht so leicht. „Was mache ich, wenn ich eine Frage nicht beantworten | |
kann?“, fragt eine Teilnehmerin. „Das ist überhaupt nicht schlimm“, | |
entgegnet Hansen. „Ihr könnt nicht alles über Netzpolitik wissen.“ Am | |
besten sei es dann auf die Initiative zu verweisen und zu erklären, was die | |
eigene Motivation ist. „Ich bin zum Beispiel dabei, weil ich selbst | |
mitgestalten und mitentscheiden möchte“, sagt Hansen. | |
Ganz ohne Faktenwissen sollen die neuen HelferInnen jedoch nicht an die | |
HamburgerInnen herantreten. Deshalb gibt es zum Abschluss der Veranstaltung | |
einen Crashkurs in Sachen Netzpolitik. Es geht darum, einfache Botschaften | |
zu vermitteln, die von den BürgerInnen verstanden werden. Nach dem gleichen | |
Schema verfährt auch die SPD. „Nicht mit meinem Geld“, heißt es auf ihren | |
Plakaten, die vor einem Kaufpreis von zwei Milliarden Euro warnen . | |
## Hoch kalkulierte Angstzahl | |
„Eine viel zu hoch kalkulierte Angstzahl“ ist das aus Sicht der Initiative. | |
„Ganz wichtig ist, dass der Besitz der Netze ordentlich Geld einbringt. | |
Darüber redet niemand, das müsst ihr weitergeben“, schärft Hansen den | |
TeilnehmerInnen ein. „Mit dem Gewinn kann der Kredit für den Kauf abbezahlt | |
werden. Der Haushalt wird dabei nicht belastet, da die Energieunternehmen | |
seit Jahren hohe Profite erwirtschaften“. | |
Nach 25 Jahren sollen die Einnahmen dann vollständig in die Kassen der | |
Stadt fließen und nicht die privaten Unternehmen Vattenfall und Eon | |
bereichern. „Wenn ein Mietshaus verkauft wird, für welchen Käufer würdet | |
ihr euch entscheiden? Den Miethai oder die Mietergemeinschaft?“, fragt | |
Wiebke Hansen. Dieses Prinzip gelte dann auch für Strom- und | |
Fernwärmenetze. „Viele Menschen sind von der Fernwärme so abhängig wie vom | |
Wasserzugang. So etwas darf nicht in privater Hand sein.“ | |
Am Ende des Abends kann Hansen einen weiteren Stadtteil auf der Karte mit | |
neongelber Farbe markieren. Für sie beginnt jetzt die heiße Phase: Am | |
heutigen Montag verschickt das Landeswahlamt die Abstimmungunterlagen an | |
alle Wahlberechtigten. Sieben Wochen lang, bis zum Volksentscheid am 22. | |
September, wird jetzt auf der Straße argumentiert. | |
4 Aug 2013 | |
## AUTOREN | |
Dominik Brück | |
## TAGS | |
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