# taz.de -- Entlang der Keystone-XL-Pipeline: Der CO2-Fänger | |
> Zu viel Kohlendioxid? Das lässt sich mit CCS einfangen und unterirdisch | |
> speichern, meint der Geologe Colin Shaw. Den richtigen Ort will er auch | |
> schon haben. | |
Bild: Am meisten CO2 produzieren Kohlekraftwerke. Die Abscheidung des Treibhaus… | |
BOZEMAN taz | Geologe Colin Shaw ist ein CO2-Fänger. Er lebt in Montana – | |
auf halber Strecke zwischen den Ölfeldern von Alberta und den Ölfeldern in | |
Nord Dakota. Er arbeitet daran, das Treibhausgas Kohlendioxid, das bei der | |
Energiegewinnung aus fossilen Brennstoffen freigesetzt wird, einzufangen | |
und unterirdisch zu lagern: Damit es nicht in die Atmosphäre gelangt und | |
damit es nicht zur Klimaerhitzung beiträgt. | |
Als Lagerplatz soll ein Gesteinsmassiv im Norden des Bundesstaates Montana | |
dienen. In der Tiefe unter dem Kevin Dome lagert seit mehr als 50 Millionen | |
Jahren Kohlendioxid. Ursprünglich ist das Gas bei unterirdische | |
Magma-Flüsse in den Felsen geraten. Und weil der Kevin Dome das Gas nie | |
freigegeben hat, glauben die Forscher, dass er auch industriell erzeugtes | |
CO2 aufnehmen und langfristig aufbewahren könnte. | |
In Laborversuchen an der Montana State University in Bozeman testet das | |
Team von Shaw die Interaktion zwischen CO2 und dem Gestein. Im nächsten | |
Schritt wollen sie CO2 in die Tiefe des Massivs injizieren und vor Ort | |
beobachten, wie es sich verhält. | |
## Platz für 500 Jahre CO2-Produktion | |
Der Kevin Dome ist nicht das einzige Gestein in den USA, das als geeignet | |
für die Carbon Capture and Storage-Technik (CCS) gilt. Eine kürzlich | |
veröffentlichte Studie der US-amerikanischen Wissenschaftsorganisation | |
Geological Survey listet 36 technisch zugängliche und stabile Becken auf, | |
in denen das Treibhausgas eingelagert werden könnte. Geological Survey | |
schätzt, dass in den 36 Reservoiren ingesamt Platz für rund 3.000 | |
Gigatonnen CO2 wäre. Das entspricht der 500fachen Menge des im Jahr 2011 in | |
den USA bei der Energieherstellung erzeugten Kohlendioxids. | |
Die Methode ist umstritten. Skeptiker sprechen von Science Fiction und von | |
einer PR-Aktion der Mineral-Öl-Branche. Sie kritisieren auch, dass CCS zu | |
noch mehr Ölförderung und -Konsum ermuntern könnte. Colin Shaw nennt die | |
Technologie „machbar“. Schon in fünf Jahren wäre es nach seiner | |
Einschätzung möglich, mithilfe von CCS große Mengen Kohlendioxid | |
einzufangen und zu lagern. | |
## Die Welt der Klimawandel-Leugner | |
Das Hauptproblem ist seiner Ansicht nach politisch: Nach jahrelanger | |
Propaganda der Industrie ist ein großer Teil der US-Bevölkerung heute der | |
Ansicht, dass die Klimaveränderung durch menschliche Aktivität ein Gerücht | |
ist. Auch im Kongress in Washington wimmelt es von Klimawandel-Leugnern. Am | |
Votum dieser Politiker sind bislang sämtliche Versuche gescheitert, | |
CO2-Abgaben in den USA zu besteuern und CO2-Obergrenzen und CO2-Handel | |
einzuführen. | |
Während die USA, die weltweit nach China und vor der EU der zweitgrößte | |
CO2-Verschmutzer ist, das Klima als Glaubensfrage debattiert, klettern die | |
globalen CO2-Emissionen in bedrohliche Höhen. Allein im Jahr 2012 stieg die | |
Menge des weltweit nur bei der Energiegewinnung erzeugten CO2 um 1,4 | |
Prozent auf 35,6 Milliarden Tonnen. | |
Um eine Klimaerhitzung von mehr als zwei Grad Celsius zu verhindern, ab der | |
nach Ansicht von Klimawissenschaftlern Kipppunkte erreicht werden, die | |
unumkehrbare und in ihren Konsequenzen kaum einschätzbare Folgen nach sich | |
zögen, dürfen diese CO2-Emissionen nach Einschätzung der Internationalen | |
Energie Agentur im Jahr 2020 nicht über 44 Milliarden Tonnen hinausgehen. | |
Doch die Projektionen zeichnen ein düsteres Bild: Danach wird diese | |
kritische Grenze um mindestens vier Milliarden Tonnen überschritten. | |
## CCS macht aus dreckiger Kohle angeblich saubere Energie | |
Andere Ländern nutzen die CCS-Technik bereits industriell. In Norwegen etwa | |
sammelt die Industrie Kohlendioxid, das sie bei der Ölförderung erzeugt, | |
und lagert es selbst ein. Damit vermeidet sie Straf-Steuern für | |
CO2-Emissionen. Als wichtigstes Anwendungsfeld für CCS gelten aber | |
Kohlekraftwerke, die deutlich mehr CO2 produzieren als andere Kraftwerke. | |
Und mit Kohle wird weiterhin mehr als ein Drittel der Elektrizität der USA | |
hergestellt. Da Kohlekraftwerke zugleich große zentrale Industrieanlagen | |
sind, ist dort das Einsammeln des Treibhausgases relativ einfach und | |
kostengünstig. | |
Absolventen der Montana State University, an der Shaw forscht, finden | |
traditionell in der Ölindustrie gut bezahlte Jobs. Falls die CCS-Technik | |
sich durchsetzt, würden sich ihnen weitere Perspektiven eröffnen. | |
Profitieren würde aber auch die Öl-Industrie selbst – nicht nur, weil CCS | |
auch diesen fossilen Träger zu einem scheinbar saubereren | |
Energielieferanten machen würde. Sie hat auch Erfahrung mit tiefen | |
Bohrungen und kennt die geologische Beschaffenheit des Untergrunds, aus dem | |
sie in den vergangenen Jahrzehnten Öl gefördert hat. Deshalb erscheint sie | |
prädestiniert, auch das Geschäft mit der Einlagerung von CO2 zu machen. | |
Der Geologe Colin Shaw sieht in der CCS-Technik kein Allzweckmittel, | |
sondern lediglich eine von vielen Maßnahmen, die gemeinsam die weitere | |
Klimaerhitzung aufhalten sollen. Dazu gehören seiner Meinung nach auch | |
Energiesparen, Wind- und Solarenergie – sowie neue Atomkraftwerke. | |
17 Aug 2013 | |
## AUTOREN | |
Dorothea Hahn | |
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