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# taz.de -- Entlang der Keystone-XL-Pipeline: Aus Teersand wurde Ölsand
> Im Shell-Museum in Alberta wird die wunderbare Welt der Ölgewinnung
> demonstriert. Dass der Abbau von Teersand extrem umweltschädlich ist,
> weiß dort keiner.
Bild: Versaute Landschaft: Ölsand-Abbau in der Nähe von Fort McMurray.
REDWATER taz | Es sieht aus wie Teer. Es fühlt sich so an. Es riecht so.
Und es hat seit Menschengedenken auch so geheißen: „Teersand“. Die
Ureinwohner der Region haben es benutzt, um ihre Boote wasserdicht zu
machen. Und eines der vielen stechenden oder beißenden Insekten, die in dem
Feuchtgebiet im Norden der kanadischen Provinz Alberta herumfliegen, trägt
es im Namen: „Tarsand Beetle“.
Aber seit im Norden von Alberta auf einem Gebiet in der Größe Floridas Öl
abgebaut wird und täglich weitere Teile des Waldes, der Tiere und der
Feuchtgebiete verschwinden, darf der Teersand nicht mehr Teersand heißen.
„Ölsande“ heißt das Zeug jetzt im offiziellen Sprachgebrauch. Wer heute in
Alberta von „Teersanden“ spricht, ist Kritiker.
„Oil Sands Discovery Centre“ heißt das Museum am Ortsrand von Fort
McMurray, das für sieben Dollar Eintritt eine Propagandaschau bietet. Unter
einem Firmenlogo von Shell schaufeln Kinder Sand in Spielzeuglaster. Für
Erwachsene demonstriert ein junger Mann mit kunstvoll hochgeföhntem Haar,
wie einfach und sauber es ist, Öl von den restlichen Bestandteilen des
Bitumen zu trennen.
Auf seinem kleinen Tisch auf Rädern stehen ein Wasserkocher und mehrere
Messbecher. Das Publikum darf alles anfassen und schütteln. Und es erfährt,
dass am Ende – wenn die mit den bisherigen Methoden förderbaren 1.700
Milliarden Barrel Öl aus dem Boden Alabertas geholt sein werden – der
gerodete Wald wieder wachsen, die Tiere zurückkommen und die giftigen
Abwasserteiche wieder nutzbar gemacht werden. Das Stichwort „Klima“ fällt
nicht. Zu dem Treibhausgas Kohlendioxid kann der junge Mann nichts sagen,
weil er „kein Naturwissenschaftler“ ist.
Die Besucher erfahren nicht, dass bei der Ölgewinnung aus Teersanden über
20 Prozent mehr Kohlendioxid freigesetzt wird als bei der Förderung
konventionellen Öls. Kohlendioxid ist eines der Gase, die die globale
Erderwärmung verursachen.
## „Für ein besseres Alberta“
Hinter dem Museum beginnt der Highway 63, der einzige ganzjährig befahrbare
Weg, der das Ölgebiet mit dem Rest des Kontinents verbindet. Es ist eine
der zehn gefährlichsten Straßen Kanadas. Demnächst wird der Highway
komplett vierspurig sein. Fürs Erste informiert die Provinz auf großen
Schildern, dass sie baut: „Für ein besseres Alberta“. Daneben brettern Lkws
mit 110 Stundenkilometern vorbei. In Kanada sitzen Lkw-Fahrer bis zu 13
Stunden am Stück hinterm Steuer.
Die ersten 200 Kilometer von Fort McMurray aus in den Süden sind
schnurgerade. Kein Ort. Nicht mal eine Tankstelle. Einzige Abwechslung ist
alle paar Dutzend Kilometer ein Klohäuschen. An den Wänden stehen
aggressive Graffiti. „Wenn du nicht auf dem Highway fahren kannst, benutz
Waldwege“, und: „Newfies go home“. Damit sind die Neufundländer aus dem
krisengeschüttelten Nordosten Kanadas gemeint, von denen viele in die
Teersande gekommen sind.
Urplötzlich wird die Landschaft lieblicher, zwischen den Wäldern tauchen
bebaute Felder auf. Gelb-grün leuchtet der Raps. Dazwischen sattgrüner
Weizen. Kein Mais. Dafür ist es zu kalt. Wenn der Raps in Alberta im
September geerntet wird, laufen die Heizungen wieder. Vor der Ankunft in
dem Ort Redwater liegen mehrere „Pipeline Crossings“. Straßenschilder
weisen auf die ansonsten unsichtbaren Kreuzungen zwischen Asphalt und
Pipeline hin. Der Boden unter Alberta, wo seit den 20er Jahren des
vergangenen Jahrhunderts in konventionellen Verfahren Gas und Öl abgebaut
wird, ist ein Spinnennetz von Pipelines. „Wild Rose Country“, steht auf dem
Autokennzeichen von Alberta.
Der rosa-metallicfarbene Kleinwagen zieht Schaulustige an. Sie steigen aus
Geländewagen aus, die fast doppelt so hoch sind wie der Kleinwagen. Und
über denen rote Wimpel flattern, damit Lkw-Fahrer aus ihren hoch gelegenen
Führerhäuschen sehen, dass vor ihnen auch noch jemand fährt. Im Cactus Cafe
sagt die Kellnerin: „Wenn Sie einen Job suchen, sind Sie in Alberta
richtig. Wer hier keine Arbeit findet, ist einfach nur faul.“
## 75 Kilometer für ein Frühstück
„Klar gibt es Schöneres als die Ölförderung“, sagt ein Mann, der 75
Kilometer zu dem nächstgelegenen Café gefahren ist, um Speck, Spiegeleier
und Sauerteigbrot zu essen. „Aber wir wollen doch alle ein Auto, und heizen
müssen wir auch.“ Er trägt den Ganzkörperanzug der Ölarbeiter. Mit zwei zu
einem „X“ gekreuzten reflektierenden Streifen auf dem Rücken. Von Haus aus
ist er Farmer.
Neuerdings hat er sich auf Flussunterquerungen von Pipelines spezialisiert.
Bei dem Pipelineunternehmen geht er demnächst in Rente. Anschließend widmet
er sich wieder ganz seiner Farm. Auch da dreht sich alles ums Öl. Er baut
Raps an. Das meiste davon wird Biosprit. Davon geht viel nach Europa.
12 Aug 2013
## AUTOREN
Dorothea Hahn
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