# taz.de -- Personenstandsgesetz geändert: Junge? Mädchen? Keins von beidem? | |
> Intersexualität wird im geänderten Personenstandsgesetz nun auch | |
> berücksichtigt. Die Angabe im Geburtsregister kann künftig offen bleiben. | |
Bild: Jungen? Mädchen? Ist das denn so wichtig? | |
FREIBURG taz | Ab dem 1. November gibt es in Deutschland ein noch nicht | |
benanntes drittes Geschlecht, neben Männern und Frauen. Das ist die Folge | |
einer Änderung des Personenstandsgesetzes, auf das jetzt die Süddeutsche | |
Zeitung aufmerksam machte. Bei Kindern mit uneindeutigen Geschlechtsorganen | |
muss ins Geburtenregister künftig kein Geschlecht mehr eingetragen werden. | |
Bereits Ende Januar beschloss der Bundestag eine Änderung des | |
Personenstandsgesetzes. Neben vielen anderen Änderungen ist es künftig | |
möglich, dass „Sternenkinder“, die mit einem Gewicht von weniger als 500 | |
Gramm tot geboren werden, rechtlich nicht mehr als Fehlgeburt gelten, | |
sondern als „Kinder“ registriert werden. | |
Erst im Rahmen der Ausschussberatungen – und daher von der Öffentlichkeit | |
kaum bemerkt – wurde in das Gesetz die Regelung für intersexuelle Kinder | |
eingeführt: „Kann das Kind weder dem weiblichen noch dem männlichen | |
Geschlecht zugeordnet werden, so ist der Personenstandsfall ohne eine | |
solche Angabe in das Geburtenregister einzutragen.“ (Paragraf 22). | |
Aufgegriffen wurde damit eine Anregung des Deutschen Ethikrats, der 2012 | |
mehr Rücksicht auf intersexuelle Menschen gefordert hatte. Schätzungen | |
zufolge leben in Deutschland 85.000 bis 100.000 Menschen mit nicht | |
eindeutiger Geschlechtszugehörigkeit. | |
## Eine „Minimallösung“ | |
Lucie Veith, Vorsitzende des Verbands Intersexuelle Menschen e.V, sprach | |
von einem Schritt in die richtige Richtung. Beate Rudolph, die Direktorin | |
des Deutschen Instituts für Menschenrechte, sieht darin eine | |
„Minimallösung“. Skeptiker sprachen jedoch von einer Pflicht zum | |
„Zwangsouting“ für intersexuelle Kinder. | |
Da in vielen Gesetzen von „Männern“ und „Frauen“ die Rede ist, etwa im | |
Eherecht, sind noch viele Änderungen erforderlich, um Intersexuelle | |
angemessen zu berücksichtigen. Vermutlich wird sich der Bundestag in der | |
nächsten Wahlperiode noch einmal gründlich mit der Frage beschäftigen. | |
Auch im Verband der intersexuellen Menschen besteht noch kein Konsens, wie | |
Lucie Veith im Ethikrat erläuterte. Eine Fraktion will die durchgängige | |
Anerkennung als drittes Geschlecht, einer andere Fraktion ist das | |
Personenstandsrecht egal, weil es nur um Formalien gehe. Die dritte Gruppe, | |
zu der sich Veith zählt, will es den Betroffenen überlassen, sich selbst zu | |
verorten. Zunächst sollen die Eltern einen Namen auswählen dürfen und das | |
Kind entsprechend erziehen, später soll sich der intersexuelle Mensch auch | |
anders entscheiden können. | |
Veiths wichtigste Forderung aber ist: Kinder sollen nicht mehr operiert | |
werden, um ihnen ein Geschlecht zuzuordnen. „Niemandem darf ohne Not ein | |
gesundes Organ entfernt werden, nur damit Eltern zufrieden sind.“ | |
16 Aug 2013 | |
## AUTOREN | |
Christian Rath | |
## TAGS | |
Intersexualität | |
Geschlechter | |
USA | |
Bangladesch | |
Intersexualität | |
Intersexualität | |
Justizskandal | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Intersexuelle Kinder in den USA: Abwarten, nicht operieren | |
Nicht Junge, nicht Mädchen, also operieren? In den USA raten immer mehr | |
Expert_innen von einer übereilten Behandlung intersexueller Kinder ab. | |
Drittes Geschlecht in Bangladesch: Männer, Frauen und Hijras | |
Bangladesch hat offiziell ein drittes Geschlecht annerkannt. Das neue | |
Gesetz betrifft etwa 10.000 Menschen in dem südasiatischen Staat. | |
Kommentar Rechte für Intersexuelle: Verstümmelung bleibt erlaubt | |
Männlich oder weiblich? Intersexuelle dürfen das in der Geburtsurkunde | |
offen lassen. Das ist ein guter Ansatz, aber kein Schutz vor | |
Genitalangleichung. | |
Gesetzesänderung bei Intersexualität: Ein X ist möglich | |
Wenn das Geschlecht des Neugeborenen nicht eindeutig ist, müssen Eltern | |
künftig nicht mehr entscheiden. Das geht Betroffenen nicht weit genug. | |
Transsexuelle Identität: Sandra auf der Flucht | |
Vier Jahre Haft wegen Einbrüchen – obwohl sie transsexuell ist, kam Sandra | |
O. in den Männerknast. Nun wird nach ihr gefahndet. | |
Umgang mit Intersexualität: Aus der Haut gefahren | |
In Deutschland leben mehr als zehntausend Menschen, die intersexuell sind. | |
Viele von ihnen werden zwangstranssexualisiert – so wie Lucie Veith. |