# taz.de -- Saudischer König gegen Muslimbrüder: Das Golfimperium schlägt zu… | |
> Die Herrscher Saudi-Arabiens und ihre Verbündeten haben sich hinter den | |
> ägyptischen General al-Sisi gestellt. Sie wollen eine Demokratisierung | |
> verhindern. | |
Bild: König Abdallah von Saudi-Arabien | |
ISTANBUL taz | Menschenrechtler schlagen angesichts Hunderter von Toten und | |
Massenverhaftungen in Ägypten Alarm, der Westen mahnt, die USA und die | |
Türkei sagen geplante Militärübungen ab. Und was tut Saudi-Arabien, das | |
einzige Land, das vielleicht noch mäßigend auf General Abdalfatah al-Sisi | |
einwirken könnte? Riad stellt dem Putschisten einen Blankoscheck aus. | |
Saudi-Arabien stehe im Kampf gegen Terrorismus und Aufruhr hinter seinen | |
ägyptischen Brüdern, sagte der saudische König Abdallah am Freitag. | |
Gleichzeitig forderte er alle Araber auf, gegen äußere Einmischung und | |
Destabilisierungsversuche „wie ein Mann“ zusammenzustehen. Die Vereinigten | |
Arabischen Emirate (VAE), Bahrain und Jordanien stellten sich voll hinter | |
Riad. Nur Kuwait zeigte sich über das Ausmaß der Gewalt besorgt und | |
forderte von beiden Seiten Zurückhaltung. | |
Dass die Saudis die Muslimbrüder faktisch zu Terroristen erklären, ist ein | |
Schlag ins Gesicht all jener, die sich um eine Vermittlung in dem Konflikt | |
bemühten. Die Haltung der Saudis, VAE und Bahrains bringe Amerika und | |
Großbritannien in eine extrem schwierige Lage, sagt Christopher Davidson | |
von der britischen Durham University. „Wegen seiner Dominanz in der | |
weltweiten Energieversorgung glaubt Saudi-Arabien immer noch, es befinde | |
sich in einer Position der Stärke, und dass der Westen am Ende die | |
saudische Regionalpolitik akzeptieren muss.“ | |
Sympathien für die Revolutionäre in Nordafrika und der arabischen Welt | |
hatte Saudi-Arabien noch nie. Als der amerikanische Präsident Barack Obama | |
2011 den ägyptischen Despoten Husni Mubarak fallen ließ, schäumten die | |
Saudis. Mubarak war jahrzehntelang ihr wichtigster Verbündeter im Kampf | |
gegen die Muslimbrüder. Mit Argwohn hat das Herrscherhaus seitdem den | |
Aufstieg der Islamisten am Nil beobachtet. Denn deren Erfolge an den | |
Wahlurnen bedrohen die Grundpfeiler ihrer Herrschaft. | |
Die Al Saud beziehen ihre Legitimität vor allem aus ihrer Stellung als | |
Hüter der heiligen Stätten Mekka und Medina sowie daraus, dass sie | |
konsequent die Scharia umsetzen. Dies basiert auf einem Pakt mit den | |
Wahhabiten, einer extrem konservativen Interpretation des sunnitischen | |
Islam. Das unterminieren die Muslimbrüder, indem sie mit ihrer | |
Interpretation des Islam eine Alternative aufzeigen. | |
## Türkei unterstützt Muslimbrüder | |
In gewisser Weise ist es eine Ironie der Geschichte, denn Saudi-Arabien | |
hatte Tausenden von Islamisten in den 50er und 60er Jahren Zuflucht | |
gewährt, als sie von den säkularen Machthabern in Ägypten und in anderen | |
arabischen Ländern erbarmungslos verfolgt wurden. Die Herrscher förderten | |
lange Zeit sogar das weltweite Netzwerk der Bruderschaft. Das änderte sich | |
in den 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts, als sie es wagten, den | |
saudischen König wegen seiner Kooperation mit den USA zu kritisieren, und | |
Extremistengruppen entstanden. | |
Der Arabische Frühling hat auch den Muslimbrüdern am Golf und in Jordanien | |
neuen Auftrieb gegeben. Deshalb führe Saudi-Arabien jetzt die | |
Konterrevolution an, sagt Kirk Sowell, Experte für politische | |
Risikoanalysen im jordanischen Amman. Die Saudis seien extrem besorgt um | |
die Stabilität von Jordanien, wo die Bruderschaft ebenfalls stark ist und | |
das durch den Krieg im Nachbarland Syrien zusätzlich destabilisiert wird. | |
Mehrere tausend Muslimbrüder demonstrierten am Freitag in Amman gegen den | |
blutigen Militär- und Polizeieinsatz in Ägypten. Gleichzeitig kämpft das | |
Königshaus mit der Versorgung von mehr als einer halben Million syrischer | |
Flüchtlinge. | |
„Saudi-Arabien braucht Jordanien als Landbrücke für die Waffenlieferungen | |
an die syrischen Rebellen“, sagt Sowell. „Dabei wird Jordanien angesichts | |
der sich verschlechternden Beziehungen mit der Türkei immer wichtiger.“ | |
Zum Unmut der Saudis unterstützt die Türkei – wie auch der Golfstaat Katar | |
– in Syrien wie in Ägypten die Muslimbrüder. Der Türkei und Katar weist | |
Riad mit seiner bedingungslosen Unterstützung für al-Sisi jetzt die | |
Schranken ihrer Außenpolitik auf. Für den Konflikt in Syrien, aber auch den | |
in Ägypten könnte das fatale Folgen haben. | |
## Riad schenkt al-Sisi Milliarden | |
Die syrische Opposition erklärte am Samstag, sie werde ihr Hauptquartier | |
von Kairo in die Türkei verlegen. Zwar war Istanbul schon bisher die | |
wichtigste Drehscheibe der Oppositionellen, aber der gestürzte Präsident | |
Mohammed Mursi höchstpersönlich hatte sie nach Ägypten eingeladen. Dass | |
sich die syrischen Oppositionellen in Kairo offenbar nicht mehr sicher | |
fühlen, deutet darauf hin, dass al-Sisi auf eine komplette Niederschlagung | |
seiner Gegner setzt. Der türkische Präsident Abdullah Gül warnte davor, | |
dass dies zu einer bewaffneten Rebellion wie in Syrien führen könnte. | |
Riad beirrt das nicht. Schon gleich nach dem Sturz von Mursi hat es al-Sisi | |
Hilfe in Höhe von 5 Milliarden Dollar versprochen, die VAE legten 3 | |
Milliarden drauf. Dass die Saudis gegebenenfalls für ausbleibende Zahlungen | |
aus Washington und Europa einspringen, gilt als sicher. Saudi-Arabien und | |
seine Verbündeten würden damit faktisch auf Konfrontation mit weiten Teilen | |
der arabischen Welt, insbesondere der benachteiligten Jugend, gehen, sagt | |
Davidson. Das zeige, dass die Golfmonarchien den Kontakt mit ihrer eigenen | |
Bevölkerung und deren Hoffnungen verloren hätten: „Dies wird ihre schwache | |
Legitimation weiter untergraben.“ | |
20 Aug 2013 | |
## AUTOREN | |
Inga Rogg | |
## TAGS | |
Muslimbrüder | |
Ägypten | |
Schwerpunkt Syrien | |
Saudi-Arabien | |
Schwerpunkt Türkei | |
Abdel Fattah al-Sisi | |
Gaddafi | |
Saudi-Arabien | |
Bahrain | |
Schwerpunkt Rassismus | |
Ägypten | |
Ägypten | |
Ägypten | |
Ägypten | |
Schwerpunkt Syrien | |
Ägypten | |
Schwerpunkt Türkei | |
Ägypten | |
Ägypten | |
Salafisten | |
Leopard 2 | |
Schwerpunkt Syrien | |
Schwerpunkt Syrien | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Drei Jahre Arabische Revolution: Vom Funken zur Explosion | |
Tunesien, Syrien, Oman – vor drei Jahren begannen die Menschen in der | |
arabischen Welt, sich gegen ihre Autokraten zu erheben. Ein Rückblick. | |
Fragwürde Kooperation der Uni Würzburg: Todestrafe und Handabhacken | |
Die Uni Würzburg streitet wegen eines Austauschs mit Saudi-Arabien. Für | |
Wissenschaftlerinnen könnte es dort gefährlich werden, warnt | |
Studierenden-Vertreter. | |
Amnesty kritisiert Bahrain: Kinder missbraucht und gefoltert | |
Jugendliche in Bahrain sitzen in einem Gefängnis für Erwachsene ein und | |
werden missbraucht. Dabei hat das Land die UN-Kinderrechtskonvention | |
unterschrieben. | |
Abschiebung von Arbeitsmigranten: Ausländer raus, sagt Saudi-Arabien | |
Zehntausende „illegale“ Einwanderer, überwiegend aus Äthiopien, sitzen in | |
Abschiebehaft. Derweil nimmt die fremdenfeindliche Gewalt im Land zu. | |
Justiz in Ägypten: Kontrahenten vor Gericht | |
Die Verfahren gegen Mubarak und die Muslimbrüder fallen unterschiedlich | |
aus: Der Expräsident wird eingeflogen, die Islamisten kann der Staat nicht | |
schützen. | |
Krise in Ägypten: Mehr Militär, weniger Demonstranten | |
Bei Zusammenstößen in Ägypten ist am Freitag ein Mensch getötet worden. | |
Dennoch blieb es, trotz der Freilassung Husni Mubaraks am Donnerstag, | |
relativ ruhig. | |
Kommentar Machtkampf in Ägypten: Das Verschwinden der Liberalen | |
Das Militär ist in seinem Führungsanspruch bestätigt und toleriert keine | |
Kritik. Die Demokratiebewegung sollte sich Sorgen machen. | |
Mubarak aus dem Gefängnis entlassen: Ex-Präsident unter Hausarrest | |
Der 85-Jährige Husni Mubarak sitzt nicht länger in Haft. Unterdessen | |
verschwinden weitere Angehörige der Muslimbruderschaft hinter Gittern. | |
Mutmaßlicher Giftgaseinsatz in Syrien: Grausame Bilder, furchtbarer Verdacht | |
Mit Fotos und Videos dokumentiert Syriens Opposition einen mutmaßlichen | |
Giftgaseinsatz. Einige Experten sind skeptisch, weil UN-Experten im Land | |
sind. | |
Gewalt in Ägypten: Westerwelle droht mit Liebesentzug | |
Die EU-Außenminister beraten sich über eine Reaktion auf die Gewalt in | |
Ägypten. Indes ändern die Muslimbrüder ihre Protesttaktik, viele ihrer | |
Anführer sind in Haft. | |
Putsch in Ägypten: Erdogan macht Israel verantwortlich | |
Der türkische Ministerpräsident Erdogan wirft Israel vor, hinter Mursis | |
Sturz in Ägypten zu stecken. Mit diesen Äußerungen verärgert er nicht nur | |
Benjamin Netanjahu. | |
Gewalt in Ägypten: Anführer der Muslimbrüder verhaftet | |
Mohammed Badie, Chef der Bruderschaft, sowie zwei hochrangige Mitglieder | |
wurden in Kairo festgenommen. Die internationale Gemeinschaft fühlt sich | |
machtlos. | |
Ex-Präsidenten Ägyptens im Knast: Der eine könnte bald frei sein | |
In Ägypten sitzen im Moment gleich zwei Ex-Präsidenten in Haft. Mubarak hat | |
bessere Chancen bald auf freien Fuß zu kommen als sein Nachfolger, der | |
Islamist Mursi. | |
Debatte politischer Islam: Kopflose Islamisten | |
Mit der Absetzung von Präsident Mursi hat endlich der Niedergang des | |
politischen Islam begonnen. Das ist ein historisches Ereignis. | |
Rüstungsexorte nach Saudi-Arabien: Panzer-Deal steht vor dem Aus | |
Verhandlungen über die Lieferung von bis zu 270 Panzern im Wert von fünf | |
Milliarden Euro sind offenbar gescheitert. Widerstand der Opposition hat | |
den Auftragsabschluss verzögert. | |
Kämpfe im Libanon: Salafisten in die Flucht geschlagen | |
Im Libanon verschärfen sich die Spannungen zwischen Sunniten und Schiiten. | |
Ein Grund dafür ist die Entwicklung in Syrien. | |
Beschluss der Syrien-Gruppe: Waffenlieferungen für Rebellen | |
Die Militärhilfe für die Rebellen soll ausgebaut werden. Die | |
Syrien-Kontaktgruppe beschließt, die Unterstützung soll über den | |
pro-westlichen Militärrat gehen. |