# taz.de -- Mutmaßlicher Giftgaseinsatz in Syrien: Grausame Bilder, furchtbare… | |
> Mit Fotos und Videos dokumentiert Syriens Opposition einen mutmaßlichen | |
> Giftgaseinsatz. Einige Experten sind skeptisch, weil UN-Experten im Land | |
> sind. | |
Bild: Moschee im Duma-Bezirk von Damaskus: Ein Junge schaut auf zwei Männer, d… | |
BERLIN taz | Drei kleine Kinder liegen mit geschlossenen Augen zugedeckt in | |
einem Bett. Die Eisblöcke auf ihren Körpern können ein Hinweis darauf sein, | |
dass der unbekannte syrische Bürgerjournalist eine Aufnahme von Toten ins | |
Internet gestellt hat. Die drei Kinder sollen, wie viele andere, nach | |
Angaben der Opposition bei einem Einsatz von Chemiewaffen durch die | |
syrische Armee am frühen Mittwochmorgen ums Leben gekommen sein. Die | |
angegebene Zahl der Opfer schwankte am späten Mittwochnachmittag zwischen | |
100 und 1.300. | |
Der Chemiewaffeneinsatz soll Oppositionsangaben zufolge in den östlichen | |
Randbezirken der Hauptstadt Damaskus stattgefunden haben. Bei den am | |
stärksten betroffenen Gebieten habe es sich unter anderem um Irbin, Duma | |
und Muadhamiya gehandelt. Diese Orte werden derzeit von den Aufständischen | |
gehalten. Der Angriff mit Kampfflugzeugen, Artillerie und Raketen fand im | |
Rahmen einer Offensive der Regierungstruppen statt. | |
Die in London ansässige Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte | |
sprach am Mittag von mehr als 100 bei dem Angriff Getöteten. Eine andere | |
Gruppe sprach von 494 Toten; 90 Prozent seien durch Nervengas umgekommen. | |
Die Opposition in Istanbul nannte gar 1.300 Opfer. Eine unabhängige | |
Bestätigung dieser Angaben gab es nicht. Zum Teil wurde auch nicht | |
differenziert, ob es sich um die Zahl der Opfer insgesamt oder um die | |
derjenigen handelt, die durch Chemiewaffen ums Leben kamen. | |
Die Offensive und der vermutete Giftgaseinsatz erfolgten just zu einem | |
Zeitpunkt, zu dem sich ein Team von Chemiewaffenexperten der UN in Syrien | |
aufhält. Diese Tatsache rief bei einigen Experten Skepsis hervor. „Es wäre | |
sehr seltsam, wenn die syrische Regierung ausgerechnet in dem Moment zu | |
solchen Mitteln greifen würde, wenn die Beobachter im Land sind“, sagte der | |
ehemalige schwedische Diplomat Rolf Ekeus, der in den 90er Jahren ein Team | |
von UN-Waffeninspektoren im Irak geleitet hatte. | |
## „Frei erfunden“ | |
Die syrische Regierung stritt zwar den Giftgaseinatz ab, jedoch nicht die | |
Angriffe. In der staatlichen Nachrichtenagentur Sana hieß es: „Die | |
TV-Kanäle, die an dem Blutvergießen in Syrien und der Unterstützung des | |
Terrorismus beteiligt sind, veröffentlichen diese Berichte, die frei | |
erfunden sind, um das Team, das den Einsatz von Chemiewaffen untersuchen | |
soll, abzulenken und somit den Erfolg seiner Mission zu verhindern.“ | |
Um den angeblichen Chemiewaffeneinsatz zu dokumentieren, wurden zahlreiche | |
Fotos und Videos ins Internet gestellt. Auf vielen Fotos sind Gruppen von | |
Menschen zu sehen, die in unterschiedlichen Räumen oder im Freien liegen. | |
Auf einem Bild liegen 23 Männer meist in Fünferreihen auf dem Boden. Sie | |
sind bekleidet, bei einigen ist das Hemd hochgezogen, und Zeichen äußerer | |
Verletzungen wie Schusswunden oder Blutspuren sind nicht zu sehen. Auf | |
einem Bild sind eingewickelte Tote am Rand einer Straße vor einer Mauer | |
aufgereiht. Die Todesursache ist nicht auszumachen. | |
In Videos sind auch Szenen zu sehen, die in behelfsmäßigen Krankenhäusern | |
oder bei der Erstversorgung von Verletzten gefilmt wurden. Viele werden | |
künstlich beatmet, einige erhalten eine Herzmassage, manche haben gerötete | |
Gesichter oder Schaum vor dem Mund. Andere winden sich in | |
unkontrollierbaren Zuckungen auf dem Boden. | |
Zu den Symptomen der Verletzten zählen laut Aktivisten Übelkeit, | |
Halluzinationen, heftiger Husten und Bluthochdruck. Die Krankenschwester | |
Bayan Baker, die in einer Notfallsammelstelle in Duma arbeitet, sagte | |
gegenüber der britischen BBC: „Viele der Verletzten sind Frauen und Kinder. | |
Sie kommen an mit erweiterten Pupillen, kalten Gliedmaßen und Schaum im | |
Mund.“ Das Aktivistennetzwerk der Lokalen Koordinationskomitees wies auf | |
den extremen Mangel an Medikamenten, vor allem an Atropin, hin. | |
Ein Aktivist, der in dem Damaszener Vorort Arbeen lebt, sagte über Skype | |
gegenüber der New York Times, die Angriffe hätten um zwei Uhr morgens | |
begonnen, als Raketen auf die Umgebung abgeschossen worden seien. Er und | |
seine Kollegen seien nach draußen geeilt, um Verletzte zu evakuieren. Zum | |
Teil hätten sie dafür die Haustüren aufbrechen müssen. | |
„Ich sah viele Kinder, die auf den Betten lagen, als ob sie schliefen, aber | |
leider waren sie tot“, sagte der Aktivist, der seinen Namen mit Abu Yassin | |
angab. Ein Angehöriger der Rebellengruppe Ahrar al-Sham im Bezirk Erbin | |
östlich von Damaskus sagte gegenüber Reuters, bei vielen Toten habe es sich | |
um Rettungskräfte gehandelt, die den Opfern hätten helfen wollen und dann | |
selbst vom Giftgas dahingerafft wurden. „Wir haben Männer gefunden, die in | |
den Treppenhäusern oder Eingängen zusammengebrochen waren, sagte der | |
Aufständische, der sich Abu Nidal nannte, über Skype. | |
Gegenüber der deutschen Solidaritätskampagne „Adopt a Revolution“ sagte e… | |
Aktivist aus Irbin, es seien ab fünf Uhr morgens Tote und Verletzte aus | |
Zamalka und Ain Tarma in die Krankenhäuser des Ortes gebracht worden. | |
„Irbin liegt nur vier Kilometer von Zamalka entfernt. Zwischen 4 und 5 Uhr | |
haben die Moscheen in Irbin per Lautsprecher alle Einwohner dazu | |
aufgerufen, Fenster und Türen geschlossen zu halten, weil es zu einem | |
Giftgasanschlag in der Nähe gekommen ist.“ Bis zum Mittag habe man im | |
Krankenhaus von Irbin 85 Tote gezählt. | |
21 Aug 2013 | |
## AUTOREN | |
Beate Seel | |
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