# taz.de -- Flüchtling über Asylheim in Hellersdorf: „Ein verstörender Ort… | |
> Der Palästinenser Karim H. war unter den ersten, die die von Rechten | |
> bekämpfte Notunterkunft in Hellersdorf bezogen – und sofort wieder | |
> verließen. | |
Bild: Die Notunterkunft in der Carola-Neher-Straße in Hellersdorf. | |
taz: Herr H., was denken Sie, wenn Sie „Hellersdorf“ hören? | |
Karim H.: Bis vor drei Tagen war es mir unbekannt. Heute würde ich sagen, | |
es ist ein verstörender Ort. | |
Sie gehörten zu den ersten 42 Flüchtlingen, die am Montag die neue | |
Notunterkunft in einer Hellersdorfer Schule beziehen sollten. Anwohner und | |
Neonazis machen Stimmung dagegen. Wurden Sie über diese Situation | |
informiert? | |
Nein. Ich war vorher im Heim in Spandau, in der Motardstraße. Dort bekamen | |
wir nur gesagt, wir kämen in ein neues Heim, in einer sehr ruhigen Gegend. | |
Wie lange waren Sie in der Motardstraße? | |
Fünf Monate. Ich bin aus Ramallah geflohen, weil ich von Extremisten | |
bedroht wurde, obwohl ich gar nicht politisch aktiv war. | |
Was heißt das genau? | |
Ich möchte dazu lieber nicht mehr sagen, weil mein Asylverfahren noch | |
läuft. Aber Sie können mir glauben, dass ich nicht freiwillig gegangen bin. | |
Wie war die Ankunft in Hellersdorf? | |
Als wir mit dem Bus ankamen, machten die Fahrer Blaulicht an. Überall war | |
Polizei, ich bekam ein sehr komisches Gefühl. Wir hielten auch nicht vor | |
dem Haus, sondern dahinter. Es tut mir leid, das zu sagen – aber ich habe | |
gedacht, das ist wie mit Schlachttieren, denen man die Messer nicht zeigen | |
will. | |
Haben Sie deshalb mit weiteren Flüchtlingen die Unterkunft sofort wieder | |
verlassen? | |
Die Situation war völlig verrückt. Die Polizisten und die ganzen | |
Journalisten, die angerannt kamen, um uns zu fotografieren. Sofort, als wir | |
ankamen, wurde hinter uns das Tor verschlossen. Wir hatten Angst! Da haben | |
wir beschlossen, wir gehen wieder. | |
Das Heim hat Sie einfach so ziehen lassen? | |
Wir haben noch mit einem Sicherheitsmann diskutiert, aber er hat uns dann | |
rausgelassen. Draußen haben wir dann die Menschen gesehen, die | |
protestierten. Ich war völlig überfordert, bin auf sie zugegangen und habe, | |
ehrlich gesagt, die Kontrolle verloren. | |
Sie haben die Unterstützer der Antifa angeschrien, weil Sie dachten, es | |
wären Flüchtlingsgegner. | |
Ja, es war einfach alles zu viel in dem Moment. | |
Haben Sie etwas von der Stimmung in der Nachbarschaft mitbekommen? | |
Nicht wirklich. Menschen von der Kundgebung haben uns zum Bahnhof gebracht | |
und sind mit uns mit Bus und Bahn zurück zur Motardstraße gefahren. | |
Hat die Heimleitung dort versucht, Sie zurückzuschicken? | |
Sie haben gesagt, wir können erst mal bleiben. Wie lange, weiß ich nicht. | |
Die Situation hier ist aber auch sehr schlecht. Es ist sehr unhygienisch | |
und dreckig und wir sind völlig abgeschnitten. Es ist eine sehr schwere | |
Situation gerade. Ich weiß nicht, was wir tun sollen. Haben wir kein Recht | |
auf ein normales Leben? | |
Hätten Sie in Deutschland Szenen wie die in Hellersdorf erwartet? | |
Ich hatte ein normales, friedliches Leben erwartet. In der Universität hieß | |
es, dass der deutsche Faschismus gescheitert ist. Aber jetzt habe ich den | |
Eindruck, dass viele dafür immer noch starke Gefühle haben. Ich will den | |
Deutschen nur sagen: Wir Flüchtlinge sind keine schlechte Menschen, wir | |
wollen keinen Ärger machen. Wir hoffen nur auf ein besseres Leben, als wir | |
es in unserer Heimat hatten. | |
Sollte sich die Lage beruhigen: Können Sie sich vorstellen, doch noch mal | |
nach Hellersdorf zu gehen? | |
Nein. Ich kann nicht leben, wo mich andere nicht haben wollen. Aber die | |
Leute können nicht ignorieren, dass wir existieren. Irgendwo müssen wir | |
leben. | |
21 Aug 2013 | |
## AUTOREN | |
Konrad Litschko | |
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