# taz.de -- Italienische Regierung vor dem Aus: Man könnte es Erpressung nennen | |
> Um Berlusconi vor dem Arrest zu retten, droht seine Partei, ihre Minister | |
> aus dem amtierenden Kabinett abzuziehen. Das wäre das Ende für die | |
> Letta-Regierung. | |
Bild: Nein! Ich will keinen Hausarrest bekommen! | |
ROM taz | Womöglich noch in dieser Woche droht der erst seit vier Monaten | |
amtierenden italienischen Regierung unter Enrico Letta das Aus. Der | |
zweitgrößte Koalitionspartner, Silvio Berlusconis Popolo della Libertà (PdL | |
– Volk der Freiheit), erwägt den Bruch des Bündnisses, um den eigenen Chef | |
vor den Folgen der letztinstanzlichen Verurteilung zu vier Jahren Haft | |
wegen Steuerhinterziehung zu schützen. | |
Am 1. August war Berlusconi vom Kassationshof in Rom definitiv verurteilt | |
worden. Zwar müsste er bloß eines der vier Jahre wirklich verbüßen, da drei | |
Jahre aufgrund eines allgemeinen Straferlasses aus dem Jahr 2006 wegfallen. | |
Gleichwohl droht ihm höchstens Hausarrest, womöglich nur die Ableistung von | |
Sozialstunden. | |
Dramatisch aber wären die mit dem Urteil verbundenen politischen | |
Konsequenzen: Aufgrund eines im Dezember 2012 verabschiedeten Gesetzes | |
riskiert Berlusconi den sofortigen Verlust seines Senatssitzes, da | |
Vorbestrafte mit einer Verurteilung zu mehr als zwei Jahren keine | |
politischen Ämter wahrnehmen dürfen. | |
Statt der üblichen August-Sommerpause erlebte Italiens Politik deshalb in | |
diesen Wochen eine wütende Kampagne der rechten Politiker und der | |
Berlusconi-Medien mit dem Ziel, das Urteil völlig zu neutralisieren. Vom | |
Staatspräsidenten Giorgio Napolitano verlangt das Volk der Freiheit (nomen | |
est omen), er solle mit einem Gnadenakt auf den Richterspruch antworten. | |
Berlusconi sei Opfer eines politischen Prozesses. Außerdem sei er von zehn | |
Millionen Bürgern gewählt, und die zählten doch mehr als eine Handvoll | |
Richter. | |
## Hasskampagne gegen den Richter | |
Zugleich entfesselte die Rechtspresse eine Hasskampagne gegen Antonio | |
Esposito, den vorsitzenden Richter der Kammer, die Berlusconi schuldig | |
gesprochen hatte. Selbst Django durfte dabei nicht fehlen: Der legendäre | |
Django-Darsteller Franco Nero bezeugte in der Berlusconi-Tageszeitung Il | |
Giornale, bei einem Abendessen im kleinen Kreis habe Esposito schon vor | |
zwei Jahren angekündigt, er werde Berlusconi „drankriegen“. | |
So viel angebliche Befangenheit schreit einfach nach einer „politischen | |
Lösung“: Sämtliche PdL-Granden fordern seit Wochen lauthals, | |
Staatspräsident Napolitano genauso wie der stärkste Koalitionspartner, die | |
gemäßigt linke Partito Democratico (PD), hätten sich gefälligst der | |
„gemeinsamen Verantwortung“ zu stellen. Einer Verantwortung, die darin | |
bestehen soll, Berlusconi die „politische Handlungsfähigkeit“ zu sichern. | |
Deshalb verlangt die Berlusconi-Rechte, der Senat solle das Gesetz zum | |
Mandatsverlust einfach ignorieren. Am 8. September tritt der | |
Immunitätsausschuss des Senats zusammen – und die Rechte wünscht sich, dass | |
dort ihr Antrag gebilligt wird, erst einmal das Verfassungsgericht – wegen | |
Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit jenes Gesetzes – anzurufen. Das würde | |
Zeit verschaffen für einen in aller Ruhe aufgelegten Gnadenakt – und | |
Berlusconi wäre weiter in der Politik, so als sei gar nichts passiert. | |
## Harte Konfrontation | |
Doch die PD verweigert sich bisher einer solchen Lösung, mit der | |
Berlusconis Position, er stehe über dem Gesetz, definitiv festgeschrieben | |
wäre. Und im Senat haben die Anti-Berlusconi-Parteien – neben der PD | |
vorneweg die in Opposition stehende Fünf-Sterne-Bewegung Beppe Grillos – | |
eine klare Mehrheit. | |
Deshalb versteifte sich Berlusconis PdL am Wochenende auf den Kurs harter | |
Konfrontation. Sollte die PD nicht einknicken, sollen die PdL-Minister | |
sofort aus dem Kabinett abgezogen werden. Geht es nach der Rechten, käme es | |
zu schnellen Neuwahlen im Herbst, noch ehe Beschlüsse zum Ämterverlust | |
Berlusconis greifen könnten. | |
27 Aug 2013 | |
## AUTOREN | |
Michael Braun | |
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