# taz.de -- Kommentar zum Berlusconi-Urteil: Silvio, das Stehaufmännchen | |
> Nach dem Urteil des Kassationsgerichts in Rom scheint das politische Ende | |
> für Silvio Berlusconi unausweichlich. Aber seine Gegner könnten sich zu | |
> früh freuen. | |
Bild: Berlusconi dirigiert ein Gericht. Funktioniert meistens. | |
Zu vier Jahren Gefängnis verurteilt, als ganz gewöhnlicher Steuerbetrüger: | |
Diesmal scheint Silvio Berlusconi definitiv politisch erledigt. Blass, | |
angespannt, ja den Tränen nah saß er denn auch am Donnerstag Abend vor der | |
TV-Kamera, um seine wütend-verzweifelte Philippika gegen das Urteil, gegen | |
die Richter loszuwerden. | |
Er, der in den letzten 20 Jahren in seinen unzähligen Prozessen immer | |
straflos davongekommen war, der sich deshalb seiner „weißen Weste“ rühmte, | |
muss erstmals in einem Gerichtssaal eine herbe Niederlage kassieren. Von | |
heute an ist Berlusconi vorbestraft. Selbst die Tatsache, dass der | |
Kassationshof ihm vorerst den Verlust seiner politischen Ämter auf fünf | |
Jahre erspart hat, kann ihn nicht trösten: Italiens oberstes Gericht hat | |
schlicht eine falsche Kalkulation der Vorinstanz moniert. Die Dauer der | |
über ihn verhängten Sperre muss jetzt neu berechnet werden, doch fest | |
steht: Die Sperre, wenn auch etwas kürzer, wird unweigerlich kommen. | |
Das ist die gute Nachricht. Die schlechte Nachricht: Aus der Politik ist er | |
damit noch lange nicht raus. Anderswo mögen politische Karrieren bloß | |
deshalb enden, weil einer bei seiner Doktorarbeit abgeschrieben hat, weil | |
er sich Urlaube auf Sylt finanzieren ließ oder weil Pornovideos über die | |
Dienst-Kreditkarte abgerechnet wurden. | |
Berlusconi dagegen spielt in einer anderen Liga. Über die Sünden seiner | |
Kollegen aus anderen europäischen Ländern kann er nur lächeln: Von | |
Bilanzfälschung über Korruption und illegale Parteienfinanzierung bis zur | |
Prostitution Minderjähriger (dafür wurde er gerade in erster Instanz zu | |
sieben Jahren Haft verurteilt) ließ Berlusconi sich nichts entgehen. | |
Und seine Wähler? Sie dankten es ihm. Sie sind ihm auch die Garantie, dass | |
sein Aus in der Politik bloß auf dem Papier steht. Dies machte Berlusconi | |
endgültig am Donnerstag Abend klar. Er, der Kriminelle, der Vorbestrafte, | |
sprach sich wieder einmal selber frei und setzte stattdessen die | |
„verantwortungslosen“ Richter auf die moralische Anklagebank – Richter, d… | |
es gewagt hatten, „einen der besten Bürger“ Italiens mal einfach so zu | |
verurteilen. Doch gleich schob er das Versprechen nach, „auf dem Feld zu | |
bleiben“: Schließlich müsse der „Freiheitskampf“ fortgesetzt werden, und | |
zwar per Rückkehr zu seiner Forza Italia, wie er sie – als rein auf seine | |
Person zugeschnittene Partei – 1994 aus der Taufe gehoben hatte. | |
Nicht das Berlusconi-Lager zittert nach diesem Urteil, sondern die gemäßigt | |
linke Partito Democratico (PD) des Ministerpräsidenten Enrico Letta. Die PD | |
weiß nur zu genau: Wenn jetzt die Regierung platzt, wenn es im Herbst zu | |
Neuwahlen kommt, dann kann Berlusconi wohl selbst nicht mehr für ein | |
Parlamentsmandat kandidieren. | |
Doch nichts wird ihn davon abhalten, als Übervater der Rechten weiter auf | |
dem Plan zu sein, ja die Wahl zu einem Plebiszit über die eigene Person – | |
in der Rolle der verfolgten Unschuld – zu machen. Und Berlusconi hat beste | |
Chancen, dieses Plebiszit zu gewinnen. Denn er hat nicht nur sich selbst, | |
sondern auch seine Wählerschaft mental völlig immunisiert gegen sämtliche | |
Anschuldigungen der Justiz: Seine Anhänger halten die Märtyrer-Show nicht | |
für die Lachnummer, die sie objektiv ist, sondern für die bittere Realität | |
eines Landes, in dem in ihrer Wahrnehmung „politisierte Richter“ und „rote | |
Roben“ die Freiheit knebeln. | |
So könnte das Urteil des Kassationsgerichts gerade nicht als das Ende | |
Berlusconis, sondern als Tag seiner erneuten politischen Wiedergeburt in | |
die Geschichte eingehen. Die Folgen allerdings wären dramatisch, nicht nur | |
für Italien, sondern auch für Europa. | |
2 Aug 2013 | |
## AUTOREN | |
Michael Braun | |
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