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# taz.de -- Berlusconi erhält Haftstrafe: Der Knast heißt Luxusvilla
> Wegen Steuerhinterziehung verurteilt ein Gericht Silvio Berlusconi zu
> vier Jahren Gefängnis. Ob er weiter Politik machen darf, wird neu
> verhandelt.
Bild: Vielleicht muss er demnächst Sozialdienst leisten: Silvio Berlusconi.
ROM taz | Das Kassationsgericht in Rom hat am Donnerstagabend den
Exministerpräsidenten und Skandalpolitiker Silvio Berlusconi in letzter
Instanz zu vier Jahren Haft verurteilt. Die Frage, ob Berlusconi auch
verboten wird, politische Ämter auszuüben, verwiesen die Richter zurück in
die zweite Instanz.
Das Urteil ist ein absolutes Novum. Noch nie war es den Staatsanwälten und
Richtern gelungen, Berlusconi rechtskräftig zu verurteilen, auch wenn in
diversen Verfahren wegen Steuerhinterziehung, Korruption und vieler anderer
Vorwürfe seine Schuld festgestellt worden war.
Noch jedes Mal hatte in diesen Fällen die Verjährung gegriffen und dem
angeklagten Milliardär den Kopf gerettet. Das verdankte er nicht nur
geschickten Verzögerungsstrategien seiner Anwälte, sondern auch diversen
Gesetzesänderungen, die während seiner eigenen Regierungszeiten verfügt
worden waren.
Diesmal jedoch war das Gericht schneller als die Berlusconi-Anwälte. Es
verurteilte den 76-Jährigen wegen Steuerhinterziehung – genau wie
seinerzeit Al Capone, wie der italienische Journalist Marco Travaglio
bemerkte. Angeklagt war Berlusconi als Chef der TV-Holding Mediaset.
## Nur ein kleiner Ausschnitt
Der Vorwurf: Mediaset hatte den Ankauf von US-Filmrechten extra über eine
ganze Reihe im Ausland angesiedelter Tarnfirmen abgewickelt, um so den
Endpreis künstlich in die Höhe zu treiben, Profite in
Offshore-Schwarzgeldkassen zu verschieben und damit am italienischen Fiskus
vorbeizuschleusen. Konkret wurde Berlusconi mit dem Urteil nun die
Hinterziehung von 7 Millionen Euro zum Verhängnis.
Eben darauf baute seine Verteidigungsstrategie auf. Das erste Hauptargument
nämlich lautete: Ein Mann, der jedes Jahr Milliarden Steuern zahlt, hat
doch nicht die Hinterziehung von 7 Millionen Euro nötig. Allerdings
dokumentierte die Staatsanwaltschaft im Prozess, dass es sich bei der
angeklagten Summe nur um einen kleinen Ausschnitt handelte, effektiv wohl
Steuern im dreistelligen Millionenbereich hinterzogen worden waren.
Auch das zweite Argument der Verteidiger ließen die Richter nicht gelten:
dass nämlich Berlusconi im angeklagten Zeitraum 2003 Ministerpräsident war
und sich, obwohl Mehrheitsaktionär, keinen Deut um das operative Geschäft
der Mediaset gekümmert habe.
## Die Koalition könnte platzen
So herb das Urteil für Berlusconi ist, so begrenzt sind zunächst seine
Folgen. Einige Jahre Haft werden ihm sowieso gutgeschrieben – wegen eines
generellen Strafnachlasses, den das italienische Parlament 2006 beschlossen
hatte. Zudem bestand eine der Berlusconi-Justizreformen darin, die
effektive Verbüßung von Haftstrafen für über 70-Jährige auszusetzen.
Im schlimmsten Falle droht Berlusconi Hausarrest in einer seiner Villen –
oder aber er muss Sozialdienst leisten, zum Beispiel bei der Betreuung
gestrauchelter minderjähriger Mädchen, wie wiederum Marco Travaglio bissig
bemerkte.
Selbst seinen Sitz im Senat ist Berlusconi nicht sofort los – erst nämlich
muss der Senat zustimmen. Aber selbst wenn er seines Mandates verlustig
ginge, bliebe er Frontmann der italienischen Rechten: Nicht ein einziger
ihrer Protagonisten fordert Berlusconis Rückzug.
So bescheiden die Folgen des Urteils also für Berlusconi sind, so
gravierend sind sie womöglich für das Land. Denn die Regierung wird
unweigerlich in schwere Turbulenzen geraten. Zwar will Berlusconi selbst
die Koalition nicht aufkündigen, die den Ministerpräsidenten Enrico Letta
trägt. Aber seine Partei wird in den nächsten Tagen eine heftige Kampagne
gegen die Justiz entfesseln. Damit könnte schnell die Schmerzgrenze für den
Koalitionspartner, Lettas gemäßigt linke Partito Democratico, erreicht
sein.
Wenn die Koalition platzt, bleibt nur der Weg zu Neuwahlen. Berlusconi muss
die nicht fürchten: Auch wenn er keine parlamentarische Immunität mehr
genießt und nicht mehr wählbar ist, verfügt er doch über eine andere, viel
mächtigere Immunität: die anhängliche Treue von bis zu 40 Prozent der
italienischen Wähler, die ihm die seit Jahren verkündete Mär abnehmen, er
sei ein Justizopfer.
1 Aug 2013
## AUTOREN
Michael Braun
## TAGS
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