Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Countdown zum Berlusconi-Prozess: Silvio grinst noch immer
> Er könnte wegen Steuerhinterziehung per Gerichtsurteil aus der Politik
> verbannt werden. Los wären die Italiener Berlusconi trotzdem nicht.
Bild: Gut gespannt: Silvio Berlusconi.
ROM taz | Der Countdown läuft seit Tagen: „Urteil Berlusconi –3 Tage“ st…
am Samstag in fetten roten Lettern oben auf der Titelseite der
Berlusconi-Tageszeitung Il Giornale. Es ist der Countdown für Silvios
D-Day, den 30. Juli, den Tag der Entscheidung. Am Dienstag wird in Rom das
Kassationsgericht zusammentreten. Dem milliardenschweren Medientycoon und
Politiker droht, neben Hausarrest, der Entzug des Parlamentsmandats. Und
das bedeutet die Verbannung aus der aktiven Politik.
In letzter Instanz soll der Kassationshof über einen Steuerbetrug in
Millionenhöhe urteilen, der Berlusconi und drei Mitangeklagten vorgeworfen
wird. Berlusconis TV-Gesellschaft Mediaset soll im Jahr 2003 den Ankauf von
Filmrechten aus den USA über Zwischenhändler abgewickelt haben, um den
Endpreis künstlich in die Höhe zu treiben und so einerseits schwarze Kassen
in Steuerparadiesen anzulegen, andererseits die Steuerschuld in Italien
drastisch zu senken.
Im Mai 2013 verurteilte das Appellationsgericht in Mailand Berlusconi
deshalb zu vier Jahren Haft und entzog ihm zugleich für fünf Jahre das
Recht, politische Ämter auszuüben. Der Mann wäre bei einer Bestätigung des
Urteils durch den Kassationshof sein Senatsmandat los.
Eine Entscheidung mit möglicherweise einschneidenden Konsequenzen steht an,
und doch tut fast ganz Italien so, als wäre nichts. Die meisten Zeitungen
schweigen, und die Politiker, die sich überhaupt äußern, wiegeln ab. Der
Senatspräsident Pietro Grasso von der gemäßigt linken Partito Democratico
beispielsweise meint, am 30. Juli gehe es bloß „um die
Prozessangelegenheiten einer Einzelperson“, die „keinen Einfluss“ auf die
Stabilität der Regierung hätten. Berlusconi selbst hatte schon vor Wochen
erklärt, das Überleben der Regierung unter Enrico Letta – an der seine
Partei beteiligt ist – werde durch den Ausgang des Prozesses nicht
beeinflusst.
## Gefahr für die Regierung
Doch ganz so einfach liegen die Dinge nicht. Berlusconi ist nicht
irgendeine „Einzelperson“. Er ist seit nunmehr knapp zwanzig Jahren
unbestrittener Anführer der italienischen Rechten, der außerdem seit 1994
das gesamte politische Geschehen Italiens dominiert. Dazu kommt, dass er
jederzeit der Regierung den Stecker rausziehen kann.
Italien wird von einer großen Koalition regiert, die Folge des politischen
Patts, das aus den Wahlen vom 24. und 25. Februar resultierte. Zwar hat die
gemäßigt linke Partito Democratico (PD) im Abgeordnetenhaus eine Mehrheit,
im Senat aber reichen die Stimmen für eine Linksregierung nicht. Zudem war
die PD tief gespalten und konnte im April keinen eigenen Kandidaten zur
Wahl des Staatspräsidenten durchbringen.
Am Ende blieb damals als letzte Lösung, den Präsidenten Giorgio Napolitano
auf Knien anzuflehen, noch einmal sieben Jahre weiterzumachen. Napolitano
willigte ein, formulierte aber ein offenes Diktat: Der Preis für seine
Wiederwahl war die Auflegung der großen Koalition, des Bündnisses der
Berlusconi-Widersacher mit ihrem jahrelangen Feind.
## Der Totgesagte kam zurück
Für Berlusconi war das ein hübscher Triumph. Er, der vor den Februar-Wahlen
als sicherer Verlierer galt und politisch längst totgesagt worden war,
stand wieder im Zentrum des politischen Geschehens, ausgestattet mit
solider Vetomacht gegen die Regierung und gegen ihm unliebsame Gesetze.
Selbst der „Ruby-Prozess“, in dem er kürzlich zu sieben Jahren Haft wegen
Förderung der Prostitution Minderjähriger und Nötigung im Amt verurteilt
wurde, perlte an ihm ab. Und er kann sich daran freuen, dass seine neuen
Koalitionspartner sich aus regierungstaktischen Gründen nicht zu seinen
Justizhändeln äußern.
So hätte es immer weitergehen können; die Rechte und die Linke regieren
zusammen, entscheiden aber nichts. Zentrale Fragen wie die Abschaffung der
Eigenheimsteuer oder die Aussetzung der Mehrwertsteuererhöhung wurden auf
Herbst verschoben. Die Koalition unter Lettta hat sich wegen dieses
Verhaltens bereits den Ruf der „Aufschub-Regierung“ erworben.
Ein Kassationsurteil indes wird keinen Aufschub dulden. Im besten Fall
steht für Berlusconi ein Freispruch, der ihn in die Lage versetzen würde,
in der Koalition noch fordernder auftreten zu können. Das Kassationsgericht
kann den Fall aber auch zur Neuverhandlung nach Mailand zurückverweisen, wo
eine letztgültige Verurteilung droht.
## Zerstritte Partei
Wie Berlusconi auf eine Verurteilung reagieren würde, weiß keiner. Seine
Partei Popolo della Libertà – gespalten in „Falken“ und „Tauben“ –…
unterschiedliche Ansichten. Die „Tauben“ meinen, dass eine Fortsetzung der
Koalition für Berlusconi günstiger wäre. Die Falken dagegen wollen in
diesem Fall zur finalen Schlacht gegen die Justiz aufrufen.
Die Berlusconi-nahen Blätter Il Giornale und Libero streuen ein weiteres
Szenario: Berlusconi wendet sich direkt nach der Verurteilung in einer Rede
ans Volk, die Regierung platzt und im Herbst finden Neuwahlen statt. Die
Chancen für die Rechte stünden insgesamt nicht schlecht: Sie kommen auf
etwa 35 Prozent. Dass Italien dann womöglich im politischen Chaos versinken
und die Finanzkrise explodieren könnte, spielt in dem Szenario keine Rolle.
Aber vielleicht kommt es in letzter Minute, passend zur Regierung Letta,
doch noch zu einem Aufschub: Das Kassationsgericht könnte am Dienstag
nämlich auch beschließen, den Fall erst nach der Sommerpause zu verhandeln.
30 Jul 2013
## AUTOREN
Michael Braun
## TAGS
Silvio Berlusconi
Prozess
Steuerbetrug
Veruntreuung
Steuerhinterziehung
Italien
Italien
Silvio Berlusconi
Silvio Berlusconi
Silvio Berlusconi
Beppe Grillo
Silvio Berlusconi
Berlusconi
Enrico Letta
## ARTIKEL ZUM THEMA
Nach Berlusconis Schuldspruch: Italien vor Regierungskrise
Die Partei von Silvio Berlusconi droht, die Koalition platzen zu lassen.
Sie fordert von Staatspräsident Napolitano eine Amnestie. Am Sonntag steht
ein gemeinsames Treffen an.
Verurteilung von Silvio Berlusconi: Wenig Grund zur Freude
Nach seiner Verurteilung setzt sich Berlusconi als verfolgte Unschuld in
Szene. Sein Senatorposten wird er einbüßen – was die Regierung gefährdet.
Kommentar zum Berlusconi-Urteil: Silvio, das Stehaufmännchen
Nach dem Urteil des Kassationsgerichts in Rom scheint das politische Ende
für Silvio Berlusconi unausweichlich. Aber seine Gegner könnten sich zu
früh freuen.
Berlusconis Karriere: Staatsmann nur im Traum
In die Geschichtsbücher wird der Ausnahmepolitiker sicher eingehen. Wenn
auch nicht so, wie er sich wünscht. Italien sei nicht „gerecht“ schimpft er
deshalb.
Berlusconi erhält Haftstrafe: Der Knast heißt Luxusvilla
Wegen Steuerhinterziehung verurteilt ein Gericht Silvio Berlusconi zu vier
Jahren Gefängnis. Ob er weiter Politik machen darf, wird neu verhandelt.
Movimento 5 Stelle in Italien: „Das Parteiensystem ist ein Virus“
Der italienische Veränderungsglaube inmitten schwerer politischer Krisen:
Ein Treffen mit einem Aktivisten von Beppe Grillos Movimento 5 Stelle.
Urteil im Rubyprozess gegen Berlusconi: Sieben Jahre - in erster Instanz
Alle Bestechungen haben nichts genützt. Die Beweise gegen Berlusconi
überzeugen ein Mailänder Gericht von seiner Schuld.
Berlusconi vor dem Verfassungsgericht: Justiz rückt Berlusconi auf die Pelle
Nach einer Niederlage vor dem Verfassungsgericht muss sich der
Ex-Regierungschef wohl um seine politische Karriere sorgen.
Homophobe Berlusconi-Vertraute: „Italien ist ein katholisches Land“
Eine Gleichstellungsbeauftragte, die homophobe Theorien verbreitet?
Bitteschön: Michaela Biancofiore. Am Samstag zog Italiens Premier Letta die
Notbremse.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.