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# taz.de -- Verurteilung von Silvio Berlusconi: Wenig Grund zur Freude
> Nach seiner Verurteilung setzt sich Berlusconi als verfolgte Unschuld in
> Szene. Sein Senatorposten wird er einbüßen – was die Regierung gefährdet.
Bild: Verurteilt? Ihm doch egal!
ROM taz | „Berlusconi ist tot!“ Jubelnd kommentiert Beppe Grillo, der Chef
der Protestbewegung Movimento 5 Stelle, [1][in seinem Blog] das Urteil vom
Donnerstag. Und die Tageszeitung Il Fatto Quotidiano sieht in der Folge des
Richterspruchs weitere Opfer: Italiens Regierung unter Enrico Letta sei
jetzt bloß noch „ein lebender Leichnam“, kommentiert das Blatt bissig.
Berlusconi selbst dagegen behauptete in einer neunminütigen TV-Ansprache
unmittelbar nach dem Urteil, er bleibe „weiterhin auf dem Feld“ und werde
seinen „Freiheitskampf“ fortsetzen – wolle aber keinesfalls die Regierung
zu Fall bringen.
Nervosität und Unsicherheit dominieren in Rom am Tag nach Silvio
Berlusconis Waterloo vor dem Kassationsgericht. Erstmals in seinem Leben
überhaupt wurde der Medienzar, seit 20 Jahren Anführer der italienischen
Rechten, rechtskräftig verurteilt, zu vier Jahren wegen
Steuerhinterziehung.
Nur ein schwacher Trost für ihn ist es, dass von den vier Jahren nur eines
abzubüßen ist, weil das italienische Parlament im Jahr 2006 einen
allgemeinen Strafnachlass von drei Jahren verabschiedet hatte – für alle
vor 2006 begangenen Taten. Und gar keinen Trost kann der Mann, der „mit
hoher krimineller Energie“ ausgestattet ist, wie das Mailänder Gericht in
jenem Spruch geurteilt hatte, der jetzt vom Kassationshof bestätigt wurde,
darin finden, dass er gar nicht in Haft müsste.
Dank eines schon vor Jahren von einer der Berlusconi-Koalitionen
verabschiedeten Gesetzes nämlich müssen Verurteilte, die älter als 70 Jahre
sind, nicht ins Gefängnis: Sie können die Strafe im Hausarrest absitzen
oder die Verpflichtung zu Sozialdiensten beantragen.
## Berlusconi stellt sich stur
Doch davon will Berlusconi nichts wissen. „Sie müssen mich schon ins
Gefängnis bringen“, teilte er unmittelbar nach dem Schuldspruch mit. Hinter
echten Gitterstäben nämlich könnte er sich viel besser als italienischer
Dreyfus inszenieren, als Opfer einer ihm feindselig gesinnten, parteiischen
Justiz. Berlusconis Ansprache am Donnerstag machte eines klar: Erneut will
er mit einer Kampagne gegen die Justiz zurückschlagen und so erreichen,
dass er wieder in der Offensive ist.
Das aber wird er perspektivisch nicht mehr als Senator tun können: Nach der
gegenwärtigen Rechtslage wird er sein Mandat auf jeden Fall verlieren. Denn
der Kassationshof hatte zwar entschieden, der von der Vorinstanz
festgelegte Verlust der Wählbarkeit für fünf Jahre müsse zeitlich neu
berechnet werden. Das aber ist jetzt praktisch unerheblich.
Denn im Dezember vergangenen Jahres hatte Italiens Parlament ein
Anti-Korruptions-Gesetz verabschiedet, das den Mandatsverlust ganz
unabhängig von richterlichen Entscheidungen regelt. Danach gilt bei
Freiheitsstrafen, die mehr als zwei Jahre betragen, dass der Verurteilte
für die nächsten sechs Jahre nicht wählbar ist. Und sollte er schon
Parlamentarier sein, so verliert er sein Mandat.
Genau über diesen Punkt könnte die Regierung Letta schon bald stolpern.
Zwar schwört vorneweg Berlusconi selbst, er werde die Regierung, in der
seine Partei Popolo della Libertà (PdL) zweitgrößter Partner in einer
Großen Koalition mit der gemäßigt linken Partito Democratico (PD) ist,
nicht zu Fall bringen. Doch schon jetzt ist auf der anderen Seite die PD
starken internen Spannungen ausgesetzt: Die Koalition mit dem in den
eigenen Reihen zutiefst verabscheuten Berlusconi erscheint vielen nach dem
Urteil kaum noch tragbar.
## „Sterbeglöckchen der Regierung“
Zum Knall könnte es kommen, wenn der Senat – womöglich schon bald – über
den Mandatsverlust Berlusconis abstimmen muss. Der PD-Vorsitzende Guglielmo
Epifani erklärte, seine Partei werde selbstverständlich dem Urteil Folge
leisten und den Entzug des Mandats absegnen; außerdem sei wiederum
Berlusconis Partei gut beraten, ihrerseits dem Verdikt des Kassationshofes
„mit respektvoller Haltung zu begegnen“.
Schon diese Worte wurden wiederum aus den Reihen des PdL als „Provokation“
, ja als „Kriegserklärung“ oder als „Sterbeglöckchen für die Regierung…
gebrandmarkt. Und zwei aus der Rechten stammende Staatssekretäre haben
schon ihr Amt zur Verfügung gestellt – allerdings nicht dem
Ministerpräsidenten Letta, sondern ihrem „Presidente“ Berlusconi.
2 Aug 2013
## LINKS
[1] http://www.beppegrillo.it/2013/08/berlusconi_e_mo.html
## AUTOREN
Michael Braun
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