| # taz.de -- Seehofer und WDR-Journalisten: Der Feind kommt aus Preußen | |
| > Horst Seehofer will kritische Journalisten aus Bayern ausweisen. Für | |
| > seine Selbstherrlichkeit kann der CSU-Chef wenig, sie ist kulturell | |
| > verankert. | |
| Bild: I bin der König Horst und von Ihnen loss I mir nix soagen. | |
| In Bayern gehen die Uhren mächtig anders, als im Rest der Republik: | |
| 1. Die Weißwurst will bis zum Mittag gegessen sein – hört sie lebend das | |
| 12-Uhr-Läuten, verwandelt sie sich unter lautem Gebrüll in eine preußische | |
| Currywurst. | |
| 2. Die bayerische Polizei darf auf alles schießen, was sich unerlaubt | |
| bewegt. | |
| 3. Südlich der Donau greifen die bayerischen Zecken mit ihrem Biss direkt | |
| das Hirn an, was bei den Betroffenen zu merkwürdigen Äußerungen führt. | |
| 4. Bis zum heutigen Tag wird in Bayern ein Wahnsinniger aus dem 19. | |
| Jahrhundert gottgleich verehrt, obwohl er als König das Geld seiner | |
| darbenden Untertanen schamlos für Prunk verprasste, | |
| vornationalsozialistische Liedermacher verhätschelte und aus dem Maul stank | |
| wie eine Kuh aus dem Arsch. | |
| Es ist wohl eine Kombination aus den Punkten 3 und 4, die bayerische | |
| Politiker glauben lässt, sich aufführen zu können wie eine Mischung aus | |
| Kaiser Nero, Kaiser Franz und dem Puffbesitzer Al Swearengen aus | |
| „Deadwood“. Diese Erfahrung musste auch ein Kamerateam des WDR machen, das | |
| nach Würzburg gereist war, um der bayerischen Landtagspräsidentin Barbara | |
| Stamm (CSU) unangenehme Fragen zur leidigen „Verwandtenaffäre“ zu stellen. | |
| Doch unangenehme Fragen möchten die Führenden des eigensinnigen Bergvolks | |
| nicht hören, geschweige denn beantworten. Darin gleichen sie ihrem | |
| verrückten König (siehe Punkt 4). In bester absolutistischer Tradition | |
| eilte Ministerpräsident Horst Seehofer der Parteifreundin zu Hilfe: „Die | |
| müssen raus aus Bayern.“ | |
| ## Nervige Öffentlichkeit | |
| Er meinte die Journalisten, die die Unverfrorenheit besessen hatten, in | |
| einem Freistaat ihrem Beruf nachzugehen. Bereits der König liebte keine | |
| kritischen Fragen und verkroch sich gern in einen seiner unzähligen | |
| Paläste, schlief am Tag und ließ sich in der Nacht vom Liedermacher | |
| zulärmen. So ging er der nervigen Öffentlichkeit, die es auch damals schon | |
| in Ansätzen gab, elegant aus dem Weg. | |
| Heute ist das weitaus schwieriger in diesen schrecklich modernen Zeiten, wo | |
| allerorten perfide WDR-Teams in dem Irrglauben herumschwirren, die | |
| Bevölkerung hätte ein Recht von den Bereicherungsorgien zu erfahren, die | |
| ihre Vertreter noch immer feiern wie vor hundertfünfzig Jahren. Mit dem | |
| einzigen Unterschied, dass das Geld heute eher in Luftschlösser investiert | |
| wird als in Paläste. | |
| Dass man nicht gern darauf hingewiesen wird, dass man Scheiße gebaut hat, | |
| ist menschlich. Aber wie vorzivilisatorisch muss man drauf sein, ein derart | |
| rückständiges Verständnis von Demokratie und Pressefreiheit zu haben, und | |
| wie bescheuert (siehe Punkt 3), das nach 1848 auch noch wie | |
| selbstverständlich in die Öffentlichkeit hinauszutröten. | |
| ## Der strenge Diktator | |
| Ganz barocker Landesvater gibt Seehofer mal den milden Kaiser (wenn er im | |
| ZDF nach einem Interview den damaligen Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) | |
| disst: „Sie können das alles senden“) und mal den strengen Diktator. Der | |
| Rundfunk, das Fernsehen, die Presse – Silvio Berlusconi lässt grüßen – h… | |
| ein Vehikel der bayerischen Interessen zu sein, kein demokratisches Organ | |
| zur Durchsetzung von Transparenz. Und wenn die Reporter auch noch aus dem | |
| feindlichen Preußen anreisen, muss man sie eben ausweisen. Ob man sie zuvor | |
| noch auspeitschen oder stattdessen erschießen lässt (siehe Punkt 2), ist | |
| Geschmackssache beziehungsweise Wurst (siehe Punkt 1). | |
| 27 Aug 2013 | |
| ## AUTOREN | |
| Uli Hannemann | |
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