# taz.de -- Seehofer poltert in den Wahlkampf: „Ich bin ganz relaxt“ | |
> CSU-Ministerpräsident Horst Seehofer sagt, er sei entspannt. Zugleich | |
> tritt er wütend auf, droht mit Koalitionsbruch im Bund. Er inszeniert | |
> sich für die nächste Wahl. | |
Bild: Entspannt: Horst Seehofer. | |
MÜNCHEN taz | Horst Seehofer haut auf den Tisch. So zeigte Bild am Sonntag | |
den bayerischen Ministerpräsidenten (CSU) kürzlich. Der Fototermin in der | |
Zirbelstube der Münchner Staatskanzlei soll ihm große Freude bereitet | |
haben. | |
„Böse schauen“ lautete die Regieanweisung, der Seehofer angeblich gerne | |
nachkam. Dazu sollte der Ministerpräsident so feste auf die Tischplatte | |
schlagen, bis das neben ihm aufgestellte Wasserglas überschwappte. Heraus | |
kam ein Bild von Seehofer, so wie er sich vermutlich selbst derzeit gerne | |
sieht. Als einer, der sich nichts sagen lässt, der hier in Bayern noch für | |
etwas einsteht – und zwar ohne Rücksicht auf Verluste. | |
Unermüdlich grantelt der CSU-Mann seit Wochen aus dem Süden gen Berlin. | |
Regelmäßig droht Seehofer damit, die Koalition aus CDU, CSU und FDP im Bund | |
aufzukünden. Erst ging es ums Betreuungsgeld, das Seehofer durchpeitschen | |
will. Nun ist es Merkels Euro-Politik, gegen die Seehofer verbal zu Felde | |
zieht. Dem Münchner Merkur sagte er, er wolle, dass „das Volk befragt wird, | |
wenn gravierende europäische Entscheidungen anstehen“. | |
Via Stern lässt er wissen: Falls Deutschland Finanzhilfen für | |
Euro-Schuldensünder ohne strikte Auflagen akzeptieren sollte, sei | |
„irgendwann ein Punkt erreicht, wo die Staatsregierung und auch die CSU | |
nicht mehr Ja sagen können“. Er, ganz persönlich, könne diese Politik dann | |
nicht mehr mittragen. | |
## Seehofer auf Profilsuche für die nächste Wahl | |
„An einem tatsächlichen Bruch der Koalition hat die CSU kein Interesse“, | |
sagt allerdings Parteienforscher Michael Weigl, der am | |
Geschwister-Scholl-Institut der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität | |
lehrt. „Wir sind mitten im Wahlkampf und die Partei braucht Profil.“ | |
Bayern wählt im Herbst 2013 einen neuen Landtag. Das könnte nach jüngsten | |
Umfrageergebnissen für die CSU erstmals seit Jahrzehnten knapp ausgehen. | |
Das Meinungsforschungsinstitut Forsa sieht die CSU derzeit lediglich bei 43 | |
Prozent. Das ist in etwa der Stand von 2008. Damals kam die Partei bei der | |
Landtagswahl auf 43,3 Prozent – ein historisch schlechtes Ergebnis. Dass | |
die schwarz-gelbe Koalition im Bund ernsthaft bedroht ist, ist indes nicht | |
zu erwarten. | |
Zumal: Der Koalitionspartner FDP kommt im Freistaat laut der aktuellen | |
Forsa-Umfrage gerade mal auf 2 Prozent. Zulegen konnten hingegen SPD und | |
Grüne. Die Piraten liegen bei 6 Prozent. Seehofer korrigierte die | |
Erwartungen für die Landtagswahl schon mal nach unten. „Wir oszillieren | |
immer um die 45 Prozent, das ist alles im ganz normalen Bereich“, sagte er. | |
„Ich bin ganz relaxt.“ | |
Dennoch gilt: Um weiter an der Macht zu bleiben, müsste die CSU den | |
aktuellen Zahlen zufolge eine Koalition mit den Grünen, den Freien Wählern | |
oder der SPD eingehen. Und: Die Opposition hätte erstmals seit 55 Jahren | |
die Chance, die CSU-geführte Regierung zu stürzen. Seehofer kämpft | |
wortgewaltig dagegen an. | |
## Der Inhalt ist zweitrangig | |
Das verbale Gepolter kommt durchaus an. Das hatte Seehofer schon nach | |
seiner Wut-Rede im ZDF-Interview („Das können Sie alles senden“) gemerkt. | |
Für seine unverblümte Kritik am NRW-Spitzenkandidaten der CDU, Norbert | |
Röttgen, erntete Seehofer viel Lob. Daran versucht er nun anzuknüpfen. | |
„Seehofer geht es darum, sich von der Politik in Berlin abzugrenzen“, | |
analysiert Parteienforscher Weigl. Und darum, die CSU verstärkt als Partei | |
der kleinen Leute zu etablieren, denen ein traditionelles Familienbild und | |
konservative Werte wichtig sind. Der Inhalt sei dabei zweitrangig, so | |
Weigl. „Er will zunächst mal zeigen: Da ist einer, der was macht und für | |
etwas kämpft.“ | |
So ist auch Seehofers Ankündigung zu verstehen, dass er nach der | |
Landtagswahl 2013 in die Opposition gehen würde, wenn es sein muss. Ein | |
Seitenhieb auf seinen Herausforderer Christian Ude (SPD), der angekündigt | |
hatte, nur im Falle eines Sieges in der Politik zu bleiben. | |
In der CSU wurde Seehofers plötzlicher Wille zur Opposition eher mit | |
Schrecken aufgenommen. Eine solche Ankündigung gilt in der Partei als Tabu. | |
Wahrscheinlicher ist, dass die Christsozialen Seehofer bei einer | |
Wahlniederlage mit Schimpf und Schande aus dem Landtag jagen würden. Aber | |
das ist bei der Seehofer’schen Selbstinszenierung zweitrangig. | |
4 Jul 2012 | |
## AUTOREN | |
Marlene Halser | |
## TAGS | |
Horst Seehofer | |
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