# taz.de -- Kommentar Arbeit in der Fleischindustrie: Schutzlose Zonen | |
> Der Ausdruck „Werkvertag“ bekommt langsam aber sicher ein negatives | |
> Image. Er wird eingesetzt, um Löhne zu drücken. Das muss aufhören. | |
Bild: Fleisch! Das war sein letztes Wort. | |
Die Mühe, Beschäftigten menschenwürdige Arbeitsbedingungen zu bieten, | |
gleicht einem ewigen Wettlauf: Die Realität galoppiert davon, | |
Gewerkschaften und Politik versuchen mehr oder weniger engagiert, hinterher | |
zu rennen und zu regulieren. Oft dauert es Jahre, bis sich etwas | |
verbessert. | |
Das Phänomen lässt sich derzeit beim Thema Werkverträge beobachten. | |
Berichte über Schlachter, die für drei Euro in der Stunde Schweinehälften | |
im Akkord zerlegen oder Werftarbeiter, die in ihren Unterkünften | |
verbrennen, zeigen, dass mitten in unserer Gesellschaft Zonen existieren, | |
in denen Menschen in absoluter Schutzlosigkeit arbeiten und leben. Das an | |
sich ist noch keine neue Erkenntnis. | |
Neu ist, dass der Ausdruck „Werkvertrag“ langsam aber sicher ein negatives | |
Image bekommt. Und neu ist auch das Bewusstsein, dass Werkverträge in immer | |
mehr Branchen, vom Einzelhandel über die Automobilindustrie, eingesetzt | |
werden, um Löhne zu drücken. Das ist der Boden, auf dem der Druck für | |
politische Reformen wächst. | |
Konstruktive Vorschläge dafür liegen auf dem Tisch, siehe die | |
Bundesratsinitiative, die Niedersachsen nun vorlegt hat. Kritiker einer | |
Regulierung wenden gerne ein, dass nicht jeder Werkvertrag für Ausbeutung | |
oder Lohndumping stehe. Damit haben sie zweifellos recht. Genau deshalb ist | |
es nötig, Transparenz über Werkverträge herzustellen. Beispielsweise, indem | |
Betriebsräte über Ausmaß und Arbeitsbedingungen von Werkvertragsarbeitern | |
informiert werden müssen und Mitspracherechte erhalten. Beispielsweise, | |
indem ein allgemeiner Mindestlohn eingeführt wird. Oder indem kommunale | |
Behörden mehr Befugnisse bekommen, um gegen Bruchbuden für Beschäftigte | |
vorgehen zu können. | |
Die Gewerkschaften haben ab 2007 begonnen, die Leiharbeit zu | |
skandalisieren. Das Ergebnis war unter anderem, dass fünf Jahre später ein | |
Mindestlohn für Leiharbeiter eingeführt wurde - und findige Arbeitgeber auf | |
Werkverträge auswichen. Bleibt zu hoffen, dass es nicht wieder fünf Jahre | |
dauert, bis die nötigen Gesetze verabschiedet werden. | |
28 Aug 2013 | |
## AUTOREN | |
Eva Völpel | |
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