| # taz.de -- Merkels und Steinbrücks Rhetorik: Ellipsen als Politikersatz | |
| > In der Linguistik bezeichnet eine Ellipse das Auslassen von Satzteilen. | |
| > Bundeskanzlerin Merkel spart damit im Duell aus, was nach Kampf aussehen | |
| > könnte. | |
| Bild: Rhetorischer Schlagabtausch. Bundeskanzlerin Angela Merkel und Peer Stein… | |
| So war das schon an dem denkwürdigen Sonntagabend vor fünf Jahren, als die | |
| Bundeskanzlerin und ihr Finanzminister eine Garantieerklärung für deutsche | |
| Sparer abgaben. Beide verbindet mehr, als sie im Wahlkampf zugeben dürfen. | |
| Sie tragen beide blau. Sie tragen beide Sorge. Sie bringen das ganz | |
| unterschiedlich auf den Punkt. | |
| Der Herausforderer beginnt das Duell mit einer Schlussansprache. Da steckt | |
| viel drin. Das kann sich keiner merken. Der furiose Vortrieb geht verloren. | |
| Die Kanzlerin wehrt Steinbrücks Attacken durch Tricks ab. Einen hat sie | |
| erkennbar geübt: Ihr ungläubiger Blick von unten nach oben ist eine Figur | |
| aus dem Fundus des Volkstheaters. Merkel steht da wie eine Liesl Karlstadt. | |
| ## Progosen vom Lager | |
| Den Anfang aber vergeigt auch sie. „Wir werden im Jahr 2015 in einem Lager, | |
| in einer Lage sein, wo wir keine Schulden mehr machen.“ Das mit dem Lager | |
| hat niemand gemerkt. Der für die Merkel-Syntax zuständige Autopilot hat | |
| rechtzeitig eingegriffen. Merkels Autopilot kann endlose Satzkaskaden mit | |
| Finalsätzen basteln, denen die politische Finalität fehlt. | |
| Die Bundeskanzlerin überzieht alles, was einen Unterschied ausmachen | |
| könnte, mit einem Firnis unbestimmtester Gemeinsamkeit. Stefan Raabs erste | |
| Frage zielte genau darauf: Ob denn, wenn sie den Wahlomat gebraucht, am | |
| Ende auch CDU rauskommt. | |
| Bei Merkel kann nur CDU rauskommen, weil sie in den entleerten | |
| Programmkörper ihrer Partei alle guten Ideen der Konkurrenz hineingepackt | |
| hat, aber erst, nachdem sie ihnen die Zähne gezogen hat. | |
| Wie sie das macht? Durch das Sorgetragen. Das Sorgetragen ist eine Figur, | |
| die politische Verantwortung aus der Schusslinie nimmt. Die Figur | |
| verspricht nichts. Sie verkörpert eine Haltung, die für nichts in Haftung | |
| genommen werden kann. An der Figur des Sorgetragens prallt jede Kritik ab. | |
| Sie panzert und entwaffnet zugleich, hält die Räume offen auch für | |
| waghalsige Wendemanöver. | |
| ## Das große Sorge tragen | |
| Vielleicht ist das der Grund für Peer Steinbrück, Angela Merkels | |
| Lieblingsfigur in den eigenen Wortschatz übernommen zu haben. Steinbrück | |
| trägt auch Sorge, macht das aber kämpferischer, im Duell sogar gut. Dann | |
| kommt wieder Merkels Liesl Karlstadt-Blick. Die Attacke geht ins Leere. | |
| „Geht einmal euren Phrasen nach bis zu dem Punkt, wo sie verkörpert | |
| werden“, schreibt Georg Büchner in Dantons Tod. Das Verkörpern ist Merkels | |
| Sache nicht. Das ginge zu weit. Das überlässt sie den großen Bühnen. Das | |
| beobachtet sie von ihrem Logenplatz und transplantiert es entschärft ins | |
| politische Gefecht. | |
| In ihrem Maschinenraum des Politischen formt Merkel Ellipsen. In der | |
| Linguistik bezeichnet eine Ellipse das Auslassen von Satzteilen. Merkel | |
| formt politische Ellipsen. Auch sie spart etwas aus, allerdings nicht | |
| Satzteile oder Wörter. Sie spart den Sinn der Politik selbst aus. So nimmt | |
| sie aus dem Duell heraus, was den Eindruck eines Kampfes erwecken könnte. | |
| Der Herausforderer hat kämpferisch attackiert. Merkel ließ ihn ins Leere | |
| laufen. Das tut der Politik nicht gut, ist aber erkennbar egal. | |
| 2 Sep 2013 | |
| ## AUTOREN | |
| Hans Hütt | |
| ## TAGS | |
| TV-Duell | |
| Schwerpunkt Angela Merkel | |
| Peer Steinbrück | |
| Rhetorik | |
| Wahlkampf | |
| Schwerpunkt Bundestagswahl 2025 | |
| Schwerpunkt Angela Merkel | |
| TV-Duell | |
| TV-Duell | |
| Schwerpunkt Bundestagswahl 2025 | |
| Schwerpunkt Bundestagswahl 2025 | |
| Rhetorik | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Rhetorikanalyse des Wahlkampfs: „Alles Erdenkliche“ als Versprechen | |
| Die oft benutzten Glückwunschformeln bedeutet einfach alles und nichts | |
| zugleich. Das gilt insbesondere in der Welt der Politik. | |
| Debatte Wahlkampf: Streitet euch! | |
| Müde Kanzlerkandidaten, harmoniesüchtige Wähler und zahme Parlamentarier: | |
| Der deutschen Politik fehlt es an Leidenschaft. Mehr Misstöne müssen her. | |
| Trouble im Wahlkampf: Steinbrück sieht rot | |
| Es ist noch nicht ausgestrahlt, sorgt aber schon für reichlich Ärger: | |
| Steinbrück ist erzürnt über ein Interview Merkels. War's das mit der großen | |
| Koalition? | |
| TV-Duell Merkel gegen Steinbrück: Ist das schön hier | |
| Steinbrück geht die Kanzlerin an, ohne sie zu verletzen. Merkel präsentiert | |
| ein Land, in dem alles okay ist. Es war ein Schlagabtausch der verkopften | |
| Art. | |
| Ticker zum TV-Duell: Bitchy im Abgang | |
| Steinbrück möchte eine Regierung ohne Kreisverkehr. Merkel wünscht allen | |
| einen guten Abend. Gewinner des Abends ist aber Stefan Raab. | |
| TV-Duell vor Wahlen: Die Frisur entscheidet gar nichts | |
| Bereichern TV-Duelle die Demokratie? Die Forschung bereichern sie | |
| jedenfalls. Viele denken zudem erstmals darüber nach, was überhaupt zur | |
| Wahl steht. | |
| Steinbrück gegen Merkel im „TV-Duell“: Die vier aus dem Seehundbecken | |
| Bei ihrem Schlagabtausch vor laufender Kamera werden die Kanzlerkandidaten | |
| von vier Journalisten befragt. Dabei soll es auch um Syrien gehen. | |
| Vor dem TV-Duell der Kanzlerkandidaten: SPD hofft auf die klare Kante | |
| Die Umfragen sehen nicht gut aus für Merkel-Herausforder Steinbrück. Vor | |
| dem TV-Duell puscht die SPD ihren Spitzenmann verbal da lieber noch mal. | |
| Politik-Rhetorik auf dem taz.lab: Das verweigerte Gespräch | |
| Der Bürger ist zum Auslaufmodell der politischen Rede geworden. Weshalb er | |
| keine Erwähnung mehr in der Polit-Rhetorik erhält? | |
| Karl Heinz Bohrers Jugenderinnerungen: Der gefährliche Augenblick | |
| Kurz vor seinem 80. Geburtstag hat Karl Heinz Bohrer seine | |
| Jugenderinnerungen vorgelegt: Im Granatsplitter liegt für ihn die | |
| Faszination des Schreckens. |