Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Kommentar zum Wahlkampf: Hilfe, meine Freunde wählen CDU!
> Wenn Freunde mit linker Vergangenheit plötzlich rechts wählen – was ist
> da schiefgelaufen? Angeblich liegt es am abgedroschenen Dualismus der
> Linken.
Bild: Wenn Linke mit Merkel liebäugeln
Es ist zum Kotzen, aber selbst der lächerliche CDU-Wahlkampfsong schreckte
ihn nicht ab. K., langjähriger Freund und Ex-WG-Mitbewohner, war nicht mehr
davon abzuhalten. Er hat die CDU gewählt, zum ersten Mal in seinem Leben.
Mit Briefwahl, weil er am Wahlsonntag nicht in Berlin sein kann. Dann ist
nämlich Oktoberfest in München, da muss K. dringend hin.
Das Oktoberfest ist auch so eine Veranstaltung, die früher mal als
superspießig verschrien war. Jetzt aber ist es hip, dort im Trachtenjanker
aufzutauchen und sich mit alten Schulkameraden zu betrinken. Und K. fand es
plötzlich auch irre hip, der CDU die Zweitstimme zu geben, nachdem er sonst
immer sein Kreuzchen bei Grünen und SPD gemacht hatte.
Als Erststimme kreuzte K. irgendeinen chancenlosen Piraten an, aber das war
nur Angeberei, um zu zeigen, dass er sich nicht in irgendeine Schublade
stecken lässt, sondern superindividuell seine coole Entscheidung trifft.
Die Wahl der CDU, so behauptete K., sei nämlich keineswegs ein Wandel zum
Konservativen, wie man es bei vielen zu Geld gekommenen Mittfünfzigern
vermuten könnte. Nein, es sei eine „Protestwahl“ gegen die Miesmacherei,
die Verlogenheit der Linken. „Ist für mich inzwischen auch eine
Kulturfrage“, sagte mir K.
K. ist selbständiger Unternehmer, IT-Consultant, erfolgreich. Nicht nur er,
auch einige andere Selbstständige aus meinen Bekanntenkreis, darunter viele
Ärzte mit linker Vergangenheit, rücken damit heraus, dass sie diesmal mit
Merkel liebäugeln. Früher wählte der eine oder andere auch FDP, aber das
scheint vorbei zu sein.
## Ein Identitätsproblem
Klar liege das auch an den Steuerplänen von Grünen und SPD, räumte K. ein.
Umverteilung! Da wisse man nicht, wo „die Sozen“ das Geld „am Ende
verbraten“. Früher mal war K. aber durchaus für die Vermögensteuer. Ich
erinnere mich an eine Debatte Ende der Neunziger, als K. sogar behauptete,
eigentlich sei es absurd, dass Hochverdiener wie er Kindergeld bekommen.
Was also ist passiert ?
Es scheint ein Identitätsproblem zu sein. Er spüre Überdruss am
abgedroschenen Dualismus der Linken, der auf der einen Seite nur Gewinner,
Ausbeuter und auf der anderen Seite nur Opfer kennt, zu viele Opfer,
schimpfte K. beim Edelitaliener. Erbärmlich sei das, eine Weltsicht, die
immer nur das Haar in der Suppe suche.
Die sich über jeden Anstieg der Arbeitslosenzahl freue, weil man damit ja
nachweisen könne, dass alles wieder schlechter werde, sich irgendeine
soziale Kluft vertiefe und die Ungerechtigkeit zunehme, was wiederum die
Existenzberechtigung der Linken stärke. Verlogen sei das, ereiferte sich
K.. Die SPD-Politiker seien doch auch nur scharf auf Ministerposten mit
Superpension, gebärdeten sich aber, als seien sie die besseren Menschen.
Dabei müsse man nur durch die Großstädte in Südeuropa spazieren, um zu
sehen, in welchem Luxus wir lebten.
Ich werfe dann ein, dass leider immer die Partei, die in der Opposition
sei, das Haar in der Suppe suche. Das hätte die Union auch nicht anders
gemacht. Ich versuche, den Blick von K. auf die Wahlprogramme zu lenken.
Hey, wäre etwas mehr Bafög für die Studenten vielleicht doch ganz fair? Und
ein Mindestlohn für Regalauffüller im Supermarkt ? Ein bisschen mehr Geld
für die Pflege? K. liest leider keine Wahlprogramme.
Also lieber auf die ästhetische, auf die Kulturebene wechseln: Kann sein,
dass man hartgesotten sein muss, um es auszuhalten mit den Linken.
Vielleicht ist es wie in einer Langzeitehe, erkläre ich K. Durchhalten, das
ist Kult. Eine Affäre zwischendurch mag angehen, aber ausgerechnet mit der
CDU! Ich spiel ihm nochmal den Wahlsong der Christen vor, mit der
Häschen-Blondine am Mikro und dem hundeäugigen Jungen an der Gitarre.
Jugendfreizeit. Aber keine Politik. Also wirklich.
11 Sep 2013
## AUTOREN
Barbara Dribbusch
## TAGS
Schwerpunkt Angela Merkel
CDU
Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
Grüne
Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
Grüne
Netzbewegung
Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
ZDF
Schwerpunkt Angela Merkel
## ARTIKEL ZUM THEMA
Soziologe über Parteiprogramme: „Wachstum ist schlicht unerträglich“
Die Parteien haben keine Vorstellung mehr von Fortschritt und
Gerechtigkeit, sagt Claus Offe. Sie sind zu sehr mit der Vertuschung von
Rückschritten beschäftigt.
Grüne Selbstgeißelung im Wahlkampf: Zweifel statt Optimismus
Nur wer an den Sieg glaubt, hält die Partei zusammen. Viele Grüne sind
nicht so klug. Ihre Nörgelei wirkt kaum attraktiv für die Wähler.
Kommentar Umfragetief Grüne: Mut zum Verzicht
Trotz sinkender Umfragewerte sollten die Grünen offensiv für Konsum in
Maßen werben. Der Veggie-Day ist da eine gute Idee.
Umfragewerte der Grünen: Volkspartei ade?
Die Grünen haben so schlechte Umfragewerte wie seit Jahren nicht mehr.
Schuld daran sei die negative Berichterstattung über die
Pädophilie-Debatte.
Die Zukunft der Netzbewegung: Was tun! Aber was?
Snowdenleaks könnte für Internetaktivisten sein, was Tschernobyl für die
Atomkraftgegner war. Doch das Ziel ist zu abstrakt – und die Feinde auch.
Kommentar Merkel versus SPD: Tief gekränkt
Die SPD empört sich lautstark über die Kritik der Kanzlerin an ihrer
Europapolitik. Das klingt überdimensioniert. Doch Merkels Vorwurf ist
doppelt perfide.
Umfrage zeigt knappe Mehrheit: Schwarz-Gelb weiter vorn
Gut zweieinhalb Wochen vor der Wahl liegt im aktuellen Politbarometer die
schwarz-gelbe Koalition auch nach dem TV-Duell hauchdünn vorn. Die Grünen
stürzen hingegen ab.
Kommentar Kanzlerin Merkel: Besser mit als ohne Angela
Locker bei der Bildung, offen gegenüber Migranten: Merkel sollte weiter
Kanzlerin bleiben. Denn nur sie garantiert einen linksliberalen Kurs.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.