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# taz.de -- Serienfinale von „Breaking Bad“: Moralisch zweifelhaft
> Die letzte Folge der Dramaserie „Breaking Bad“ hat in den USA noch einmal
> einen neuen Zuschauerrekord aufgestellt. Walter White, du wirst fehlen.
Bild: Der Egomane nach der Einsamkeitsmeditation in Massachusetts: Ganz bei sic…
„I did it for me. I liked it. I was good at it and I was really – I was
alive.“ Eigentlich ist mit diesen Sätzen alles gesagt – in der letzten
Folge der letzten Staffel der stetig populärer gewordenen
state-of-the-art-US-Serie „Breaking Bad“.
Es ist ein kathartischer Moment, in dem Walter das letzte Mal mit seiner
Frau Skyler zusammentrifft. Eben noch warnte ihre Schwester sie am Telefon
vor dem mörderischen Monster, ihren Exmann, der sie heimzusuchen droht. Als
Skyler auflegt, wandert die Kamera weiter und der Zuschauer sieht Walter,
der schon die ganze Zeit bei ihr in der Küche steht – von einem Pfeiler
verdeckt. „5 Minutes.“ sagt sie.
Zusammen mit ihr und Walter White selbst sahen am Sonntagabend 10,3
Millionen Fernsehzuschauer der Wahrheit über diesen Mann ins Auge und
twitterten sich währenddessen die Finger wund. Die Serie gilt als eine der
innovativsten, aber auch brutalsten der vergangenen Jahre. Vor einigen
Tagen hat sie den Emmy für die beste Dramaserie in den USA gewonnen.
Während die Fans also ausgelassen twittern, gibt Walter sein über fünf
Staffeln mühsam in die eigenen Hände genommenes Schicksal nun bis zu seinem
unmittelbar bevorstehendem Lebensende nicht mehr aus der Hand. Nein, er ist
eben nicht nur der unterbezahlte Chemielehrer und Familienvater mit
Krebserkrankung. Er ist ein brillianter Chemiker mit jeder Menge sich in
krimineller Energie niederschlagender Wut. Und mit der Begabung, das beste
Crystal Meth der Welt zu produzieren.
Nachdem er die zu Anfang der Serie thematisierte ständige Angst – vor dem
Leben, dem Tod, der Welt – überwunden hat und sich täglich ein Stück mehr
entschließt, den Drogenmarkt oder die Weltherrschaft zu erobern, ist er
nicht mehr zu stoppen. Vermeintlich geht es zunächst um die finanzielle
Absicherung seiner Hinterbliebenen nach seinem Ableben. Dann irgendwann,
tja... nur noch um ihn.
Abgezockt werden, ertragen, ertragen, ertragen, die bittere Medizin der
Chemotherapie schlucken, alles schlucken – Walter White spielt nicht mehr
mit. Walter White wird erstmal etwas schizophren und entwickelt sein alter
ego Heisenberg, bis er, letztlich, er selbst wird.
## Was er verdient
Walt besiegt die Angst, zeitweise auch den Krebs und alles, wofür er sich
selbst verachtete. Dass er sich, bevor er die Lehrerlaufbahn einschlug, aus
seinem eigenen aufstrebenden Unternehmen hat rauskegeln lassen, hat er bis
zur letzten Folge weder sich noch seinen ehemaligen Partnern Elliot und
Gretchen Schwartz verziehen. Und so ist es nur konsequent, dass er beim
Großreinemachen in seinem Leben auch mit diesen Gutmenschen abrechnet, sie
in die Pflicht nimmt sein Drogengeld reinzuwaschen und seinen Kindern zu
vermachen. Und er sorgt dafür, dass sie nie wieder ohne Angst leben werden.
Rache ist süß.
Zu den Klängen von [1][Badfingers „Guess I got what I deserve“] endet die
letzte Einstellung, entfernt sich die Kamera langsam aus der Szene, in der
Walter im Meth-Lab tödlich getroffen zusammenbricht wie Cheyenne in „Spiel
mir das Lied vom Tod“ – ob Leberschuss oder nicht, auf jeden Fall tödlich.
Im Gesicht eine Andeutung eines entrückten Lächelns. Eine Sequenz, die
selbst als Endlosschleife nicht oft genug angeguckt werden kann.
Walts Ende war unausweichlich, und dass es letztlich eine seiner eigenen
Kugeln war, mit denen er eine Nazi-Killer-Gang niedermähte, ist Ironie,
aber auch konsequent. Das Gemetzel erfolgt sehr zur Befriedigung der
Zuschauer und ungeachtet der Unwahrscheinlichkeit, dass diese Mission
erfolgreich enden konnte, denn die Welt ist definitiv eine bessere, ohne
diese Leute.
Und damit die Welt des Walter White und die des Zuschauers auch ansonsten
eine bleibt, aus der er sich mit einer gewissen Größe verabschieden und die
man getrost loslassen kann, kommt der schon verloren geglaubte,
weitestgehend lebensunfähige Kumpane Jesse ebenfalls mit einem irren Lachen
lebendig davon. Ein weiterer ängstlicher Mensch, der keine Angst mehr zu
haben braucht und sich nun der Holzschnitzerei widmen kann.
## Die einzige große Liebe
Im Auto rast der junge Mann in die nächtliche Wüste von New Mexico hinaus,
in der einst alles in einem alten Campingwagen begann und durch die Walter
noch vor zwei Folgen zu den Klängen von [2][„Take my true love by the Hand“
von den Limeliters] seine letzte Tonne Geld mit 10 Millionen Dollar rollte.
Gerade war er Zeuge geworden, wie sein Schwager und dessen DEA-Kollege in
einem Western-Showdown par excellance brutal von Walters
Nazi-Geschäftspartnern abknallt und in der Geldgrube verscharrt worden
sind.
Auch deren Zwischengrab gibt Walter noch bekannt, damit sie beerdigt und
betrauert werden können. Und der neue Kopf des Meth-Labors, die
Louboutin-Stevia-Schnepfe Lydia, wird endlich das Opfer des Gifts Rizin,
das Walter noch loswerden musste – somit sind auch diese beiden Gefahren
beseitigt.
„Wäwäwä, allen wohl und keinem weh... Immer nur so wie Walt will“, wird …
letzte Folge nun stellenweise kritisieren. Aber mal im Ernst, am 52.
Geburtstag zu sterben, von der Familie gehasst und gefürchtet, die kleine
Tochter nicht aufwachsen sehen zu können, ist nun auch nicht das happieste
aller Enden – man kann nicht alles haben. Dass Walter sich jetzt sehenden
Auges dem Tod stellt, anstatt erst noch vom Krebs völlig zerfressen zu
werden, ist ein Schicksal, dass er sich in diesen fünf Staffeln unehrlich
verdient hat.
Lieber böse als gut zu sein und wenn gut in etwas zu sein, dann in etwas
Bösem – das ist großer und gern genommener Filmstoff. Aber sowas Schönes,
Irres und so Ambivalentes wie „Breaking Bad“, das gab's noch nicht. Es gab
keinen Gangsterkult und keine Moralinsäure, keine Mode und vieles nicht,
was bisher immer dazu gehörte. Weniger ist mehr.
Vince Gilligan, der Erfinder der Serie, überlässt selbst die
Schlussinterpretation nicht dem Zufall. So kommt es auf halber Strecke zu
einem, die ganze Serie treffend beschreibenden Dialog von Walt mit
Randprotagonisten, der an Deutlichkeit über die üblichen kleinen
Verweisstücke weit hinausgeht: Der Kleinkriminelle Badger sagt zu Walt nach
ausgeführtem Auftrag: „I don't know how to feel about all this.“ Und sein
Kumpel Skinny Pete darauf: „For real, yo; the whole thing felt shady
morality-wise.“ Walt drückt jedem daraufhin ein Bündel Geldscheine in die
Hand: „Besser?“
Ach Walt, danke, uns gehts prima.
1 Oct 2013
## LINKS
[1] http://www.youtube.com/watch?v=C53QAuOoSgc
[2] http://www.youtube.com/watch?v=14PejsN99ng
## AUTOREN
Julia Niemann
## TAGS
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