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# taz.de -- Redaktionsbesuch bei den Serienjunkies: Erfolgsvorhersage schwierig
> Diese Woche verkünden US-Sender, welche Serien kommende Saison laufen.
> Auch in Deutschland ist das Interesse riesig.
Bild: Dass „Breaking Bad“ so erfolgreich werden würde, war während der er…
Seit Montag herrscht in der Redaktion von serienjunkies.de Urlaubssperre.
„Das ist für uns die wichtigste Zeit im Jahr“, sagt Hanna Huge, die
stellvertretende Geschäftsführerin und Teilhaberin des TV-Serienportals.
In New York finden nun eine Woche lang die sogenannten Upfronts statt.
Jeden Tag gibt einer der fünf großen US-amerikanischen TV-Sender – NBC,
Fox, CBS, ABC und The CW – bekannt, welche Serien in der kommenden Saison
verlängert oder abgesetzt und welche neu ins Programm aufgenommen werden.
„Während dieser Zeit schieben wir 24-Stunden-Schichten“, sagt Huge. „Uns…
Leser wollen zeitnah wissen, ob ihre Lieblingsserie in eine neue Staffel
geht.“ Das kleine Büro mit den zehn Arbeitsplätzen in Berlin-Friedrichshain
wird dann zur Zentrale, in der meist via Twitter die Infos zusammengetragen
und kommentiert werden.
US-amerikanische TV-Serien sind in den letzten Jahren immer wichtiger
geworden – auch für deutsche ZuschauerInnen. Mit dem Interesse wuchs auch
der Bedarf an Hintergrundinformationen. serienjunkies.de will diesen Bedarf
abdecken: mit Nachrichten, welche Darsteller von den US-Networks für welche
Serie gecastet wurden, mit Rezensionen der einzelnen Staffeln und Folgen
beliebter Serien und seit Neuestem auch mit Podcasts, in denen
RedakteurInnen die einzelnen Serien kommentieren.
## Über eine Million Klicks
„Serien sind schon lange keine Nische mehr“, sagt Huge. Sie hat diese
Entwicklung früh erkannt. Mariano Glas, mit dem Huge die Website betreibt,
hatte die Seite ursprünglich aus eigenem Interesse gebaut. „Er wollte eine
Übersicht haben, welche Serien in den USA wann und wo laufen“, erinnert
sich Huge. Später kamen News hinzu, sodass eine Art rudimentärer Infodienst
entstand. 2008 dann stieg Huge, die BWL studiert hatte und in Wien für ein
IT-Unternehmen arbeitete, ein – und baute zusammen mit Glas und Bernd
Michael Krannich, selbst Serienfan der ersten Stunde und mittlerweile
Newschef bei serienjunkies.de, die Redaktion in Berlin auf.
Mittlerweile arbeiten dort neun fest angestellte RedakteurInnen und etliche
Freie. An einem der Bürostühle ist ein „Eiserner Thron“ aus Plastik aus d…
Serie „Game of Thrones“ befestigt, jedoch sieht er wenig erhaben aus. Die
labbrigen Plastikspitzen knicken immer wieder ein. Walter Whites gelber
Laboranzug aus „Breaking Bad“ liegt griffbereit im Regal. Man merkt: Die
RedakteurInnen sind ebenso große Fans wie ihre LeserInnen.
Das Portal trägt sich selbst – in erster Linie über Werbung und Links zu
Kaufangeboten von DVDs. Und die Website hat laut Selbstauskunft über eine
Million Unique User pro Monat – Klicks also, die von unterschiedlichen
IP-Adressen getätigt werden. Im Januar 2008, als serienjunkies.de erstmals
online ging, waren es noch 300.000. „Wenn überhaupt“, sagt Huge.
Für das wachsende Interesse deutscher ZuschauerInnen an US-Serien machen
Huge und Krannich verschiedenen Faktoren verantwortlich: „Spätestens mit
der Möglichkeit, Serien staffelweise halbwegs günstig auf DVD zu kaufen und
anzuschauen, hat sich das Sehverhalten verändert“, sagt Krannich.
## Netflix soll expandieren
Will heißen: Man muss nicht mehr Woche für Woche warten, bis es weitergeht.
Das sei vor allem bei US-Serien wichtig, ergänzt Huge. Denn diese haben
eine andere Erzählstruktur als in deutschen Fernsehproduktionen üblich.
Während im „Tatort“ sonntäglich ein Kriminalfall aufgeklärt wird und kein
Cliffhanger am Ende nötig ist, bauen die meisten US-Serien aufeinander auf.
Wer nicht dranbleibt und eine oder mehrere Folgen verpasst, kapiert
irgendwann nicht mehr, worum es geht.
Die Folge? „Binge Watching“, also das Schauen von mehreren Episoden oder
Staffeln einer Serie am Stück. Streamingportale wie Watchever, Maxdome,
Amazone Prime und Myvideo greifen genau diesen Trend auf und profitieren
davon. Angeblich will auch das US-amerikanische Streamingportal Netflix
demnächst nach Europa expandieren.
„Trotzdem schaut immer noch die Mehrheit der deutschen Fans ihre
Lieblings-US-Serien im Free-TV“, sagt Huge. Und damit nimmt laut der
Serienexpertin der Teufelskreis auf dem deutschen Fernsehmarkt seinen Lauf.
Die wenigsten deutschen TV-Sender trauen ihren ZuschauerInnen zu, Woche für
Woche dranzubleiben – und greifen deshalb zu einer Notlösung. „RTL2 zeigt
die aktuelle Staffel von ’Game of Thrones‘ als Event“, erklärt Huge; also
die ganze Staffel innerhalb einer Woche oder an einem Wochenende und
mehrere Folgen an einem Stück.
Weniger erfolgreiche US-Serien werden innerhalb der Staffel einfach
abgesetzt, so wie jüngst „Sleepy Hollow“ bei Pro7, ins Nachtprogramm
verschoben oder zu Spartensendern wie RTLNitro und ProSiebenMaxx
ausgelagert. „Dort sind geringere Einschaltquoten okay“, sagt Huge.
Dennoch: „Der deutsche Zuschauer wird fast gezwungen, Serien bei
Video-on-Demand-Portalen oder im Pay-TV zu schauen, weil er im Free-TV so
stiefmütterlich behandelt wird.“
## Das goldene Zeitalter begann mit „24“
In den USA funktioniert der Markt längst ganz anders. 2001 habe bei HBO das
„goldene Zeitalter“ der Serien begonnen. „24“ war die erste Serie, für…
mit Kiefer Sutherland ein aus dem Kino bereits bekannter Darsteller
gecastet wurde. „Er war auch der Erste, der für seine Rolle nicht mehr
belächelt wurde“, sagt Huge. Heute seien 10 Millionen Dollar Gage pro
Staffel keine Seltenheit mehr.
Das ist mehr als für so manchen Hollywood-Blockbuster. „Leisten können sich
die Serienmacher solche Gagen, weil sie über die DVD-Verkäufe und den
Verkauf von Wiederholungs- und Zweitausstrahlungsrechten sehr viel Geld
verdienen“, erklärt Huge. So zahlte der Sender TBS offenbar eine Million
Dollar pro Folge für die Wiederholung von „The Big Bang Theory“ an die
Produktionsgesellschaft Warner.
Mittlerweile ist die Serienflut in den Staaten immens. „Allein jetzt im
Herbst starten 60 bis 70 neue Serien in den USA“, sagt Huge. Man komme kaum
hinterher. Wie viele Serien es insgesamt gibt, können die RedakteurInnen
von serienjunkies.de längst nicht mehr sagen.
Sicher ist nur: Mittlerweile können sich auch Streamingportale wie Netflix,
die über keinen großen Network-Background verfügen, die Produktion von
Serien leisten, wie jüngst bei „House of Cards“. Und auch Spartensender wie
History Channel, die früher in erster Linie Dokumentationen zeigten,
steigen ins Geschäft mit ein, wie die Serie „Vikings“ beweist.
## Ratespiel um Riesenhype
Vorherzusagen, welche Serie am Ende erfolgreich wird und welche floppt,
gelingt auch den ExpertInnen nicht. Selbst „Breaking Bad“, die Serie, in
der Walter White vom biederen Chemielehrer zu einem der wichtigsten
Chrystal-Meth-Köche Amerikas und zum rücksichtslosen Kriminellen avanciert,
lief anfangs schlecht an. „Erst mit der fünften Staffel kam der
Riesenhype“, sagt Huge.
Deshalb sind die Upfronts für die Redaktion auch immer ein Ratespiel. „Wir
sind selbst Fans“, sagt Huge. „Wir warten gespannt darauf, zu sehen,
welcher Sender welche Serie parallel zur Konkurrenz ins Programm aufnimmt
und welche Serie im Werbungsverkauf die meisten Einnahmen verzeichnet.“
Dann fügt sie hinzu: „Ein bisschen nerdy ist das schon.“
13 May 2014
## AUTOREN
Marlene Halser
## TAGS
Breaking Bad
Game of Thrones
US-Serie
Coming-of-Age
Hollywood
US-Serie
Serie
ProSieben
Netflix
Breaking Bad
The Sopranos
Serien
Breaking Bad
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