| # taz.de -- Shutdown in den USA: Eine Stadt leidet | |
| > Seit Dienstag herrscht in den USA Haushaltsnotstand. Die Folgen machen | |
| > sich im ganzen Land bemerkbar. Vor allem aber in Washington. | |
| Bild: Noch im Dienst: Polizeihund Echo schiebt Wache vor dem Capitol. | |
| WASHINGTON taz | Mazen lehnt sich aus dem Fenster seines fahrbaren Buffalo | |
| Wings-Imbisses heraus und schaut auf das leere Trottoir an der C-Street. An | |
| normalen Werktagen um 1 Uhr mittags warten dort Dutzende von Menschen, um | |
| ihr Mittagessen zu kaufen. | |
| An diesem dritten Tag der „Regierungs-Stillegung“ in Washington sind | |
| zahlreiche Imbiss-Trucks gar nicht mehr an die Straßenkreuzungen gekommen. | |
| Viele Beschäftigte in der benachbarten Luftsicherheitsbehörde, dem | |
| Erziehungsministerium und dem umliegenden Energieministerium, sind im | |
| unbezahlten Zwangsurlaub. „Wenn es so weitergeht“, sagt Mazen, „müssen w… | |
| alle unser Geschäft schließen.“ | |
| Die weiße Kuppel des Kapitols, wo Repräsentantenhaus und Senat tagen, | |
| überragt die Straßenkreuzung aus der Ferne. Weil die beiden Kammern sich | |
| nicht auf einen neuen Haushalt für das am 1. Oktober begonnene | |
| Geschäftsjahr einigen konnten, kam es zur Stilllegung der Regierung. | |
| Dahinter steckte keine Finanznot. Sondern eine Taktik der radikal rechten | |
| Tea Party – und mit ihr der Führung der Republikanischen Partei. Sie wollen | |
| einen neuen Haushalt nur bewilligen, wenn zugleich die längst | |
| verabschiedete Gesundheitsreform rückgängig gemacht, oder zumindest | |
| finanziell ausgehungert wird. | |
| Die demokratischen Abgeordneten – und mit ihnen US-Präsident Obama – lehnen | |
| diese Verknüpfung zweier nicht zusammenhängenden Dinge in einem Gesetz ab. | |
| Sie bestehen auf ein reines Haushaltsgesetz. Seit Tagen spielen sich das | |
| republikanisch beherrschte Repräsentantenhaus und der demokratische Senat | |
| immer neue, für die andere Seite inakzeptable, Gesetzesentwürfe zu. | |
| ## 800.000 Mitarbeiter im Zwangsurlaub | |
| Nicht nur bei den Imbiss-Trucks, sondern auch in den Büros rund um die | |
| Straßenkreuzung fordert das Patt im Kongress Opfer. Sowohl in den | |
| Ministerien, wo seit Dienstag das Fußvolk fehlt. Als auch bei den privaten | |
| Vertragsunternehmen, die im Auftrag der Regierung arbeiten. | |
| „Es ist traurig“, beschreibt es eine Beschäftigte des | |
| Transportministeriums, die ihren Namen nicht nennen will. Ihre eigene | |
| Arbeit ist als so „wesentlich“ eingestuft worden, dass sie trotz des | |
| Shutdown weiter kommen muss. Aber 50 Prozent ihrer Kollegen fehlen. Morgens | |
| auf dem Weg zum Ministerium denkt sie an die anderen, die Zuhause bleiben | |
| müssen. Und keinen Lohn bekommen. | |
| Bei der Arbeit muss sie Überstunden machen, um wenigstens einen Teil des | |
| anstehenden Pensums zu bewältigen. „Das einzig Gute ist, dass ich morgens | |
| nicht im Stau stehe“, stellt ein Mann lakonisch fest. Er arbeitet in einem | |
| Privatunternehmen, dass für das Erziehungsministerium arbeitet. Jedoch mit | |
| seiner Arbeit kommt er seit Dienstag nicht voran. Ihm fehlen die | |
| Ansprechpartner im Ministerium. Sie sind es, die bestellen, entscheiden, | |
| abnehmen. | |
| Er schlägt vor, dass die Kongressabgeordneten wegen ihrer Unfähigkeit | |
| ebenfalls als „nicht wesentliche Beschäftigte“ eingestuft, nach Hause | |
| geschickt und nicht bezahlt werden. Die US-Regierung ist die größte | |
| Arbeitgeberin des Landes. Sie hat 800.000 Regierungsmitarbeiter in den | |
| Zwangsurlaub geschickt. Zigtausende weitere müssen arbeiten, bekommen aber | |
| vorerst keinen Lohn. | |
| ## „Wegen Shutdown geschlossen“ | |
| Daniel Zazueta, der im Energieministerium für alternative Energien | |
| zuständig ist, befürchtet, dass der Shutdown noch bis Mitte Oktober dauern | |
| könnte. „Die Tea Party will die Regierung schrumpfen“, sagt er, „von ihr… | |
| eigenen Basis hat sie nichts zu befürchten.“ Seit ihrem Entstehen vor vier | |
| Jahren trommelt die Tea Party gegen die Regierung, die sich nach ihrer | |
| Ansicht zu sehr für Arme, für Angehörige von Minderheiten und für | |
| Einwanderer einsetzt. | |
| „Die Spitze der Republikanischen Partei muss die Tea Party zur Vernunft | |
| bringen“, sagt ein Lobbyist vor einem indischen Imbiss-Truck. Er ist strikt | |
| dagegen, dass Präsident Obama der Erpressung nachgibt: „Dann werden sie | |
| immer maßlosere Forderungen stellen. Und wir alle bleiben Geiseln dieser | |
| Minderheit.“ Der Lobbyist arbeitet seit 25 Jahren in Washington und sagt, | |
| dass er da noch nie „eine so extremistische Stimmung“ erlebt hat. | |
| „Wegen Shutdown geschlossen“ steht auf den Webseiten und an den | |
| Eingangstüren der meisten Regierungsstellen. Sämtliche regierungseigenen | |
| Museen sind zu. Die Mall, die große Grünfläche in der Stadtmitte von | |
| Washington, die zu der Verwaltung für Nationalparks gehört, ist für den | |
| Verkehr gesperrt. Ein Fahrradrennen, das am Wochenende durch die Mall | |
| führen sollte, muss umgeleitet werden. Sämtliche in der Mall befindlichen | |
| Gedenkstätten für Kriege, für tote Präsidenten und für den Bürgerrechtler | |
| Martin Luther King sind mit orangefarbenen Plastikbändern abgesperrt. | |
| ## „80 Leute von der Tea Party verantwortlich“ | |
| Am Memorial für den Zweiten Weltkrieg versammeln sich ein paar Dutzend | |
| Veteranen des Koreakriegs aus Iowa und Illinois neben dem abgeschalteten | |
| Springbrunnen. Parkangestellte lassen sie – und niemanden sonst – auf das | |
| Gelände. Ein paar Kongressabgeordnete haben trotz Haushaltskrise genügend | |
| Zeit, um dabei zu sein. Seit Dienstag verschicken die Republikaner | |
| Presseerklärungen, die klingen, als ob die Absperrung des Kriegsdenkmals | |
| das größte Problem des Shutdown wäre. | |
| „Danke für Euren Dienst“, sagen die Politiker den alten Männern. Und | |
| drängen sich für Fotos ganz nah an sie heran. Aber längst nicht alle | |
| Veteranen spielen bei dem Ablenkungsmanöver mit. Viele gehen den Politikern | |
| aus dem Weg. Der 77-jährige Koreaveteran Tom Burke ist mit der Gruppe aus | |
| Iowa eingeflogen. An seinem Tag in Washington wollte er unter anderem das | |
| Raumfahrtmuseum besuchen. Er macht „80 Leute von der Tea Party im | |
| Repräsentantenhaus“ dafür verantwortlich, dass es geschlossen ist. „Sie | |
| wollten von Anfang an die erschwingliche Gesundheitsversorgung verhindern“, | |
| sagt er wütend. | |
| „Unsere Veteranen haben ihren Job getan. Jetzt ist es am Kongress, den | |
| seinen zu tun“, steht auf dem handgeschriebenen Transparent, das der | |
| 37-jährige Matthew Kustenbauder am Eingang zur Gedenkstätte hoch hält. Die | |
| republikanischen Abgeordneten schauen weg, als sie an dem jungen Mann | |
| vorbei gehen. Einer sagt ihm: „Wer seine Arbeit tun müsste, ist Obama.“ | |
| Aber die meisten Veteranen nicken Kustenbauer zustimmend zu. Manche sagen: | |
| „Danke.“ | |
| 4 Oct 2013 | |
| ## AUTOREN | |
| Dorothea Hahn | |
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