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# taz.de -- Kommentar Flüchtlingstragödie: Das Entsetzen ist zynisch
> EU-Politiker verneigen sich zwar vor den Toten. An der Situation der
> Überlebenden ändern sie jedoch nichts, sondern forcieren die Abschottung
> der Grenzen.
Bild: Sie kümmern sich. Zu spät.
Es reicht. [1][Wieder ein Flüchtlingsdrama im Mittelmeer] mit Dutzenden
Toten, wieder Fassungslosigkeit bei Hinterbliebenen und Entsetzen bei
Politikern.
Das Entsetzen ist zynisch. EU-Verantwortliche verneigen sich vor den Toten
auf Lampedusa, aber nicht vor den Überlebenden. Papiere bekommen diese
nicht, sie harren weiter im Elend.
Es gilt, an Grundwerte zu erinnern, die zu Unrecht als „europäisch“
bezeichnet werden. Menschenrechte sind unteilbar. Einwanderer sind
menschenwürdig zu behandeln, egal welche Papiere und Stempel sie tragen.
Reisende auf untauglichen Booten auf hoher See sind zu bergen, bevor die
Boote sinken. Das Recht auf Freizügigkeit, das die Deutschen am 3. Oktober,
am Tag der Deutschen Einheit, direkt nach dem Ertrinken Hunderter vor
Lampedusa feierten, gilt für alle.
Das sind Sätze, die sich kein europäischer Politiker mehr zu sagen traut.
Parteiübergreifend werden in Deutschland, das so viel unter Mauer und
Teilung gelitten hat, „offene Grenzen“ für Nichtdeutsche als unrealistisch
verworfen. Aber wer offene Grenzen als unzumutbar ablehnt, sollte nach
Zehntausenden Toten im Meer benennen können, wie viele Menschenleben ein
zumutbarer Preis für die Abschottung sind.
Stattdessen verschließt die europäische Politik die Augen vor sich selbst.
Europa finanziert mit Milliardenaufwand in Afrikas Konfliktgebieten
Friedenstruppen der UNO, zu deren Mandat „Schutz der Zivilbevölkerung“
gehört.
Aber niemand schützt die Zivilbevölkerung im Mittelmeer. Europa finanziert
mit Milliardensummen in Afrika Hilfswerke, die Flüchtlinge in
Bürgerkriegsgebieten registrieren und versorgen. Aber niemand registriert
und versorgt die Flüchtlinge und Migranten auf der Nordseite der Sahara.
Europa schickt Berater für Grenzsicherung nach Nordafrika. Aber niemand
schickt den Flüchtlingen und Migranten Berater fürs Überleben.
Es ist aber nicht nur ein Problem Europas. Die Toten haben
Staatsbürgerschaften und Regierungen. Wann also greift endlich einmal eine
Regierung aus Afrika zu entschlossenen Maßnahmen, um ihre Bürger im Ausland
zu schützen? Welche afrikanische Botschaft in Europa organisiert
Solidarität mit den eigenen Mitbürgern vor der Tür? Diese Art von
Verantwortung ist den allermeisten afrikanischen Regierungen fremd.
Menschenrechte sind unteilbar. Politische Verantwortung auch.
13 Oct 2013
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## AUTOREN
Dominic Johnson
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