# taz.de -- EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei: Man redet wieder miteina… | |
> Die EU setzt die Gespräche mit der Regierung in Ankara fort. Nach drei | |
> Jahren Stillstand, Kritik und gegenseitigem Misstrauen. | |
Bild: Neue Runde der Langszeitverhandlungen. | |
ISTANBUL taz | Nach drei Jahren Stillstand wollen die Türkei und die | |
Europäische Union ein neues Kapitel in den EU-Beitrittsverhandlungen | |
eröffnen. Noch im Juni hatte die Bundesregierung mit Verweis auf die | |
brutalen Polizeieinsätze gegen Demonstranten der Gezi-Bewegung gebremst und | |
durchgesetzt, dass die Wiederaufnahme der Gespräche auf den Herbst vertagt | |
wird - vorausgesetzt, der dann vorliegende jährliche Fortschrittsbericht | |
der EU-Kommission rechtfertige die Eröffnung eines neuen Kapitels. | |
Der am letzten Mittwoch veröffentlichte Bericht erneuert zwar die Kritik an | |
den Polizeieinsätzen und der mangelnden Dialogbereitschaft der Regierung | |
mit der Protestbewegung, beschreibt gleichwohl aber die letzten | |
Reformvorschläge von Ministerpräsident Tayyip Erdogan vom 30. September als | |
„Schritte in die richtige Richtung“. Am Dienstag beschlossen nun die | |
EU-Außenminister bei einem Treffen in Luxemburg, am 5. November das Kapitel | |
22, Regionalpolitik, offiziell zu eröffnen. | |
Bedeutsam daran ist, dass es nun überhaupt in den Verhandlungen zwischen | |
der Türkei und der EU wieder vorangehen soll. Viele Beobachter hatten | |
längst die Frage gestellt, ob in der Türkei noch ein Interesse am Beitritt | |
besteht und ob sich in der EU noch genügend Befürworter finden würden. | |
Seit dem Beginn der Verhandlungen 2005 hatte es praktisch vom ersten Tag an | |
gehakt. Die damals neue, CDU-geführte Bundesregierung wollte privilegierte | |
Partnerschaft statt Beitritt, Frankreichs damals neuer Präsident Nicolas | |
Sarkozy wollte die Türkei gar nicht dabeihaben, und Griechisch-Zypern | |
sorgte dafür, dass acht von 35 Beitrittskapiteln blockiert wurden. | |
## Etwas bessere Rahmenbedingungen | |
Das führte dazu, dass bislang lediglich über 14 eher unbedeutende Kapitel | |
geredet wurde, ohne auch nur eins davon abzuschließen. Die gleichzeitig mit | |
der Türkei gestartete Republik Kroatien hat dagegen in derselben Zeit ihre | |
Beitrittsgespräche erfolgreich absolviert. | |
Nach wie vor hat die EU massive Kritik an der Lage der Menschenrechte in | |
der Türkei, etwa an der eingeschränkten Meinungsfreiheit oder der politisch | |
gefärbten Justiz. Dennoch sind die Rahmenbedingungen jetzt etwas besser als | |
in den letzten Jahren - auf beiden Seiten. | |
In der EU sieht es für die Türkei etwas freundlicher aus, weil der jetzige | |
französische Präsident François Hollande nicht mehr so kategorisch gegen | |
Ankara ist wie sein Vorgänger. Die Zyperngriechen haben aufgrund ihres | |
ökonomischen Desasters wieder etwas mehr Interesse an einer Aussöhnung mit | |
den türkischen Zyprioten. Und nicht zuletzt wird sich eine Große Koalition | |
in Deutschland kooperativer geben als Schwarz-Gelb in den letzten Jahren. | |
Die Ambitionen und Hoffnungen der Türkei, selbst zur bestimmenden | |
Regionalmacht vom Balkan bis Ägypten zu werden, haben sich mit dem Putsch | |
gegen Mohammed Mursi in Ägypten und dem Drama in Syrien weitgehend | |
erledigt. Und: Nach einem zehn Jahre anhaltenden Boom schwächelt derzeit | |
auch die türkische Wirtschaft. Deshalb besinnt man sich in Ankara nun doch | |
wieder stärker auf die EU und wäre wohl auch eher bereit, einige Vorbehalte | |
aus Brüssel auszuräumen. | |
Da passt die Forderung des scheidenden deutschen Außenministers Guido | |
Westerwelle, jetzt möglichst schnell auch die Kapitel 23 und 24 zu | |
eröffnen, weil es darin dann endlich um substanzielle Fragen der Justiz und | |
der Menschenrechte geht. Dann müsste die türkische Regierung zeigen, ob sie | |
wirklich noch zu echten demokratischen Reformen bereit ist. | |
22 Oct 2013 | |
## AUTOREN | |
Jürgen Gottschlich | |
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