| # taz.de -- Tunnel unter dem Bosporus in Istanbul: In 4 Minuten von Asien nach … | |
| > Die Istanbuler können künftig mit der S- und U-Bahn unter dem Bosporus | |
| > fahren. Das interkontinentale Megaprojekt ist Teil einer umfassenden | |
| > Verkehrsplanung. | |
| Bild: Zehn Jahre mussten die Istanbuler warten: Nun ist es so weit. | |
| ISTANBUL taz | Am Dienstag ist es so weit. Die Lücke zwischen Europa und | |
| Asien, der Bosporus, die Meerenge, die mitten durch Istanbul führt und | |
| bislang nur von zwei Autobrücken überspannt wird, ist ab heute auch für den | |
| Schienenverkehr kein Hindernis mehr. | |
| Zusammen mit dem japanischen Premier Shinzo Abe und dem gesamten türkischen | |
| politischen Establishment eröffnet Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan | |
| am Nachmittag einen U-, S- und Fernbahntunnel unter dem Bosporus. Der | |
| Marmaray-Tunnel ist das ambitionierteste Infrastrukturprojekt in der | |
| Geschichte der Türkei. Rund 4,5 Milliarden Dollar hat es gekostet, es soll | |
| täglich bis zu 1,5 Millionen Menschen befördern. | |
| Knapp zehn Jahre haben die Istanbuler darauf gewartet, dass das | |
| Marmaray-Projekt fertig wird. Rund 3 Millionen von den 15 Millionen | |
| Einwohnern der größten Stadt Europas müssen jeden Morgen über den Bosporus, | |
| um zur Arbeit zu kommen. Die Folge sind endlose Staus vor den beiden | |
| Bosporusbrücken, wo vorzugsweise eine Person in einem Auto bis zu zwei | |
| Stunden braucht, um im Schritttempo über die Brücke zu gelangen. | |
| Diejenigen, die weniger autoverliebt sind, drängen sich auf Fähren und | |
| Motorbooten. | |
| ## Eine Betonröhre auf dem Grund der Meerenge | |
| Das soll jetzt anders werden. Auf tausenden Plakaten in der ganzen Stadt | |
| und in Fernsehspots preist Erdogan rechtzeitig vor den Kommunalwahlen im | |
| nächsten Frühjahr die Vorteile von Marmaray an. „In vier Minuten von Asien | |
| nach Europa“ ist tatsächlich ein unschlagbares Argument. Generationen von | |
| Istanbulern haben davon geträumt, Pläne für den Bau eines Tunnels reichen | |
| bis ins Osmanische Reich zurück. | |
| Was die meisten nicht wissen: Die U-, S- und Fernbahnen, die nun im | |
| Minutentakt unter dem Bosporus durchrauschen werden und nicht nur Eminönü | |
| mit Üsküdar, sondern auch „London mit Peking“ verbinden, fahren nicht dur… | |
| einen Tunnel, sondern durch eine Betonröhre, die auf dem Grund der Meerenge | |
| liegt. | |
| „Ein Tunnel wäre zwar technisch einfacher gewesen“, sagte Hermann Haass, | |
| ein Mitarbeiter der deutschen GIZ, der zum Beraterstab des | |
| Marmaray-Projekts gehörte, „war aber für den Zugverkehr nicht machbar. Um | |
| die nötige Tiefe für einen Tunnel zu erreichen, wäre das Gefälle so groß | |
| geworden, dass die Züge den Anstieg aus dem Tunnel heraus nicht mehr | |
| geschafft hätten“. | |
| ## Eine technische Meisterleistung | |
| Deshalb hat man eine 1,4 Kilometer lange Betonröhre auf dem Grund des | |
| Bosporus verlegt, die 62 Meter unter der Wasseroberfläche verläuft und | |
| damit die tiefste Schienenquerung unter Wasser weltweit ist. Der Bau der | |
| Betonröhre war eine technische Meisterleistung japanischer Ingenieure. | |
| Wenn man weiß, dass das Wasser im Bosporus an der Oberfläche vom Schwarzen | |
| Meer ins Marmarameer strömt, am Grund aber in die Gegenrichtung fließt, | |
| kann man ermessen, welches Feingefühl nötig war, um die jeweils 60 Meter | |
| langen Teilstücke der Röhre miteinander zu verbinden. | |
| Doch die neue Verbindung unter dem Bosporus stößt auch auf Skepsis. „Stell | |
| dir vor, es gibt einen Wassereinbruch, während du da unten durchfährst, | |
| oder dich erwischt gar ein Erdbeben am Meeresgrund“, sagt Ayse, die sich | |
| die Eröffnungsarbeiten anschaut, „das ist ja ein Albtraum.“ | |
| Auch die Planer gehen davon aus, dass es zunächst Akzeptanzprobleme geben | |
| wird. „Doch das wird sich schnell geben“, glaubt der an der Planung | |
| beteiligte Vertreter der Istanbuler Verkehrsbetriebe, Hasan Bey. „Die | |
| Vorteile sind einfach zu groß“. | |
| Tatsächlich wird die S-Bahn, wenn im kommenden Jahr alle Bauarbeiten | |
| abgeschlossen sind, Istanbul von West nach Ost über eine Strecke von 120 | |
| Kilometern am Marmarameer entlang durchgehend miteinander verbinden. Rund | |
| 14 Kilometer davon laufen unter der Erde. Von dieser S-Bahn-Strecke werden | |
| dann mehrere U-Bahn-Strecken abgehen, die fast die gesamte Megacity | |
| erschließen werden. Mit der Betonröhre erlebt Istanbul deshalb einen | |
| verkehrstechnischen Quantensprung. „Von 40 Kilometer U-Bahn 2005 werden es | |
| 400 km bis 2030“, verkündet Erdogan auf den Plakaten in der Stadt. Da muss | |
| man ihm ausnahmsweise recht geben. Das ist tatsächlich ein Fortschritt. | |
| 29 Oct 2013 | |
| ## AUTOREN | |
| Jürgen Gottschlich | |
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