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# taz.de -- Kommentar Schadenersatz Kundus: Der Krieg ist kein rechtsfreier Raum
> Auch Afghanen haben Rechte, wenn die Bundeswehr in ihrem Land Krieg
> führt. Der Prozess in Bonn wird die Bundeswehr im positiven Sinne hemmen.
Bild: Egal wie der Prozess um den Luftangriff in Kundus ausgeht, er wird bleibe…
Auch der Krieg ist kein rechtsfreier Raum. Jedenfalls in Deutschland. Das
Landgericht Bonn wird an diesem Mittwoch prüfen, ob der Bundeswehr-Oberst
Georg Klein fahrlässig handelte, als er im September 2009 die Bombardierung
von zwei entführten Tanklastern in Afghanistan befahl. Bei dem Bombardement
starben auch viele Zivilisten, darunter Jugendliche und Kinder, die an den
steckengebliebenen LKW kostenlos Benzin abzapfen wollten.
In einem Musterprozess fordern zwei Hinterbliebene jetzt Schadensersatz von
der Bundesrepublik. Dass sich das Bonner Landgericht nun Videos vom
Tatgeschehen ansieht, ist schon ein großer Erfolg. Denn dies bedeutet, dass
alle juristischen Einwände der Bundesregierung gegen das Verfahren
erfolglos waren. Schon damit schreibt das Landgericht Bonn
Rechtsgeschichte: Die Opfer rechtswidriger deutscher Kriegshandlungen
können in Deutschland Schadenersatz verlangen. Auch Afghanen haben Rechte,
wenn die Bundeswehr in ihrem Land Krieg führt.
Das heißt aber noch nicht, dass die Bundesrepublik nun auch im Kunduzs-Fall
automatisch zur Zahlung von Schadensersatz verurteilt wird. Dazu müsste die
Verhandlung ergeben, dass Oberst Klein tatsächlich rechtswidrig handelte.
Wenn er damals davon ausgehen konnte, die Personen um die Tanklaster sind
ganz überwiegend Taliban, also feindliche Kämpfer, dann durfte er den
Bombenbefehl geben. Wenn er aber erkennen musste, dass die meisten
Umstehenden Zivilisten waren, hatte er Völkerrecht verletzt.
Die Antwort bestimmt sich nicht nach politischen oder moralischen
Gesichtspunkten. Auch Oberst Klein und sein Arbeitgeber, die Bundeswehr,
haben Anspruch auf einen fairen Prozess. Umso wichtiger ist es, dass die
Richter am Mittwoch die entscheidenden Videobilder vom Schauplatz des
Geschehens in öffentlicher Verhandlung ansehen. Jeder Interessierte kann
sich sein eigenes Bild machen – im Sitzungssaal S 0.11 des Bonner
Landgerichts.
Egal wie der Prozess ausgeht, er wird (gemeinsam mit anderen politische und
juristischen Reaktionen) bleibende Wirkung hinterlassen. Er wird die
Bundeswehr im positiven Sinne hemmen und damit hoffentlich ähnlich
desaströse Militäraktionen verhindern. Und zwar nicht weil bei
rechtswidrigen Angriffen künftig Schadensersatzforderungen drohen – die
paar Millionen fallen angesichts der sonstigen Kriegskosten nicht ins
Gewicht. Was die Soldaten vielmehr nachhaltig verunsichern dürfte, ist der
jahrelange persönliche Ärger (medial, parlamentarisch, strafrechtlich und
zivilrechtlich) der auf eine rücksichtslose Tötung von Zivilisten folgt.
30 Oct 2013
## AUTOREN
Christian Rath
## TAGS
Schwerpunkt Afghanistan
Bundeswehr
Kundus
Oberst Georg Klein
Prozess
Schadensersatz
Oberlandesgericht
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Afghanistaneinsatz
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