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# taz.de -- Indie-Band These New Puritans: Pop als Kunst
> Die britische Band These New Puritans arbeitet auf ihrem Album „Field of
> Reeds“ mit komplexen Arrangements. Jetzt tourt sie durch Deutschland.
Bild: These New Puritans folgen dem Prinzip „Kontinuität durch Wandel“.
Markenbildung gehört im Pop eigentlich zu den ökonomischen Zwängen, denen
eine Band als Wirtschaftseinheit so unterworfen ist. Dazu zählen in der
Regel ein erkennbarer Stil und Sound. Manche Bands scheinen sich um diese
Spielregeln jedoch einen Dreck zu scheren. Oder sie wählen eine völlig
andere Strategie, um sich gegen die Konkurrenz zu behaupten. Bei der
Londoner Band These New Puritans lässt sich die Marke am ehesten auf die
Formel „Kontinuität durch Wandel“ bringen.
„Field of Reeds“ heißt ihr aktuelles Album, und es hat mit ihrem Debüt
„Beat Pyramid“ von 2008 nur noch herzlich wenig zu tun. Waren These New
Puritans, auch TNP genannt, vor fünf Jahren noch eine Postpunkband mit
schroffen Gitarren und treibendem Schlagzeug, meint man diesmal ein
Ensemble für Neue Musik zu hören, das zur Abwechslung eine Suite von
Pop-Abstraktionen vorgelegt hat.
Wobei das mit dem Ensemble durchaus zutreffend ist: Neben der Kernbesetzung
von TNP, die gegenwärtig aus den Zwillingsbrüdern Jack und George Barnett
und dem Schlagzeuger Thomas Hein besteht, beteiligten sich eine Reihe von
klassisch ausgebildeten Gastmusikern, darunter der Berliner Dirigent André
de Ridder mit seinem Stargaze-Ensemble und die Sänger der Londoner Synergy
Vocals.
## Komplett durchkomponiert
Tatsächlich hat Jack Barnett, der sich schon für das zweite Album, „Hidden�…
(2010), die nötigen Fertigkeiten zum Notieren von Bläsersätzen angeeignet
hatte, die Musik auf „Field of Reeds“ komplett durchkomponiert. Manchmal
hört man Songformen heraus, in anderen Nummern gestattet Barnett den
Klängen mehr Luft zu atmen, ohne jemals die Zügel locker zu lassen. Jede
Stimme, vom Klavier über die Streicher bis zum Schlagzeug, bekommt ihren
klar definierten Platz zugewiesen, darf sich mal in den Vordergrund wagen
oder fügt sich in den Orchesterapparat ein.
Meistens geht es dabei harmonisch zu. Von weichgespültem Wohlklang halten
TNP allerdings nichts. Die Vielzahl an Instrumenten dient vielmehr einer
stark differenzierten Farbigkeit, die schon mal leicht atonal geraten darf,
wenn es der Logik des Stücks dient. Jack Barnett behält dabei selbst in
unübersichtlichen Situationen einen kühl-analytischen Kopf, der ihm
gestattet, die introvertierte Emotionalität seiner „Songs“ präzise zu
artikulieren. Hier sind Musiker am Werk, die sehr genau wissen, was sie tun
und mit welchen Mitteln sie ihr Ziel erreichen.
Vorbilder für den Ansatz von TNP gibt es durchaus. Als direktester
Vergleich bieten sich die Landsleute von Talk Talk an, die sich mit ihren
letzten beiden Alben, „The Spirit of Eden“ und „The Laughing Stock“,
zwischen experimentellem Pop und luftig-orchestralen Meditationen bewegten.
Sogar personell gibt es Überschneidungen: Jazztrompeter Henry Lowther, der
seinerzeit bei Talk Talk als Sessionmusiker mitspielte, ist auch auf „Field
of Reeds“ vertreten und in Stücken wie „Nothing Else“ mit Solopassagen zu
hören.
## Pop als Neue Musik
Gegenüber dem Spätwerk von Talk Talk wirkt der kompositorische Ansatz von
TNP noch konsequenter, fällt eine Zuordnung der Musik noch schwerer: Hier
wird Pop mit Mitteln der Neuen Musik beinahe über sich hinaus getrieben.
Zugleich werden alle Fallgruben einer orchestralen Besetzung scharfsinnig
umgangen: Bombast, wie ihn großformatige Bands gern pflegen – Arcade Fire
etwa –, wird von der strengen Stimmführung bei TNP nicht geduldet. Dass
mehr als 40 Musiker an der Produktion beteiligt waren, merkt man dem Album
kaum an.
Eine weitere Besonderheit der Platte ist, dass sie fast nur mit akustischen
Instrumenten eingespielt wurde. Selbst die „elektronischen“ Klänge stammen
mehrheitlich von einem „Magnet-Resonatoren-Klavier“, einer
elektroakustischen Klavier-Erweiterung vom Komponisten Andrew Macpherson,
dessen Erfindung auf „Field of Reeds“ zum ersten Mal außerhalb des
Neue-Musik-Betriebs zum Einsatz kommt. Elektronische Produktion als
Sparmaßnahme scheint bei alledem jedenfalls kein Thema gewesen zu sein.
Pop, das führen TNP mit unaufdringlicher Selbstverständlichkeit vor,
braucht die Berührung mit der „Hochkultur“ nicht zu fürchten. Erst recht
nicht, wenn sich der Pop die Techniken der klassischen Musik mit lässiger
Geste aneignet und in seinem eigenen Sinne verwendet. Dass das Ergebnis im
Grunde dann Kunst ist, kann man ja auch mal als Lob betrachten.
##
14 Nov 2013
## AUTOREN
Tim Caspar Boehme
## TAGS
Pop
Neue Musik
Popmusik
Messer
Elektro
Arcade Fire
Gitarre
Musik
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